„HALT! Es ist nicht gestattet, die rechte Buchseite zu betreten!“ So beginnt das Bilderbuch „Hier kommt keiner durch!“ von Isabel Minhós Martins, das 2017 den deutschen Jugendliteraturpreis erhielt.
Das Buch besticht durch seine geschickte Nutzung des Mediums als Teil der Geschichte: Die Mitte jeder Doppelseite wird zu einer unsichtbaren Grenze, die von „Herrn Aufpasser“ gewissenhaft bewacht und von einer von Doppelseite zu Doppelseite bunter und größer werdenden Menschenmenge nicht betreten werden darf. Seinem General sei dieser Platz vorbehalten, erläutert der Aufpasser: „Hier kommt keiner durch!“ Doch dies gelingt nur, bis ein kleiner roter Ball über die Grenze fliegt. Die Kinder, die mit ihm gespielt haben, erweichen schließlich den Aufpasser und bekommen die Erlaubnis, den Ball holen zu dürfen. Und schon gibt es kein Halten mehr: Die ganze Schar an Menschen stürmt mit großem „Hallo“ hinterher.
Das Buch der 1974 in Lissabon geborenen Autorin und dem ebenfalls aus Lissabon stammenden Illustrator Bernardo P. Carvalho imponiert durch diese geniale Idee der Platznutzung, mit seinem wenigen Text und den fröhlichen Filzstiftzeichnungen.
Beim Lesen kann man sich ein Schmunzeln über die Sprechblasen ebenso wenig verkneifen wie das Entwickeln von Ideen zum Einsatz in Schule und Gemeinde. Denn die Einfachheit der Geschichte und ihre gleichzeitig dramatische Aussage fasziniert. Da darf vorhandener Platz nicht von der Bevölkerung genutzt werden, weil er einem General vorbehalten ist. Da entsteht eine Grenze, die mit Waffengewalt verteidigt wird und da sind es schließlich die Kinder, die diese Grenzpolitik aufweichen. Dem erwachsenen Leser kommen schnell Grenzkonflikte wie jener zwischen Israel und Palästina oder der zwischen Nord- und Südkorea in den Kopf, die mit diesem Bilderbuch kindgerecht und behutsam thematisiert werden könnten.
Auch die Deutsch-Deutsche Geschichte könnte mit „Hier kommt keiner durch!“ gerade um den 3. Oktober herum erläutert werden. Denn das Kinderbuch überfordert auch Kinder im Grundschulalter nicht, sondern macht ihnen deutlich, welche Macht das Wort einzelner bekommen kann.
Etwas niedrigschwelliger wäre es auch denkbar, mit Hilfe des Buches Schulhofstreitigkeiten aufzugreifen, die allen Kindern bekannt sind: eine Gruppe bestimmt, wo eine andere Gruppe zu spielen hat.
Es lassen sich also zahlreiche Anknüpfungspunkte für alle Altersbereiche finden, denn der Phantasie sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt.