Warum Geschenke? – Die Geschenke sind schon da Geschenke zu Weihnachten? – Contra

von Leif Mennrich

 

Na klar hat Jesus auch Geschenke bekommen zu seiner Geburt. Ein Strampler wäre sinnvoll gewesen, die komplette Babyausstattung hätte es sicherlich auch getan. Aber Matthäus erzählt, dass babylonische Astrologen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkten. Schöne Dinge hatten sie ja mitgebracht, aber für den Kleinen war nichts dabei. Der direkte Nutzwert der Gaben war erst einmal gering. Weder zum Spielen, noch zum Anziehen oder zur Versorgung war irgendetwas dabei.

Und doch sind es königliche Geschenke. Der Akt des Schenkens wird zur Zeichenhandlung, mit dem die Astrologen aus dem Morgenlande auf die Königlichkeit des Beschenkten verweisen. Solange ein Geschenk entsprechend als „gut gemeint“ verstanden wird, geht die Sache gut. Aber während sich der Heimwerker noch über den Bohrhammer freut, kommt die Küchenmaschine bei der Hausfrau nicht mehr so richtig an. Schon der rote Pullover kann von manchem kleinen Jungen missverstanden werden, als ob er eine Babypuppe bekommt.

So ist das Schenken ein Akt, der als symbolisches Beziehungsgeschehen das Verhältnis zwischen zwei Identitäten definiert. Im Geschenk materialisiert sich dieses Verhältnis und wird unbestreitbar konkret. Wird jemand verkannt, tut dies weh. Das Geschenk wird zur Wunde, die möglicherweise erst im nächsten Jahr geheilt werden kann.

Sollte man nun nichts schenken, nur weil Geschenke falsch verstanden werden können? Sollte man etwa auch nicht reden, nur weil ein missverständliches Wort verletzen kann? Nicht immer ist der Verzicht auf Geschenke wirklich eine Alternative. Umso größer ist dann der Druck, dass die Geschenke passen müssen. Oder die Gabe muss so gestaltet sein, dass der Anspruch als adäquates Geschenk von vornherein ausgeschlossen ist. Dann muss der Schenkende mit dem Überraschungsmoment oder mit viel Humor punkten.

Ein wenig Humor schenken wäre schön – oder Zuneigung und Verständnis. Solche Gaben sind sicherlich wertvoller als die Haufen von Konsumartikeln aller Art unter dem Weihnachtsbaum, die im Grunde genommen nicht mehr viel Beitragen zum Miteinander in den Familien und unserer Gesellschaft.

Es ist ein altes Thema, aber es lohnt sich sicherlich, einmal auf Geschenke zu verzichten, ohne gleich eine Ideologie daraus zu machen und sich zum Spielverderber zu qualifizieren. Die Schränke und der Dachboden sind nicht selten schon gefüllt mit Dingen, die uns wie überflüssige Worte wenig nützen oder sagen. So ist Schweigen vielleicht das größte Geschenk in einer Flut leerer Worte.

Zugegeben kann auch Schweigen verletzen, ebenso wie der Verzicht auf Geschenke. Und wenn dann unterm Weih-nachtsbaum ganz ohne Geschenke das Gefühl aufkommt, dass irgendetwas fehlt, dann ist dies vielleicht die Chance, sich wieder das zu schenken, was wirklich fehlt: Zeit füreinander statt Einkaufsstress, einen romantischen Weih-nachtsabend trotz schiefem Weihnachtsbaum, mit den Kindern im Nieselwetter durch den Matsch stiefeln und vor allem offene Herzen und Hände für die Bedürftigen. Wer aus Liebe einmal auf Geschenke verzichtet, wird sich dabei erwischen, möglicherweise doch mehr zu schenken, als man kaufen kann.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2007

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