Licht und Dunkelheit gehören zusammen - Ein kunstpädagogisches Projekt für Förder- und Grundschulen

von Christine Labusch

 

Didaktische Überlegungen

Die Intention dieses Unterrichtsprojektes ist es, die Symbolkraft von Licht und Dunkelheit zu erschließen, indem die Schülerinnen und Schüler selbst durch künstlerische Gestaltungen zu einer symbolisierenden Handlung angeregt werden. Die sprachlich-gedankliche Reflexion erfolgt im zweiten Schritt und stets angebunden an den eigenen Schaffensprozess, also immer in enger Anbindung an die individuelle Erfahrung Gestalt gebenden Arbeitens.

Im Zuge des Entstehungsprozesses wird unmittelbar erfahrbar, dass Licht und Dunkelheit zwei nicht voneinander zu trennende Phänomene sind. Sie sind keine voneinander isolierbaren Größen. Vielmehr entsteht durch diese Form der Gestaltung ein Bild, in dem sich alle Qualitäten von strahlender Leuchtkraft bis zu finsterstem Dunkel zu einer Gesamteinheit verbinden. Mit diesem Prinzip ist die symboldidaktische Kernentscheidung des Unterrichtsprojektes – ausgesprochen oder unausgesprochen – verbunden: Leben in seiner Fülle enthält alle Schattierungen von strahlend hellen Momenten bis hin zu den finstersten Augenblicken. Und Lebendigkeit bedeutet, alle Erfahrungen des Lichtes bis hin zu allen Erfahrungen der Dunkelheit wahrzunehmen, sie anzunehmen und sie in das eigene Leben zu integrieren. Dieser hohe Anspruch kann nur indirekt die Intention einer Unterrichtseinheit für Kinder sein, denn die Integration dunkler Erfahrungen in das Selbst- und Lebenskonzept ist noch für Erwachsene eine oft kaum zu meisternde Herausforderung.

Andererseits handelt es sich um eine wichtige Intention, da in ihr die Überzeugung enthalten ist, dass dunkle Momente nicht grundsätzlich auszugrenzen sind oder dass sie als zu vermeidende Anti-Bilder eines glücklichen Lebens anzusehen sind. In der Fixierung auf die ausschließlich “positiven” Seiten des Lebens, in der Abspaltung aller Schattenseiten bis hin zur Verdrängung der ungeliebten Anteile des Selbst wächst eine Lebenshaltung heran, die genau das Gegenteil von dem Erwünschten herauf beschwört: Die Leuchtkraft des Lebens wird nicht verstärkt, sondern sie verkommt zu einer blassen Mittelmäßigkeit, weil sehr viel Lebenskraft dadurch gebunden wird, die Dunkelheit (und alles, was in diesen Bereich fallen könnte) aus dem Erleben fern zu halten. Vergleichbar ist dies mit dem Zuhalten einer Tür, durch die sich das Unerwünschte Zugang verschaffen möchte. Durch das Zuhalten der Tür ist aber auch die Kraft gebunden, die gebraucht würde, um – etwa durch eine andere Tür – auf das Erwünschte zuzugehen.

In einer offenen Haltung dagegen, in der jede Qualität, sei sie positiv oder negativ konnotiert, Zugang zum Erleben findet, wird die Erfahrung möglich, dass kein Zustand ewig währt, sondern dass Wandlung und Erneuerung durchgehende Prinzipien des Lebens sind. Nichts bleibt ewig, weder Licht noch Finsternis. Ein erfülltes Leben, so zeigen es die Beispiele wirklich beeindruckender Biografien und so zeigen es viele biblische Geschichten, umfasst eine Vielzahl an Erscheinungsformen von Licht und Dunkelheit in unendlich vielen Facetten. Je mehr schon Kinder ermutigt werden, jede Erscheinung von hellen und dunklen Momenten als Realität des Lebens anzunehmen, desto größer ist die Chance, dass sich die Intensität ihres Erlebens vertieft.



Praktische Umsetzung

Für die praktischen Impulse innerhalb der Unterrichtsreihe werden hier aufeinander aufbauende Schritte dargestellt. Je nach Schülergruppe können die Bausteine jedoch auch abgewandelt oder als Einzelthemen bearbeitet werden.

 

Zugang zum Thema Licht und Dunkelheit über die künstlerische Gestaltung

Die unterschiedlichen Effekte von Licht und Dunkelheit bzw. von Übergängen im Zwischenbereich von Licht und Dunkelheit werden durch Arbeiten mit Wasserfarben (farbig) in Kombination mit Scriptol (schwarz) erreicht. Während der künstlerischen Gestaltung wird nacheinander Schritt für Schritt auf ein und demselben Zeichenblockpapier der Gestaltungsablauf von der ersten bis zur letzten Phase durchgeführt (M 1). Dabei entsteht zunächst ein farbiges Bild. Dieses wird dann mit Scriptol durch Übermalen geschwärzt (verdunkelt), bis das Papier ganz schwarz ist. Von den Farben ist nichts mehr sichtbar. Nach der Trocknung wird das Papier in Wasser gelegt, bis sich das Scriptol von den farbigen Flächen des Bildes ablöst, so dass es an diesen Stellen vorsichtig abgewaschen werden kann. So entsteht das Endprodukt, in dem die farbigen Elemente hervortreten, während das Schwarz einen Hintergrund bildet, das die Leuchtkraft der Farben verstärkt.

Um den Prozess im Anschluss an die Gestaltungsarbeit gut nachvollziehen und die Symbolkraft der Einzelschritte herausarbeiten zu können, ist es zu empfehlen, jede Etappe des Entstehungsprozesses bei jedem Kind zu fotografieren.
Bei der Betrachtung der Bilder im Anschluss an den künstlerischen Entstehungsprozess können folgende Fragen reflektiert werden:

  • Wie ist es euch beim Arbeiten ergangen? (z.B. Widerstand, alles mit Schwarz zu übermalen, Freude beim Abwaschen des Dunkels …)
  • Was ist da mit ein und demselben Bild alles passiert? (z.B. mal war es hell, freundlich, mal finster, mal bunt…)
  • Was ist jetzt am Ende alles zu sehen?

 

Zugang zum Thema Licht und Dunkelheit über Textimpulse aus der Alltagswelt der Kinder

Im nächsten Schritt kann den Fotos der einzelnen Phasen der passende Textbaustein zugeordnet werden (M 2).
Beispiele aus dem Erfahrungsschatz der einzelnen Kinder können mit diesem Schritt verbunden werden (“Kannst du ein Beispiel aus deinem Leben erzählen, wann dunkle Wolken über dir aufgezogen sind?”).


Die schriftlichen Impulse (M 3), die auf eigene, individuelle Erfahrungen abzielen, können im Klassen-/Gruppengespräch oder auch in Einzelarbeit beantwortet werden.

 

Zugang zum Thema Licht und Dunkelheit über Textimpulse aus der Bibel

In diesem Schritt verbinden sich die künstlerischen und Alltagserfahrungen der Kinder mit biblischen Aussagen.

Ein Impuls der Lehrerin oder des Lehrers könnte sein: “Solche Erfahrungen, wie ihr sie gemacht und beschrieben habt, kennen alle Menschen. Bei jedem Menschen sehen die Erfahrungen mit hellen Momenten und mit dunklen Erfahrungen im Leben anders aus, so wie auch eure Bilder alle verschieden sind. Die Menschen, die vor sehr langer Zeit gelebt haben und deren Gebete und Lieder in der Bibel stehen, beschreiben ebenfalls, wie es ihnen ergangen ist. Hört euch die Beispiele dieser Menschen einmal an und schaut, ob sie etwas mit unseren Bildern und Texten zu tun haben.”

Die Psalmausschnitte (M 4) können zunächst gelesen oder gehört und wenn nötig erklärt werden. Dann können sie den Bildern und Aussagen der Schüler und Schülerinnen zugeordnet werden. Ergänzend können folgende Fragen thematisiert werden:

  • Wie sprechen diese Menschen von Gott?
  • Welche Erfahrungen haben sie mit Gott gemacht?
  • Was wünschen sie sich von Gott?
  • Wie hängen Licht und Dunkelheit mit Gott zusammen?
  • Welche Sätze von euch passen zu den Sätzen, die wir in der Bibel gefunden haben?


Angeregt durch die Psalmtexte besteht nun auch die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler selbst entsprechende Texte produzieren.
Je nach Lese- und Schreibfähigkeit kann dies schriftlich erfolgen, diktiert werden oder eventuell anhand von Symbolen ausgedrückt werden. Die Scriptolbilder können dafür noch einmal hilfreich sein.

Für den Abschluss dieser Unterrichtseinheit bietet sich die Gestaltung eines Buches an, in dem die erarbeiteten Schritte in Form der Bilder, der Fotodokumentation und der Texte zum Thema zusammengefügt werden.

M 1

Mit Tuschfarben auf weißem Zeichenblockpapier ein Bild malen.

  • Farben intensiv, nicht wässerig anrühren;
  • Auf Zwischenräume und weiße Flächen achten,
  • Bild gut trocknen lassen.

Das ganze Bild mit Scriptol mit einem Pinsel übermalen.

Das Schwarz gut trocknen lassen.

Das Blatt in Wasser legen (Wanne, Becken), die Oberfläche des Bildes unter Wasser. Ca. 10 Minuten einwirken lassen.


Das Scriptol vorsichtig per Hand von der

Oberfläche wischen, evtl. unter fließendem Wasser die Reste abspülen.

 

M 2

Texte aus dem Leben

  1. Manchmal ist das Leben strahlend und hell. Alles ist bunt, frisch, klar und in Ordnung. Das Leben ist ganz einfach! Ich fühle mich frei und leicht. Ich lache, spiele, tanze, freue mich.
  2. Manchmal wird es im Leben dunkel und bedrückend. Was schön war, wird auf einmal ganz finster. Ich fühle Angst und Ungewissheit. Ich verkrampfe mich, ich weiß nicht, was kommt. Ich will nicht, dass die schöne Zeit vorbei ist.
  3. Manchmal ist das Leben schwarz wie die Nacht. Nichts macht Spaß, keiner kann mir helfen, nichts geht. Alles ist schwer. Dann fühle ich mich voller Sorgen, Angst oder Schmerz. Ich weine, tobe vor Wut oder bin ganz still und gefangen.
  4. Manchmal im Leben bemerke ich, dass die Dunkelheit gar nicht so dunkel ist. Dann sehe ich: Ich habe die Dunkelheit besser überstanden, als ich dachte. Allmählich zeigt sich, dass das Licht gar nicht ganz weg war. Ich fühle mich erleichtert und stark. Ich merke, wie meine Kraft wächst. Ich staune.
  5. Das alles bin ich und das alles ist mein Leben: Freude, Licht, Strahlen, Spaß, Leichtigkeit, Bedrängnis, Enge, Angst, Trauer, Wut, Erleichterung, Stolz, Stärke, Kraft, … soooooooo viel!

 

M 3

Schriftliche Impulse

  1. Ich erinnere mich an ein Erlebnis, als ich das pralle Leben gefühlt habe: …
  2. Ich erinnere mich daran, wie es war, als es für mich einmal dunkel wurde: …
  3. Ich erinnere mich daran, dass es mir schon einmal richtig schlecht ging. Das war finster: …
  4. Ich erinnere mich daran, dass ich plötzlich ganz neue Dinge entdeckt habe: …
  5. Das alles bin ich. Und das alles ist mein leben. Ich staune:…

 

M 4

 

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?
(Psalm 27,1)

 

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.
(Psalm 36,10)

 

Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, du spannst den Himmel aus wie ein Zelt.
(Psalm 104,2)

 

Es ist das Licht süß und den Augen lieblich, die Sonne zu sehen.
(Prediger 11,7)

 

Und wenn du dann ganz dahin bist, so will ich den Himmel verhüllen und seine Sterne verfinstern und die Sonne mit Wolken überziehen, und der Mond soll nicht scheinen.
(Hesekiel 32,7)

 

Du hast mich hinunter in die Grube gelegt, in die Finsternis und in die Tiefe. Dein Grimm drückt mich nieder, du bedrängst mich mit allen deinen Fluten.
(Psalm 88,8)

 

Sende dein Licht und deine Wahrheit, damit sie mich leiten.
(Psalm 43,3)

 

Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nicht statt Licht um mich sein …
(Psalm 139,11)

 

… so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir und die Nacht leuchtete wie der Tag.
(Psalm 139,12)

 

Werden denn deine Wunder in der Finsternis erkannt oder deine Gerechtigkeit im Lande des Vergessens?
(Psalm 88,13)

 

Dem Frommen geht das Licht auf in der Finsternis von dem Gnädigen, Barmherzigen und Gerechten.
(Psalm 112,4)

 

Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag.
(Sprüche 4,18)

 

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
(Jesaja 9,1)

 

Denn du hast mein Leben dem Tod entrissen, meine Füße bewahrt vor dem Fall. So gehe ich vor Gott meinen Weg, im Licht der Lebenden.
(Psalm 56,14)

 

Du hast unsere Sünden vor dich hingestellt, unsere geheime Schuld in das Licht deines Angesichts.
(Psalm 90,8)

 

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
(Psalm 119,105)

 

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2007

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