„Hier ist das Land des Friedens“ – Überlegungen zu Fluchtursachen und Willkommenskultur

Von Ralf Meister

 

Zwei Blickrichtungen

Es gibt zwei Richtungen, in die wir bei der Bewältigung der Aufnahme von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft schauen. Nach innen und nach außen. Die Blickrichtung nach innen lautet: Wie gelingt uns eine Integration in die Bildungssysteme, den Arbeitsmarkt und unsere Wertelandschaft in Deutschland? Diese Debatte dominiert momentan unsere Auseinandersetzung mit der sogenannten Flüchtlingskrise. Dabei scheint mir die andere Blickrichtung mindestens ebenso wichtig: Wie reagieren wir nach außen auf Millionen von Menschen, die auf dem Erdball auf der Flucht sind? Welche Konzepte zur Milderung der Not und Gefahren sind uns in ihren Ländern möglich, damit sie in ihrer Heimat bleiben? Diese Debatte beginnt erst, wird aber mit ihren Konzepten entscheidend dafür sein, wo Fluchtbewegungen in Zukunft entstehen werden und wie die Not der Menschen vor Ort zu lindern ist.


Minderung der Fluchtursachen

„Minderung der Fluchtursachen“ heißt ein Runder Tisch, der auch mit Unterstützung der Kirchen im Bündnis Niedersachsen packt an jüngst entstanden ist. Neben der großartigen Hilfe, die abertausende von Ehren- und Hauptamtlichen innerhalb unserer Kirchen seit vielen Monaten leisten, bewegt mich diese Außenperspektive immer stärker. Deshalb hat mich diese Blickrichtung auch Mitte Januar für drei Tage nach Beirut reisen lassen. Ich habe dort eine Reihe von Gesprächen geführt, um mir mit libanesischen, vor allem aber syrischen Vertretern ein Bild von den konkreten Möglichkeiten der Unterstützung vor Ort zu machen. Ich habe mit vielen Menschen geredet: dem Pastor der deutschen Gemeinde, mit dem deutschen Botschafter und zahlreichen Vertretern, Pastoren, Lehrerinnen, Gemeindegliedern der Kirchen aus Syrien und dem Libanon. Im Mittelpunkt stand immer eine Botschaft unserer kleinen Delegation: Wir sehen ihr Leid im Krieg in Syrien, und wir möchten erfahren, ob und wie wir vor Ort hilfreich sein können. Zugleich galt es aber auch, die unglaublichen Anstrengungen, die die Menschen im Libanon übernehmen, zu würdigen. Mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge hat dieses kleine Land aufgenommen, bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 4,5 Millionen. Kein anderes Land der Welt nimmt im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viele Flüchtlinge auf.

Wir hatten bewusst darauf verzichtet, Flüchtlingslager aufzusuchen, denn es ging uns konkret um die Sondierung einer möglichen Partnerschaft zu evangelischen Schulen und Gemeinden in Syrien. Beim Besuch der National Evangelical Synod of Syria and Lebanon (NESSL) und dem Gespräch mit einer Abordnung in ihrem Headquarter in einem Außenbezirk der Stadt mit einem traumhaften Blick über das Mittelmeer verteilte ich vor Beginn des Gesprächs ein Grußwort der hannoverschen Landessynode, das wir ins Arabische übersetzt hatten. Ein Vertreter las es laut vor. Im Anschluss: Tiefes, berührtes Schweigen. Und dann der Dank für unsere Solidarität mit den Kirchen vor Ort. Selten ist eine Reise zu christlichen Geschwistern für mich so eindrucksvoll und bewegend gewesen, wie es diese drei Tage im Libanon waren. Als wir unser Gespräch mit Pastor Nseir aus Homs führten, der über die syrische Schule in seiner Stadt und seine Kirchengemeinde berichtete, begann er seine Ausführungen mit einer persönlichen Bemerkung über Freunde von ihm, die wenige Tage zuvor bei Angriffen in Al Qamishli an der Grenze zur Türkei umgekommen waren; seinem Heimatort.

Mit großer Dankbarkeit sehe ich, wie sich die landeskirchliche Syrien-Initiative „Gemeinsam helfen – Eine Zukunft für Christen in Syrien schaffen“ ausweitet und in einigen Gemeinden und Kirchenkreisen, aber auch in großen Gottesdiensten der Landeskirche Mittel gesammelt werden. Wir unterstützen damit die Arbeit evangelischer Schulen in Syrien. In den Wirren des Krieges und in Zeiten großer Not ist der Schulbesuch für Kinder und Eltern ein Garant im Alltag und eine wichtige Investition in die Zukunft. Wir wollen dazu beitragen, dass Mädchen und Jungen in Syrien unabhängig von Herkunft und Religion der Schulbesuch ermöglicht wird.

Wir fügen uns mit dieser Initiative ein in die Gruppe einiger evangelischer Kirchen in Deutschland, die schon seit längerer Zeit Beziehungen zu syrischen Kirchen aufgebaut haben. Unsere Hilfe ist bescheiden und klein und wird dennoch als wichtiges Zeichen gesehen, wie wir Menschen vor Ort eine Perspektive geben, in ihrem Land zu bleiben. Im August dieses Jahres (2016) hoffen wir, Pastor Nseir aus Homs einladen zu können, der dann einigen kirchlichen Gremien von seiner Gemeinde und der benachbarten Schule berichten wird. Wenig später planen wir erneut, für wenige Tage nach Beirut und eventuell nach Syrien zu reisen, um dort die Zusammenarbeit mit den Schulen zu intensivieren. Mit dabei werden dann vermutlich Vertreterinnen unserer evangelischen Schulen sein, die signalisiert haben, an einer Patenschaft mit einer syrischen Schule interessiert zu sein. Damit sind wir mit diesem Projekt aus der Phase der Idee herausgetreten und bauen nun eine Patenschaft auf.


Zwischen kosmopolitischer Haltung und wachsender Provinzialität

Wir leben in einer Welt schreiender Ungerechtigkeit und einer Welt des Unfriedens. Selten ist diese Einsicht so klar und schmerzlich als globale Botschaft transportiert worden wie in den vergangenen Monaten. Nichts ist mehr fern. Menschen, denen wir in unseren Häusern Herberge geben, erzählen von Krieg und Tod. Die drohende Klimakatastrophe treibt Menschen aus den wachsenden Dürregebieten in die norddeutsche Tiefebene. Beliebte Urlaubsorte am Mittelmeer sind zu Sammelplätzen Geflohener geworden, die auf der Suche nach einem sicheren und besseren Leben sind. So kosmopolitisch und leidvoll mit den Flüchtlingen der Wind in unser Land weht, so erleben wir zugleich auch eine wachsende Provinzialität im Gemüt und beginnende Unbarmherzigkeit, Schutzzäune zwischen den Grenzen und wachsende Mauern in den Köpfen.

Der gängige Topos der „gesellschaftlichen Verantwortung“, der sich durch zahlreiche kirchliche Stellungnahmen zieht, bekommt angesichts dieser Situation eine neue Bedeutung. Die abstrakte Formulierung „gesellschaftliche Verantwortung“ hat ganz konkrete Gesichter. Bei meinen Reisen im Libanon und in Indien, meinen Besuchen in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland, in der Begegnung mit meinen neuen Nachbarn aus Afghanistan und dem Irak, die in das Haus in der Haarstraße in Hannover eingezogen sind. Wenn meine Familie mit den neuen Mitbewohnern im Haus zusammensitzt und sie über ihr Leben erzählen, öffnen sich fremde Welten. Junge Männer, die beschreiben, wie sie selbstverständlich schon als Neun- oder Zehnjährige auf Baustellen gearbeitet haben oder in einer kinderreichen Familie als kleines Kind zur Familie des Onkels „weitergereicht“ wurden. Die Erzählungen über die monatelange Flucht über den Libanon, die Türkei und die Balkanroute geben uns persönliche Erfahrungen weiter, die wir sonst nur aus Fernseh- oder Zeitungsreportagen kennen. Das Antlitz eines Menschen, der der Not in seinem Land entkommen ist, erzählt viel mehr, als es jede Reportage vermag.

Noch immer ist offen, welche Wege in der Integration der Flüchtlinge in unserem Land nachhaltig sein werden. Es werden in unserer Demokratie unter den Bedingungen der Freiheit umfassende Diskussionen über den Weg und die Inhalte dieser Aufgabe geführt. Welche religiösen, welche nationalen, welche politischen Haltungen formulieren sich in unserem säkularen Staat mit? Wer spricht mit? Aus den unterschiedlichsten Quellen werden Ideologien oder Werthaltungen genommen und für verbindlich erklärt. In einer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft müssen allgemeine politische Prinzipien entwickelt werden, in denen zentrale moralische Vorstellungen zum Ausdruck kommen, die möglichst alle Bürger teilen. Davon sind und bleiben wir noch entfernt. Es ist in jeder Gerechtigkeitsdiskussion einsichtig, dass es Werte sein müssen, die umstrittene metaphysische Ideen ausschließen. Wir führen diese Debatte innerhalb unseres Landes und erleben, dass sich gegensätzliche Auffassungen quer durch die Nachbarschaften, Familien und Gruppen ziehen – ebenso wie durch politische Parteien und Institutionen. Das Integrationsgesetz will mit der Schaffung von 100.000 neuen „Arbeitsgelegenheiten“ – darunter vermutlich Ein-Euro-Jobs – die Heranführung an den Arbeitsmarkt erleichtern und sinnvolle Betätigung während des Asylverfahrens ermöglichen. Integrationskurse sollen verpflichtend sein. Wer die Mitwirkung daran ablehnt oder abbricht, dem sollen Leistungen gekürzt werden. Bei Straffälligkeit soll das Aufenthaltsrecht widerrufen werden können und Flüchtlinge sollen gleichmäßiger verteilt werden. Wer den zugewiesenen Wohnsitz verlässt, muss mit Konsequenzen rechnen. Diese praktischen Maßnahmen, die teilweise unumstritten sind, ersetzen jedoch nicht die inhaltlichen Positionen, die eine Gesellschaft für ihr Zusammenleben formulieren muss. In welcher Haltung wird die Mehrheit der Bevölkerung die Integration der Flüchtlinge betrachten? Welche emotionalen Dynamiken werden unsere Gesellschaft bei der Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturen, anderen Religionen, mit anderer Sprache bewegen? Alle Gesetze, Verträge und Ordnungen brauchen eine Selbstverpflichtung zur Toleranz, eine verbindende emotionale Basis und eine Übereinkunft der Werte, damit sie getragen werden. Nicht durch die Flüchtlinge verursacht, aber durch die aktuelle Lage quasi öffentlich ausgebrochen, entsteht jetzt eine Debatte über ein gesellschaftliches Leitbild: Welches Zukunftsmodell soll in unserem Land mehrheitlich getragen werden?


Niedersachsen packt an – Eine Frage der Haltung

2015 gab es einen gemeinsamen Aufruf der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), des Bistums Hildesheim und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zu einem gebündelten Vorgehen in der Flüchtlingsfrage zusammen mit dem Land Niedersachsen. Das oben genannte Bündnis „Niedersachsen packt an“ hat gleich danach seine Arbeit aufgenommen und wurde am 30. November 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt. (Mehr erfahren auf www.niedersachsen-packt-an.de). Über 2.300 Unterstützerinnen und Unterstützer haben sich bislang auf der Internetseite des Bündnisses eingetragen. „Niedersachsen packt an“ ist ein gesellschaftlicher Zusammenschluss, der eine gemeinsame Haltung zeigen will. Wir arbeiten daran, geflüchteten Menschen Schutz zu geben und einen Neustart in Niedersachsen zu ermöglichen. Wir wollen aber vor allem zeigen, was das gemeinsame Leben in unserem Land ausmacht: Solidarität, Toleranz und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Jenseits konkreter Maßnahmen geht es bei diesem Bündnis vor allem um eine gesamtgesellschaftliche Haltung, die über das aktuelle Geschehen hinausreichen muss. Denn im Kontext der Flüchtlingsfrage müssen wir unsere eigene Haltung fortwährend kritisch prüfen.


Theologische Begründungsfiguren für eine globale Verantwortung

Durch den momentanen Rückgang der Flüchtlingszahlen und die ersten Schließungen von Erstaufnahmelagern treten wir in eine neue Phase, die uns Zeit gibt, die eigene Haltung noch einmal zu prüfen und die Begründungen für unser Handeln zu vertiefen. Der Soziologe Max Weber hat in seinem Vortrag „Politik als Beruf“ aus dem Jahr 1919 die Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik eingeführt.1 Während der Gesinnungsethiker die Qualität des Handelns in erster Linie an den moralischen Prinzipien und Absichten bemisst, fragt der Verantwortungsethiker nach den möglichen Folgen seines Tuns. „Refugees Welcome!“ ist zuerst eine gesinnungsethische Haltung. Für die christliche Position in der Flüchtlingsfrage waren die entscheidenden Anknüpfungspunkte in den jüdisch-christlichen Ursprüngen schnell gefunden. Die zentralen biblischen Glaubenden von Abraham bis Jesus von Nazareth waren Wandernde. Aufbruch, Unterwegssein und Ankommen sind wesentliche biblische Themen. Trotzdem gelten sie nicht als erstrebenswerter Zustand, sondern zeichnen die existenzielle Situation der Glaubenden, die auf Gottes rettende Hilfe angewiesen sind. Durch das Rezitieren der Erzählungen bleibt diese Grundhaltung im kollektiven Bewusstsein der Glaubenden und fordert von uns heute, den Menschen, die auf der Flucht zu uns kommen, zu helfen.

Doch hüten wir uns davor, aus dieser Position einen moralischen Anspruch für die Gesellschaft zu formulieren und damit begründete Anfragen und Sorgen nicht ernst zu nehmen. Selbstkritisch sage ich das auch mit Blick auf manche Stellungnahme aus evangelischen Kirchen, die mit der Bugwelle moralischer Überheblichkeit daherkam. Wir sollten unsere Haltung kritisch prüfen und sie tiefer in einer theologischen Grundüberzeugung verankern, die religionsübergreifend ist und weltweit über den Augenblick hinaus denkt. Der Hinweis auf Nächstenliebe trägt die individuelle Überzeugung und begründet einen persönlichen Auftrag. Doch die ethische Grundlegung für unseren Umgang mit Menschen in Not in unserem Land hat einen weiteren Horizont. Wir stehen in der Verantwortung für globale Fluchtursachen. Unsere Hilflosigkeit gegenüber Diktaturen im Mittleren Osten und kriegerische Interventionen in den vergangenen 25 Jahren in dieser Region, unsere Handelsbeziehungen, unser Umweltverhalten haben mit dazu beigetragen, dass mittlerweile 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind – von denen sich 95% im außereuropäischen Bereich aufhalten. Es geht in der Flüchtlingsarbeit nicht um situative Mildtätigkeit, sondern um das Tragen der Konsequenzen unseres eigenen Verhaltens, unserer Politik. Es geht auch um ein globales Bewusstsein, das sich gegen Geschichtsvergessenheit wehrt. In einer erstaunlichen Weise zeigen sich nationale Entscheidungen, die völlig absehen von den helfenden und rettenden Tatsachen in der eigenen nationalen Geschichte. Erinnern wir an die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals siedelte der Lutherische Weltbund gemeinsam mit dem Internationalen Roten Kreuz mehr als 100.000 Ungarn weltweit um und half ihnen, eine neue Heimat zu finden. Heute verweigert Ungarn die Aufnahme von Flüchtlingen, als habe es seine eigene Geschichte vergessen. Das müssen wir deutlich ansprechen. Kirche versteht sich als Überbringerin einer Freiheitsbotschaft, die in der Geschichte verankert ist und sich durch den Glauben an das Reich Gottes nährt. Die Erinnerung an Heimatlosigkeit und Angewiesenheit auf Gottes Hilfe als Tenor allen menschlichen Lebens stellen jede verbürgerlichte Religiosität in Frage. Das Bewusstsein tiefer Verbundenheit der kirchlichen Gemeinschaft mit der gesamten Menschheit ungeachtet der Religionsgrenzen ist die Grundlage dieser Haltung. Dr. Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, hat beim Parlamentarischen Abend der Konföderation evangelischer Kirchen im April 2016 deutlich auf diesen globalen Kontext hingewiesen: „Die Menschenrechte sind und bleiben, über die Grenzen der Religionen hinweg, die gemeinsame Sprache der Menschheitsfamilie, mit denen den Menschen betreffende Herausforderungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht und gemeinsam angegangen werden können.“


Dank für Engagement

Dankbar bin ich, dass in Fragen der Unterstützung von Arbeit mit und für Flüchtlinge alle kirchenleitenden Gremien der hannoverschen Landeskirche zusammenstehen. So werden auf der Basis unseres Auftrags das Engagement von Gemeinden, Kirchenkreisen, Einzelpersonen und Initiativen vor Ort in der Flüchtlingsarbeit gefördert. Um die Flüchtlingsarbeit vor Ort zu unterstützen, hat die Landessynode den Kirchenkreisen für die Jahre 2015 und 2016 jeweils eine Summe von drei Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung gestellt. Weiterhin unterstützte die Landeskirche Beratungsstellen und Projekte für Flüchtlinge im Jahr 2015 mit insgesamt 670.000 Euro, dieselbe Summe steht 2016 bereit. Für Maßnahmen im Bereich der Bildungs-, Kinder- und Jugendarbeit werden Mittel von 500.000 Euro freigegeben.

Stellvertretend für so viele Orte in unserer Landeskirche, an denen Christinnen und Christen eine Willkommenskultur in großer Selbstverständlichkeit pflegen, habe ich die Flüchtlingscamps in Bad Fallingbostel besucht, um ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihren Einsatz zu danken. „Hier ist das Land des Friedens“ hatten Flüchtlinge in verschiedenen Sprachen an die Wand eines selbst gestalteten Cafes im Camp geschrieben. Gerne habe ich diesen Satz unterschrieben, auch in dem Wissen, dass dieses Land des Friedens kein Paradies für die geflüchteten Menschen ist, sondern von ihnen ein hohes Maß an Bereitschaft erfordert, sich in deutsche Verwaltung und Verhaltensregeln einzufügen, eine unbekannte Kultur lesen und andere Werthaltungen schätzen zu lernen. Ehrenamtliche, Mitarbeitende und Flüchtlinge, die selbst mittlerweile als Übersetzer ehrenamtlich im Camp arbeiten, erwarteten uns mit einer Kaffeetafel und vielen guten Gesprächen, die Einblicke in persönliche Schicksale und Lebensträume gaben. Wer einmal Erzählungen über die Flucht gehört hat, spricht im Anschluss anders über die Situation. Für den bleibt barmherziges Handeln kein wohlfeiler Appell, sondern ein konkreter Aufruf zum Handeln. Deshalb: Geht hin, sprecht mit Flüchtlingen, lasst euch einladen und ladet sie ein. Das kann ein kleiner, aber entscheidender Beitrag zu Verständnis und Frieden sein, zum Shalom, von dem uns die hebräische Bibel erzählt.

 

Anmerkungen:

  1. Max Weber: Politik als Beruf (1919), Frankfurt am Main 1999.