„Ich meine erst einmal nichts“- Zum Bild 'Bremer Stadtmusikanten' des Künstlers Bernd Steinkamp

von Steffen Marklein

 

I.

Medien sind Inszenierungen von Lebens- und Weltkonstruktionen. Sie öffnen Räume einer vertieften Wahrnehmung. Sie können hineinführen in Geschichten, Bilder, Erinnerungen und Träume und so zu eigenen, neuen Erfahrungen mit dem Leben selbst werden.

Bildende Kunst, die uns vornehmlich durch die Augen anspricht, gehört zu den „klassischen“1 medialen Ausdrucksformen. Wenn die Diskussionen um die Wirklichkeit von Bildern nicht nur in den Kunst-, Bild- und Medienwissenschaften, sondern auch in der Philosophie, Geschichtswissenschaft und Theologie weiterhin wachsen, kann dies als Herausforderung verstanden werden, auch im Bereich der Religionspädagogik die Augen offen zu halten. Es gibt bereits einen unübersehbaren Fundus an gutem Bildmaterial für den Unterricht. Auch haben das kunst- und medienverständige Qualifikationsangebot von Veröffentlichungen und Fortbildungen eine gute Resonanz. Trotzdem scheint das Verstehen von künstlerischen Bildern und der Umgang mit ihnen im Bereich religiösen Lernens häufig weiterhin traditionellen Bildvorstellungen zu folgen. Ästhetisches Lernen, das in der Religionspädagogik mittlerweile seinen selbstverständlichen Platz gefunden hat, kommt jedoch auch weiterhin nicht um die Frage herum, welcher (religiösen) Wahrnehmungsintention der Einsatz beispielsweise von alten Kunstwerken (vgl. Burrichter / Gärtner 2014, S. 11-15) oder dokumentarischen Fotografien (vgl. Lethen 2014) folgt. Kann, wie bereits in alter Zeit gefragt wurde, das Bild ein Ort religiöser Erkenntnis sein oder dient es letztlich allein der Übung und Katechese? Schlichter gefragt: Was passiert, wenn wir Bildern begegnen?


II.

Auf diesem Hintergrund berichte ich von einer Bildbegegnung aus dem vergangenen Jahr. In der Vorbereitung zu einer Ausstellung mit dem Künstler Bernd Steinkamp kommt mir ein Flyer in die Hände. Mir fällt auf der Vorderseite sofort ein Bild auf. Da sitzt doch ein Jesus mit baumelnden Beinen auf einer Fliesenkante! Im Atelier des Künstlers staune ich: Das Bild vom Flyer war nur ein kleiner Ausschnitt aus einem größeren Bild. Jetzt wirkt dieser Ausschnitt fast winzig. Man muss noch einmal genau hinschauen, um alles zu erkennen. Zum Glück wirkt auf dem Original alles schärfer und klarer.

Wie nah muss man an ein Bild herantreten, um gut zu sehen?

Das Bild spricht mich an. Ich weiß noch nicht genau, was es ist, doch ich bin neugierig geworden. In der Ausstellung soll es einen besonderen Platz bekommen. Ob die Ausleuchtung das Bild verändert? Was passiert mit den Farben? Was werde ich mit den Scheinwerfern fokussieren?
Als das Bild in der Ausstellung endlich hängt, bin ich zufrieden. Doch meine Bildneugierde ist noch nicht gestillt. Auch andere Besucherinnen und Besucher der Ausstellung bleiben stehen, lachen, schmunzeln, einige schütteln jedoch auch den Kopf, gehen gleich weiter.

Muss Kunst gefallen? Muss Kunst gefällig sein?

Je länger ich dem Bild meine Aufmerksamkeit schenke, desto mehr suche ich nach einer Ordnung. Ich entdecke Figuren, Räume, Tiere. Wo fange ich an? Das Bild hat eine Mitte, ein Oben und ein Unten. Mit etwas Abstand erkenne ich einen gemalten Rahmen, zumindest deuten diesen die farblich abgesetzten Winkel in den oberen Ecken an. Ein Bild im Bild? Alles nur ein Spiel? Die an vielen Stellen rau wirkende Farboberfläche scheint mehrfach wie mit einem Spachtel abgezogen worden zu sein. Plötzlich tauchen Bilder und Farbspuren auf, die man fast übersehen hätte.

Erd- bis rostbraune Farbtöne, ja Rost selbst, wie ich vom Künstler später erfahre, bilden das komplementäre Farbspektrum zum auffällig hellen Blau im Zentrum des Bildes. Dieses sieht – leicht nach links gerückt – fast aus wie eine Theaterbühne. Ja, hier, in der seltsamen, dreidimensional wirkenden Raumtiefe des Bildes konzentriert sich mein Blick (Abb. 2). Unverkennbar – der auf dem schwarz-weiß karierten Fliesenboden sitzende Mann ist Jesus! Er trägt eine Dornenkrone. Er hat lange dunkle Haare, sogar einen Bart. Seine Füße und Hände sind mit Verbänden umwickelt. Um die Hüfte trägt er ein Lendentuch. Selbst das Seitenwundmal ist, ja, mit zwei Pflastern verbunden! Ich stutze, schaue noch einmal hin! Da stimmt doch etwas nicht!

In der rechten Hand trägt dieser Jesus einen Joint! Auf seiner rechten Schulter entdecke ich ein Tattoo. Der stark behaarte Körper macht einen wohlgenährten Eindruck, nicht aufgezehrt und gemartert, sondern auffällig entspannt, fast lässig. Jesus sitzt einfach da, spielt Jojo. Eine kleine menschliche Figur hängt an einem dünnen Faden über dem braunen Abgrund.
Dieses Jesusbild – eine Karikatur? Zynisch? Oder doch der aufatmende, ja wohltuende Versuch, klischeeverhaftete Jesusbilder mit sich selbst zu konfrontieren?

Welches Bild von Jesus ist das richtige?

Neben Jesus steht rechts ein Wachsoldat mit einer Kalaschnikow unter dem Arm, eine typische Haltung, die ich von alten Fotografien kenne.
Jetzt schaut er misstrauisch zu Jesus. Oder ist er doch nur noch ein Schatten seiner selbst? Ähnelt sein Gesicht nicht mehr einem Totenkopf als einem strengen NVA-Grenzbewacher? Er scheint sich bereits aufzulösen.
Bernd Steinkamp erzählt von einem Besucher, der über das Modell des Maschinengewehrs seinen Zugang zum Gesamtbild gefunden hat.2
Die schwarz-weiß gefleckte Dogge auf der linken Seite – das kompositorische Gegenüber zum Wachsoldaten – wirkt überraschend neugierig und zahm. Die Dogge macht nicht den Eindruck eines bedrohlichen Wachhundes, sondern eher den eines vertrauten Spielgefährten.

In welcher Beziehung stehen hier Raum, Farbe, Form und Figuren zueinander? Auf mich wirkt der Raum eng und kalt. Er erinnert mich an ein Gefängnis oder eine Station in der Psychiatrie. Eine Besucherin meint, es könnte doch auch der Himmel sein!

Ist Blau nicht immer himmlisch?

Der kleine dünne Faden, den Jesus in der Hand hält, den Kopf dabei leicht zur Seite geneigt, den Blick nach unten, lässt auch meinen Blick in den unteren Teil des Bildes hinabgleiten. Wie über einem braunen Abgrund oder vor einer großen bergigen Felswand hängt dort eine menschliche Figur. Sie hält sich mit aller Kraft am herabhängenden Seil fest. Es fallen noch andere Menschenfiguren auf, kletternd, laufend, fallend. Erst bei näherer Betrachtung entdecke ich, dass eine von ihnen durch die Kopfbedeckung als katholischer Geistlicher zu identifizieren ist – die Figur, die Jesus an seinem Faden in der Hand hat! Was als vermeintlich spielerische Karikatur begonnen hat, zeigt über diesem Abgrund plötzlich eine eigentümliche Schärfe. Existentielle Ängste, Religionskritik sowie die Suche nach Sinn und Halt im Leben reichen sich die Hand.

Was ist der Mensch? Braucht der Mensch Religion?

Aus der Tiefe des Abgrundes klettere ich mit hinauf in die obere Region. Hier scheint es unbeschwerter zuzugehen. Wie auf einem Podest haben sich die Bremer Stadtmusikanten auf der rechten Seite aufgestellt. Wie kommt es, dass fast jedem Betrachter diese Assoziation in den Sinn kommt? Dabei sind sie es doch gar nicht! Oder sind sie es doch – Giraffe, Schimpanse, Tiger und exotischer Vogel? Sehgewohnheiten werden stärker durch die Form bestimmt, als wir meinen. Die vertraute, vermeintlich äußere Form lässt uns etwas erkennen, was wir noch gar nicht „gesehen“ haben. So beginnt zwischen Bild und Betrachter ein Wechselspiel von Bekanntem und Unbekanntem, Altem und Neuem, sicherem Terrain und offenem Abenteuer. Weil etwas anders ist, fange ich an zu denken.

Der große Sumo-Ringer auf der linken Bildseite zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, doch zuvor entdecke ich – ein alter Bremer – doch noch die altvertrauten Stadtmusikanten, den Hahn – fast die Mitte des ganzen Bildes – die Katze, natürlich den Hund und den Esel, klein und versteckt hinter den Beinen des stämmigen Sumo-Kämpfers. Ich freue mich.

Wann ist mir etwas vertraut?

Der Sumo-Ringer ist mir fremd, auch wenn der kleine Papagei auf der linken Schulter Sympathie weckt. Ich weiß wenig über die alte Kampfsportart und ihre kulturellen Wurzeln. Vielleicht kann Wissen Fremdheit überwinden. Als mein Blick zurück in die Mitte des Bildes wandern will, entdecke ich einen zweiten Sumo-Ringer, eine Seitenansicht als helle Umrisszeichnung. Handelt es sich um eine Kopie, ein Doppel, eine Spiegelung des ersten Kämpfers? Wieder scheint etwas in mir durch Vergleich und Assoziation in Bewegung zu kommen.


III.

Ich trete einen Schritt vom Bild zurück. Die Vielzahl der Details, die ich bei meinem „Rundgang“ durch das Bild wahrgenommen habe, zwingen zum Abstand.

Gefragt nach seinen Bildern hat Bernd Steinkamp einmal geantwortet: „Ich meine erst mal nichts.3 Der unvoreingenommenen Wahrnehmung des Betrachters soll eine möglicherweise beabsichtigte Intention des Malers nicht im Wege stehen. Doch in dieser Äußerung verbirgt sich selbst ein Hinweis auf einen gewinnbringenden Umgang mit seinen Bildern. Formgestaltung und Themen schaffen ein offenes, keineswegs jedoch willkürliches Assoziationsfeld, in dem scheinbar unverbundene Einzelelemente in immer wieder neue Beziehungen in- und miteinander verwoben werden können. Oberflächennetze können ausgeworfen und Tiefenbohrungen anberaumt werden. Was zum Vorschein kommen wird, verdankt sich dem „handwerklichen Geschick“ oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen, der Spielleidenschaft, mit der der immer wieder musikalisch klingenden Bildkomposition begegnet wird.

Bernd Steinkamp, selbst passionierter Musiker, weiß um diesen nicht zuletzt durch Popmusik und Jazz in den letzten Jahrzehnten stark ins Bewusstsein getretenen Zusammenhang von Bild und Musik (Diedrichsen 2014). So wie nur durch einen aktiven Rezipienten Musik an ihr Ziel kommt bzw. erst vollständig4 wird, so gilt dies auch für den Umgang mit dem Bild. Das Bild „Bremer Stadtmusikanten“ wie auch andere Bilder von Bernd Steinkamp machen dies hervorragend deutlich.


IV.

An vielen Stellen des Bildes habe ich Lust zu forschen. Natürlich lässt mich der entspannt kiffende Jesus nicht los. Die Ikonographie dieser Figur öffnet viele Türen. Mir fallen die Hippie-Bewegung und die 1968er Jahre ein. Religion als Opium für das Volk. Der Karikaturenstreit der vergangenen Jahre. Jesuskarikaturen hat es immer gegeben. Meistens wird jedoch nicht Jesus selbst angegriffen, sondern es werden diejenigen angegriffen, die seine Person und Botschaft zu eigenen Machtinteressen instrumentalisieren. Heinrich Kley, Anreger für Bernd Steinkamp, zählt zu den Künstlern, die dies mit spitzer Feder schon vor über hundert Jahren getan haben, vielleicht dürfen auch Wilhelm Busch und später natürlich A. Paul Weber genannt werden. Auch in ihren Bildern und Grafiken übernehmen, ganz den alten Fabel- und Märchentraditionen verbunden, Tiere menschliche Eigenschaften und Charaktere.

Die dunklen Menschenfiguren auf der rechten Seite (Abb. 4) verkörpern Grunderfahrungen des Scheiterns und der Anstrengung. Ob Sisyphos oder Kierkegaard Pate gestanden haben? Das Beziehungsspiel von Jesus und geistlichem Würdenträger wirkt witzig und bedrückend zugleich. In welche Abgründe können Kirche, Religion und Glaube führen? Verführen?
Zum Reformationsgedenken 2017 sollte eine Auseinandersetzung mit der Religionskritik gehören.

Die Bremer Stadtmusikanten (Abb. 5) – eine kollektive Erinnerung wird abgerufen! Sie hat dazu geführt, dass das Bild diesen Namen trägt. Endlich können unsere Gedanken leichter werden. Giraffen sind schöne Tiere!6 Auch Schimpansen, Tiger und exotische Vögel finden unsere Sympathie! Doch das Märchen der Gebrüder Grimm, das am Ende freilich gut ausgeht – es ist ja ein Märchen –, erzählt von ernsten Dingen. Die Tiere müssen aufgrund ihres Alters und ihrer Gebrechlichkeit fliehen. Der Satz „Etwas Besseres als Tod findest du überall“ verkörpert eine traurig-trotzige Reaktion. Auch wenn sich am Ende Willensanstrengung, Mut und Zusammenhalt für die Tiere auszahlen, bleibt das Märchen eine Flüchtlings- und Ausgrenzungsgeschichte mit bitterernstem Hintergrund. Indem das Märchen im Bild zitiert und gleichzeitig verfremdet wird, gewinnt es eine überraschende Aktualität.Flüchtlinge aus fernsten Ländern suchen in Europa Schutz und eine Bleibe. Grenz- und Wachposten, die eben noch verblassten, werden wieder gebraucht.7

Das bekannte Bild der Stadtmusikanten kann wie eine Zirkusnummer aussehen, doch ist es auch der angespannte Moment vor dem Kampf und dem Erschrecken, mit dem die Räuber verjagt werden.8

Ein Kampf von japanischen Sumo-Ringern dauert oft nur wenige Sekunden.9 Ob der lustig bemalte Sumo-Ringer heute noch kämpfen will?
Drei schematisch gemalte Stiere unten links in der Ecke – fast hätte ich sie vergessen! Mehr wohl eine Unterschrift des Künstlers als ein gesondertes Bildelement. Gern fährt Bernd Steinkamp nach Frankreich und Spanien.10 Die Faszination für Picasso tut das ihrige. Der Mythos des Stierkampfes, der Pablo Picasso immer wieder künstlerisch gefesselt und aufgeladen hat, kann als zentrales Symbol des Lebenskampfes und der Wahrheitssuche begriffen werden (vgl. Spies 2002; Goeppert/Goeppert-Frank 1993).

Andere Künstler sind als Inspirationsquelle wichtig, für Bernd Steinkamp allen voran Pablo Picasso und René Magritte. Zu nennen bleiben aber auch Robert Rauschenberg, Neo Rauch, Jonas Burgert oder Walton Ford und neben dem bereits erwähnten Heinrich Frey darf der Comic-Künstler Will Eisner nicht vergessen werden. Bernd Steinkamp hat sein Bild übrigens in üblicher Form auf der rechten Seite signiert.

Geschichten sind es, zu denen Bernd Steinkamp mit seiner Malerei anregt (Abb. 6). Was Acrylfarben, Zeitungspapier, Fotos und Strukturpasten auf der Leinwand aufscheinen lassen, eröffnet narrative Spielräume, die sich nicht vorherbestimmen lassen. Die einzelnen konkreten Bildelemente und -sequenzen lassen ähnlich wie bei Jonas Burgert keinen eindeutigen, übergeordneten Sinnzusammenhang herstellen (vgl. Görner / Dietz 2013). Es geht nicht darum, Geschichten zu erkennen und wiederzugeben, wie sie z. B. auf traditionellen Tafelbildern oder in bekannten Wimmelbilderbüchern zu finden sind. Vielmehr schaffen Komposition, Farbe und Symbole kreative, oft irritierende Bildräume, deren emotionale Atmosphäre der Narration Bedeutung verleiht. Wenn beispielsweise gesellschaftskritische Interpretationen aktueller Konflikte nicht intendiert, aber auch nicht unerwünscht seien, wie Bernd Steinkamp einmal über seine Bilder sagte, so reflektiert genau dies das offene Wechselspiel von Bildraum, Ich und Geschichte.


V.

Was machen wir nun mit dem Bild im Religionsunterricht? Vielleicht nichts! Oder ein Projekt während eines ganzen Schulhalbjahres! Oder etwas dazwischen! Was will ich eigentlich in meinem Religionsunterricht erreichen? „Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein“ (Theodor Adorno).11

Wer sich mit seinen Schülerinnen und Schülern in einer solchen Freiheit im Religionsunterricht auf das Bild von Bernd Steinkamp einlassen kann, macht vermutlich spannende Entdeckungen. Das Bild ist ein Anfang, mehr nicht, ein Aufschlag! Es erzählt keine Geschichte, die wir einfach entschlüsseln könnten. Da ist manches ein wenig verrückt, erscheint doppelt, verschwommen, weniger eindeutig als gedacht. Statt all dies – nach unserer Vorstellung – gleich wieder zu ordnen und zurechtzurücken, lernen wir zuerst genau hinzusehen! Da ist etwas noch nicht ausgemacht!

Wer sich auf dieses Bild einlassen kann, um sich mit ihm vertieft auseinanderzusetzen, wird entdecken, dass das Bild uns viel Raum gibt. Diesen Raum dürfen wir mit unseren Geschichten, Bildern und Phantasien füllen. Wir müssen mit dem Erzählen selbst beginnen, Vertrautes mit Neuem verbinden. Hinschauen. Lachen. Assoziatives Denken wecken, um eigene Spuren zu entdecken – oder auch zu hinterlassen.

Kleine und große Bildräume zum Übermalen, Überschreiben, Hineinschreiben, Beschichten, Bekleben gibt es in Bernd Steinkamps Bild genug. Nur wenn Schülerinnen und Schüler das Bild „ergänzen“, gelangt das Bild an sein geheimes Ziel.

Für welches Alter ein Bild geeignet ist, wissen Unterrichtende in der Regel gut selbst zu entscheiden. Sie kennen sich und ihre Schülerinnen und Schüler am besten. Auch gibt es zahlreiche Methoden der Bilderschließung. Sie sind in vielen Publikationen nachzulesen.12

Wichtiger als Altersangaben und ein Methodenpool ist die Frage: Wie und wo präsentiere ich das Bild? Wie kann ich meine Lerngruppe für das Bild begeistern oder neugierig machen? Schaffe ich es, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln die „emotionale Atmosphäre“ (Jonas Burgert; vgl. Görner / Dietz 2013, S. 23-26) des Bildes erfahrbar zu machen? In welchen thematischen Zusammenhang oder äußeren Rahmen bringe ich das Bild? Oder bringt das Bild mich in neue Zusammenhänge? Ob man den Künstler einmal einladen kann? Wie genau muss man die Details erkennen?13 Ist das alte Soldatenbild in der Mitte (Abb. 7) wichtig?

Vielleicht schauen wir uns noch einen Giraffenfilm an!14 Wir tragen Verantwortung für unser Leben und das Leben unseres Nächsten! Was Glaube und Hoffnung tragen können, muss sich noch zeigen.15

„Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiel’s aber so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten. Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.16

 

Anmerkungen

  1. Zum Begriff des „Klassischen“ siehe die anregenden Gedanken Salvatore Settis: Die Zukunft des „Klassischen“, Berlin 2004.
  2. Siehe http://www.galerie-letsah.de .
  3. http://www.pressekatalog.de/inhalt/Evangelische_Zeitung_f% FCr_die_Landeskirchen_Hannovers-00004_2014_910323635.pdf.
  4. Vgl. Diedrichsen 2014, 66: „Pop-Musik muss sich auf […] ergänzende und vervollständigende Zusammenhänge in der Welt verlassen.“
  5. Siehe z. B. Kley 1912; Kunkel 2010, besonders S. 106f.
  6. Siehe hierzu auch den wunderschönen computergenerierten Animationsfilm „5,80 Meter“ von Nicolas Deveaux (Frankreich 2012) unter http://www.dailymotion.com/video/xxyuig_5m80_shortfilms
  7. Gänzlich anders spielt Peter Gaymann mit dem Symbol der Bremer Stadtmusikanten, wenn er auf einem Poster eine „B-Mannschaft“ aus Schwein, Huhn, Fisch und Schmetterling kreiert: http://www.gaymann-shop.de/Gaymann-Poster-gross/Peter-Gaymann-Poster-50x70cm-B-Mannschaft.html
  8. Auch in Carl Zuckmayers Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ (1931) wird der Satz „Etwas Besseres als Tod findest du überall“ zitiert. Schuster Voigt, der sich vergeblich um Pass, Arbeit und Aufenthaltsgenehmigung bemüht, liest in Szene 12 das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten einem schwerkranken Mädchen vor. Als sie unterbrochen werden und Voigt seine Ausweisung durch einen Boten zugestellt wird, ist er beim Vorlesen genau an besagter Textstelle. Als vom Hahn und nicht – wie meist üblich – vom Esel ausgesprochene Worte werden diese am Ende des Stückes noch einmal pointiert zitiert. Zuckmayer bemerkte zu seinem Stück: „Es ist ja auch nichts Neues, was es [das Stück] erzählt, sondern es ist ein deutsches Märchen, längst vorbei – vielleicht überhaupt nicht wahr? – und nur ein Gleichnis für das, was nicht vorbei ist!“ (zitiert nach Kindlers Neues Literaturlexikon, Bd. 17, 1107, München 1996. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Bremer_Stadtmusikanten und http://www.oeaw.ac.at/shared/news/1998/welzig1098_d.html
  9. http://de.wikipedia.org/wiki/Sumo; http://www.youtube.com/watch?v=lRuQBiwU--A
  10. Siehe http://www.berndsteinkamp.de/1.editorial.html
  11. Zitiert aus einer Ausstellungsrede des Schriftstellers Alfred Cordes: http://www.berndsteinkamp.de/1.editorial.html
  12. Z. B. Marklein, Steffen (Hg.): Starke Bilder, Rehburg-Loccum 2012, 35-44.
  13. Das Bild ist neben der hochwertigen Digitalauflösung im Internet (www.rpi-loccum.de) auch als Handbild (DIN-A-3) beim Künstler erhältlich.
  14. Z. B. Hecquet, Pascale: Eine Giraffe im Regen, Animationsfilm 12 Min. Belgien/Frankreich 2007 [http://www.gep.de/ezef/ka talog/detail.php3?start=0&film_id=523].
  15. Siehe auch „Ohne Risiko kein Glaube. Glaube ist gerade der Widerspruch zwischen der unendlichen Leidenschaft der Innerlichkeit und der objektiven Ungewissheit. Kann ich Gott objektiv ergreifen, dann glaube ich nicht, aber gerade weil ich es nicht kann, deshalb muss ich glauben; und will ich mich im Glauben bewahren, muss ich beständig darauf achten, dass ich in der objektiven Ungewissheit ‚auf den siebzigtausend Faden Wasser’ bin, und doch glaube.“ Sören Kierkegaard: Unwissenschaftliche Nachschrift, Kopenhagen 1846 (Deutsch von B. u. S. Diderichsen, hg. von Hermann Diem und Walter Rest, München 1976, S. 345f).
  16. Schluss des Märchens „Die Bremer Stadtmusikanten“ gesammelt durch die Brüder Grimm.

 

Literatur

  • Burrichter, Rita / Gärtner, Claudia: Mit Bildern lernen. Eine Bilddidaktik für den Religionsunterricht, München 2014
  • Diedrichsen, Diedrich: Über Pop-Musik, Köln 2014
  • Görner, Veit / Dietz, Heinrich (Hg.): Jonas Burgert, Schutt und Futter. Ausstellungskatalog, Köln 2013
  • Kley, Heinrich: Leut’ und Viecher. Album, München 1912
  • Kunkel, Alexander: Heinrich Kley. Leben und Werk, Weimar 2010
  • Lethen, Helmut: Der Schatten des Fotografen, Berlin 2014
  • Spies, Werner: Picasso beim Stierkampf, Köln 2002
  • Goeppert, Sebastian / Goeppert-Frank, Herma: Pablo Picasso. Minotauromachie, Frankfurt am Main 1993
  • Kierkegaard, Sören: Unwissenschaftliche Nachschrift, Kopenhagen 1846 . Deutsch von B. u. S. Diderichsen, hg. von Hermann Diem und Walter Rest, München 1976
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Abb. 1: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, 2011, 100 x 120 cm, Papier, Strukturpaste, Instant Rust und Acryl auf Leinwand. Foto: Steffen Marklein
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Abb. 2: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Jesus
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Abb. 3: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Sumo-Ringer
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Abb. 4: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Menschenfigur
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Abb. 5: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Stadtmusikanten
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Abb. 6: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Hahn
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Abb. 7: Bernd Steinkamp, Bremer Stadtmusikanten, Ausschnitt Soldat