Als Literat unter den Liedermachern der frühen  Neuzeit   hat Paul Gerhardt in vielen seiner Texte alltägliche Beobachtungen so    kunstvoll in Worte gefasst, dass sich für den Leser Alltägliches zu   Besonderem  wandeln konnte. Dabei erweist sich Paul Gerhardt als Meister   der Sprache. Seine  Gedichte sind zugleich literarisch anspruchsvoll   und volkstümlich einfach. Das  Geheimnis seiner Poesie liegt wohl darin,   Dogmen in Bilder zu verwandeln,  Glaubenswahrheiten in muntere Sprüche   und Bekenntnis in Erfahrung. So mit dem  Alltag verbunden, wird   Kirchenlehre zu Lebenserfahrung und verstehbar für alle. 
 
 Eigentlich hatte Paul Gerhardt seine  Lieder für den Hausgebrauch   geschrieben, nämlich für die seinerzeit üblichen  Hausgottesdienste.   Entsprechend der Entwicklung im 17. Jahrhundert gaben seine  Lieder und   Texte einem individuell geprägten Glaubensleben Raum, wie es sich im    Kontrast zur gemäßigten Orthodoxie des Luthertums auszubreiten begann.   Hierin  liegt dann auch die Hauptkritik an Paul Gerhardt verborgen. Als   „fromme Poesie“  mit zu viel an subjektiver Empfindung ordnete z.B.   Dietrich Bonhoeffer die  Lieder Gerhards zunächst ein, konnte ihnen aber   später in Gefängniszeiten nicht  zuletzt durch ihre eingängige Sprache   eine rebellische Energie abgewinnen: „Hab  ich das Haupt zum Freunde  und  bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde  und Widersacher   Rott?“
Der Wolken Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, 
 der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.
 (aus EG 361,1)
Aller Kritik an Gerhards Liedern als    protestantisch-pietistischem Kitsch zum Trotz werden sie bis heute   weltweit  gesungen und sogar in der Popularmusik wieder neu entdeckt.   Ihre alte Sprache rührt  an und ist dadurch noch heute aktuell. Man   spürt ihnen ab, dass sie schwere  Schicksalsschläge verarbeiten und auf   unnachahmliche Weise Trauer, Trost und  Ermutigung in solche Worte   fassen, die zeitlos sind. Paul Gerhards Lieder  verbreiten Lebensmut.   Und sie verbreiten Lebenstrotz, der fähig ist, sich über  kränkende   autoritäre Strukturen zu erheben.
 
 
 
 Eine Liedstrophe für Kindergarten und Grundschule  (erste Klasse)
 
 In der Beobachtung des Alltäglichen das Besondere  entdecken und   schätzen lernen zum Einen, und zum Anderen Texte zu haben, die  das   Grundvertrauen ins Leben stärken, sind die beiden Eckpunkte in denen   sich  die Arbeit mit einem Paul-Gerhardt-Lied mit den Kleinsten bewegt.   Wenn die  Lieder, wie einmal gesagt wurde, der Tiefe und Weisheit der   Psalmen nicht  nachstehen, dann lässt sich auch ähnlich wie mit Psalmen   damit arbeiten. Und ähnlich  wie die Psalmen können  Paul-Gerhardt-Lieder  nicht nur über den Jahreskreis  hinweg, sondern  ein Leben lang  Begleiter sein. Mit ihren Bildern kann man den  Kindern  philologisch und  theologisch Schätze anbieten, die im Laufe ihres  Lebens  wachsen und  reifen. Das muss natürlich klein beginnen.
Du zählst, wie oft ein Christe wein’ und was
 sein Kummer sei; kein Zähr- und Tränlein ist so klein,
 du hebst und legst es bei.
 (EG 324,11)
Das Lied Geh aus mein Herz … bietet  sich an, weil in   ihm Bilder verarbeitet sind, die den Kindern entweder aus der    natürlichen Umgebung (z.B. auf dem Lande) oder aus Bilderbüchern bekannt   sein müssten.  Es geht in dem Lied um eine tief empfundene Freude, die   verursacht wird durch  die Betrachtung der Schöpfung und das darin   erkannte gute Tun Gottes. Herz  meint hier das Innerste, den Kernpunkt   des Wesens betreffend, den Sitz der Gefühle.  Wenn wir das Herz „gehen“   lassen, dahin, wo es bekommt, was es erfreut und  stark macht, kann das   uns zur Kraftquelle werden. Für Paul Gerhardt ist dieser  Ort die  Natur,  die Gott selbst repräsentiert. Dennoch ist die poetische    Ausdrucksweise des Liedes (z.B. das Herz geht aus) Kindern nicht einfach   zugänglich.  Das Verständnis dieser Zeilen muss angebahnt werden. 
 
 Etwa  so:
 Sucht mal mit eurer Hand euer Herz. Könnt ihr spüren,  wie es  klopft?  Das Herz sitzt in unserem Körper, aber wir können es außen  spüren.   Wenn es klopft. Wenn es sich freut. Wenn es traurig ist spüren  wir  unser Herz  auch außen.
 
 Heute werden wir unser Herz einmal auf die Reise  schicken und es   bitten uns etwas Schönes mitzubringen. Wie das geht, zeige ich  euch.   Ein berühmter Liederdichter hat das vorgemacht. Er hat ein Lied gemacht,    das geht so:
Geh aus mein Herz und suche Freud …
 die rechte Hand weist vom Herzen  ausgehend nach vorn
 In dieser lieben Sommerzeit …
 beide Hände weisen in die Umgebung
 An deines Gottes …
 rechter Zeigefinger zeigt nach oben
 Gaben …
 beide Hände empfangend vor den Körper  halten
 Schau an der schönen Gärten Zier …
 rechter Zeigefinger weist vom Auge in  die Umgebung
 Und siehe, wie sie mir und dir …
 rechter Zeigefinger weist auf das  Auge, dann auf sich 
 selbst, dann auf einen anderen
 sich ausgeschmücket haben …
 beide Unterarme werden wie Blumenstängel  nach oben angewinkelt und  die  Hände wie Blütenkelche nach oben geöffnet;  leichte Bewegung deutet   wehen im Wind an.
 
 Beim Vortragen – gesungen oder gesprochen – werden  einzelnen Passagen mit Gesten unterstützt.
 Dem ersten Vortragen der Strophe kann  ein zweites folgen, wobei die   Kinder aufgefordert werden, die Bewegungen  mitzumachen. Erfahrungsgemäß   haben die Kinder Spaß daran, etwas mit Bewegungen  auszudrücken.  Solche  Fingerspiele unterstützen das Textverständnis und  erleichtern  es den  Kindern, sich zusammenhängende Texte zu merken.
Du meine Seele, singe, wohlauf
 und singe schön.
 (aus EG 302,1)
In einem weiteren Schritt sollten die  für Kinder   schwierigen Bedeutungen geklärt werden: z.B. das Wort Zier. Ggf.  kann   man zusammen mit den Kindern herausfinden, dass etwas, das verziert ist,    mit besonderem Aufwand schön gestaltet wurde: eine hübsche Frisur,  ein   besonders schön gemachtes Bild, ein liebevoll gedeckter Tisch. So  wie  wir  manchmal etwas verzieren, um anderen eine Freude zu machen, so  hat  Gott uns  eine Freude gemacht, indem er draußen den Garten, den  Wald,  das Feld schön  verzierte. Die Kinder sollten Gelegenheit haben,   aufzuzählen, was solche Zier  im Garten Gottes ist: Blumen, Bäume,   schöne Steine, eine Vogelfeder etc. Auf diese  Weise antizipieren sie   den später folgenden Spaziergang in dieser schönen Zier  und den   Auftrag, etwas mitzubringen, das das Herz erfreut. 
 
 Die Bedeutung der ersten Liedzeile Geh  aus mein Herz und suche  Freud,  die ja schon zu Beginn der Einheit angebahnt  wurde, soll in  einem  folgenden Teil mit der bekannten Geschichte von Frederick,  der  Maus  erschlossen werden (Leo Leonni, Frederick, München). Die Mäuse  sammeln   im Sommer Vorräte für den Winter. Nur Frederick scheint sich an  der  Arbeit  nicht zu beteiligen. Er sitzt scheinbar untätig da und   behauptet, er sammle  Sonnenstrahlen und Farben. Im Winter, als alle   Vorräte aufgebraucht sind,  erweist sich der Wert dessen, was Frederick   gesammelt hat: die Erinnerung an  die Farben des Sommers und an die   Sonnenstrahlen hilft den Mäusen über eine trübe  Zeit hinweg. In vielen   Gruppen wird die Geschichte bekannt sein. Aber gerade  der   Bekanntheitsgrad und die Erinnerung an den Verlauf der Geschichte   verhilft  den Kindern zu einem erfahrungsbezogenen Verständnis der   Tatsache: Wir leben  nicht vom Brot allein. Das wird deutlich an der   Geschichte und dem Lied Paul  Gerhards. Beides ermuntert uns, in den   vorfindlichen guten Gaben Gottes eine  Kraftquelle zu finden. Die   Kombination des Liedes mit der Mäusegeschichte von  Leonni kann genau   dies den Kindern nahe bringen, dass wir in Gott eine  Kraftquelle für   das Leben haben und dass dies kein abstrakt-theologischer  Grundsatz   ist, sondern sich um uns und in uns täglich erweist. Das soll den    Kindern Lebensmut spenden.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
 da hat dein Herze schon bedacht,
 wie du mein wollest werden.
 (aus EG 37,2)
Zuletzt sollen die Kinder tatsächlich  ihr Herz auf   die Reise schicken. Dazu fertigen sie nach der Vorlage unter M 1    Herztaschen an: zunächst werden die Herzen zweimal kopiert und   ausgeschnitten.  Mit einem Locher oder einer Lochzange werden an den   vorgezeichneten Stellen Löcher  eingearbeitet. Zwei Herzen werden   übereinander gelegt und nun mit einem  Wollfaden zusammengenäht. Der   Wollfaden muss so lang sein, dass sich die Tasche  um den Hals hängen   lässt. Größere Kinder können das selbständig, kleinen wird  man   behilflich sein müssen. Die Taschen können mit Namen versehen werden. Am    Ende hat jedes Kind eine eigene Herztasche. So ausgerüstet geht es  nun  nach  draußen und die Kinder werden aufgefordert, etwas Schönes in  ihre  Herzen zu  sammeln. Wenn alle wieder zusammenkommen, am nächsten  Tag  oder am Nachmittag,  werden die schönen gesammelten Dinge aus den   Herztaschen gezeigt. Dabei wird  immer wieder die Liedstrophe Geh aus   mein Herz und suche Freud mit den Gesten  gesungen – oder gesprochen.
 
 Damit sich die Liedstrophe einprägt,  sollte sie in Abständen   wiederholt werden. Wenn es den Kindern leicht fällt,  kann man sich auch   an weitere Strophen wagen (vgl. Evangelisches Gesangbuch  503). Für   Kinder bietet sich vor allem die vierte Strophe an, für die man    eventuell gemeinsam Gesten entwickeln kann. Wer mag, kann auch einige    biographische Angaben zu Paul Gerhardt einstreuen. Interessant wäre hier   die  Tatsache, dass Paul Gerhardt viele schwere Schicksalsschläge zu   verkraften  hatte und dennoch seinen Lebensmut und seine Lebensfreude   nicht verloren hat,  sondern immer wieder durch seinen Glauben an Gott   erneuert hat.
Ich lag in schweren Banden,
 du kommst und machst mich los.
 (aus EG 11,4) 
|               Einige Schlaglichter zu Paul Gerhardts Leben: –          Geboren    am 12.3.1607 in Gräfenhainichen nahe Wittenberg  |                            Und in diesem Leben: –          139    deutsche und 15 lateinische Lieder und Gedichte verfasst Quelle: www.wikipedia.de, Artikel „Paul Gerhardt“, eingesehen am 9. Juli 2007. (http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gerhardt)  |          
|               M 1 
 
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Literatur:
- Bunners, Christian: Paul Gerhardt. Weg, Werk, Wirkung, Göttingen, 3. Auflage 2007.
 
