Keine Angst, Mut machen! – Ein Grundschul-Gottesdienst zum Reformationstag

von Uta Nadira Giesel

 

Grundschulkinder gruseln sich gern. Eigentlich geht das sogar allen Menschen in gewissem Maße so. Im Gruseln fühlt man dem Ungreifbaren, dem immer noch Unerklärlichem im Leben nach. Indem man sich ihm stellt, arbeitet man seine Angst ab.

Kinder wollen groß werden und erfahren sich doch jeden Tag als schwächer und unwissender als die Erwachsenen. Schritte in die Welt der Großen zu gehen, ist für sie eine Herausforderung, der sie sich stellen wollen. So gehen sie gerne, behütet an der Hand einer vertrauten erwachsenen Person, Laterne. So wagen sie irgendwann den ersten Gang in den dunklen Keller und überwinden so Stück für Stück eine nebulöse Angst.

Halloween spricht Kinder auf dieser Ebene an. Halloween kann auch gut vermarktet werden. Und so weiß mittlerweile jedes Kind, dass es einen Kürbis aushöhlen, eine Kerze reinstellen und dann spuken gehen kann. Kindergarten und Schule machen es vor. Wer sich traut, im Dunkeln beim Nachbarn zu klingeln, wird darüber hinaus mit Süßem belohnt. Also haben wir es hier mit einem richtig idealen Kinderfest zu tun.

Meine eigenen Kinder sind richtig gerne „Halloween gegangen“. Ich kann das gut verstehen. Ich möchte den Kindern den Spaß auch nicht verderben. Und so liegt mir an dem Schulgottesdienst zum Reformationstag daran, sie beim Gruseln zu packen, indem ich die spannende Geschichte von Jack erzähle, und gleichzeitig das Phänomen „Angst“ anspreche. Ich vermittele ihnen, dass Angst nicht unbändig ist. Sie ist eine Realität, bis zu einem gewissen Grad spannend, aber sie kann in ihre Schranken gewiesen werden.

Ich verkündige den Kindern den schützenden, begleitenden und liebenden Gott und erzähle von Martin Luther, der keine Angst davor hatte, diesen Gott wieder in Erinnerung zu rufen. So möchte ich Mut vermitteln, der sich in der Angst noch von Gott geborgen weiß. Ich gebe ihnen ein Mutmachlied mit auf den Weg und wünsche ihnen damit einen fröhlich-gruseligen Halloween-Abend. Ich mache ihnen Mut, „modern“ zu sein und die alte Angst zu verlachen: Als ob die mir mit meinem starken Gott im Rücken noch was anhaben könnte!

 

Der Gottesdienstablauf:

Orgelvorspiel

Begrüßung:
Heute ist ein besonderer Tag. Schulfrei. Warum, das möchte ich euch erzählen. Ein bisschen gruselig, aber vor allem sehr ermutigend … Im Namen Gottes, der uns wie eine Mutter beschützt und wie ein Vater begleitet, der in Jesus Christus unser Bruder wurde, und der im Heiligen Geist jetzt mitten unter uns ist.

Lied zur Gitarre:
Die Kerze brennt (Liederbuch „amen“)2

 

Geschichte von Jack aus der Zeit, wo man an Geister glaubte:
Heute vor über 2500 Jahren, also lange, bevor es Christen gab, glaubte man hierzulande an Geister. In Irland hatte man vor allem am Tag vor dem ersten November große Angst. Also heute. Denn man glaubte, dass heute die Geister von den Toten, die als Menschen böse gewesen waren, auf die Erde kommen und sich Menschen fangen, damit sie in deren Körper wohnen können.

So erzählte man sich von Jack, einem Jungen in eurem Alter. Der war oft unartig und böse gewesen. Dann bekam er eine schlimme Krankheit und starb. Zur Strafe, dachte man. Und zur Strafe durfte Jacks Seele nun auch nicht in Frieden ruhen, sondern Jack musste als Geist mit einer Kürbislampe in der Hand durch die Welt ziehen. Und wehe, man begegnete ihm!

Das ist eine uralte Sage. Aber die Kinder in Irland haben sie seit jeher gern gehört, und viel später dann haben sie sich einen Gruselspaß daraus gemacht, indem sie solche Kürbislampen bastelten und spukend durchs Dorf liefen, um die Leute zu erschrecken. Mit diesem Spaß haben sie ihre eigene Angst versteckt, denn eigentlich hatte jedes Kind immer noch ein bisschen Angst im Dunkeln …


Lied Evangelisches Gesangbuch 209, 1+2 zur Orgel:

„Ich möcht’, dass einer mit mir geht…“


Geschichte von Luther, der gegen Angstmache war
An diesem Tag, dem 31. Oktober 1517, also vor fast 500 Jahren, trat in Deutschland ein sehr mutiger Mann auf: Martin Luther. Der wusste nichts von Halloween, aber er wusste, dass die Menschen genauso viel Angst hatten, und nicht nur am 31. Oktober.

In dieser Zeit hatten die Menschen Angst vor Gott, vor unserem christlichen Gott. Denn die Päpste und Priester erzählten ihnen, dass Gott sie wegen ihrer Sünden bestrafen werde, dass sie in die Hölle kommen, wenn sie nicht gut waren im Leben. Alle hatten Angst zu sterben, Angst vor Gott.

Und da gab es einen raffinierten Kirchenmann, der ließ sich ein Geschäft mit der Angst einfallen: „Ablass“ – wer der Kirche Geld gibt, zahlt seine Strafe ab, dem tut Gott nichts mehr. Ihr könnt euch vorstellen, dass die armen Leute zitternd zahlten und lieber hungerten, als Angst haben zu müssen.

Luther war empört. Und er war der erste, der mutig war, das laut zu sagen. An seine Kirchentür heftete er heute vor 490 Jahren 95 Thesen, Sätze, die allen bekanntmachen, dass das mit der Angst nicht stimmt. Denn in der Bibel steht es anders. In der Bibel steht, dass Gott die Schuld vergibt. Wer an Jesus glaubt, braucht keine Angst zu haben. Keine Angst vor den Strafen Gottes, oder vor Geistern wie Jack. Die Geister, an die man im Mittelalter geglaubt hat, gibt es gar nicht.
 

Lied EG 209, 3+4 zur Orgel:
„Ich möcht’ das einer mit mir geht…“
 

Zusammenfassung: Halloween ist altmodisch – mit Luther denken ist modern
Was ist der Unterschied zwischen Halloween und Reformationstag? Halloween ist ein Spaß, der die Angst versteckt. Reformationstag ist ein Fest, das die Angst verjagt.

„Trick or treat“, „Süßes oder Saures“ macht im Grunde Angst. Man weiß ja auch nie, ob man nicht doch schlecht behandelt wird an einer Tür, oder ob da im Dunkeln nicht doch jemand auf mich lauert und mich erschrecken will.

Halloween ist deshalb sehr mittelalterlich und altmodisch.

Ich mache euch einen Vorschlag: Ihr könnt mit Luther aus diesem Gruselspaß einen Mutmachspaß machen. Und das ist viel moderner: Fürchte dich nicht! Sagten die Engel, sagte Jesus und sagte Luther. Und ihr könnt das singen heute abend: …
 

Kanon EG 608
(Regionalteil Niedersachsen und Bremen) zur Gitarre:
„Das wünsch ich sehr“
 

Aktion
Aufschreiben, was mir Angst macht, und vor Gott bringen (dabei spielt die Orgel)
 

Psalm 27

Gebet, Vaterunser

Lied EG 585
(Regionalteil Niedersachsen und Bremen) zur Gitarre:
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe...
 

Segen

Orgelnachspiel

 

Anmerkungen

  1. Dem Gottesdienstablauf liegt ein Gottesdienst vom 31.10.2003 zugrunde.
  2. Aus: amen: Lieder für Kinder und Jugendliche, hg. vom Niedersächsischen Kirchenchorverband in Zusammenarbeit mit den Arbeitsstellen Kindergottesdienst der Landeskirchen Braunschweig und Hannover et al., Strube Verlag, München / Berlin 2000.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2007

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