"Das Himmelreich gleicht einem Schatz ..." - Das Gleichnis vom Schatz im Acker (Mt 13,44) in der Stille erschließen

von Bianca Reinholz

 

Jesus hat Gleichnisse erzählt, "um menschlichem Handeln eine Richtung zu geben und um Hoffnung zu begründen". Das Gleichnis vom Schatz im Acker beinhaltet m.E. besonders für Kinder eindrucksvolle und ‚einleuchtende‘ Bilder der Hoffnung. Das Symbol ‚Schatz‘ weckt die Assoziation von etwas Verborgenem, Geheimnisvollen. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, einen Schatz zu finden, zu unerwartetem, großem Reichtum zu gelangen? Der Fund eines Schatzes könnte alles verändern, die eigene Lebensweise, aber auch die gesamte Einstellung zum Leben. Schätze regen die Phantasie an. Sie symbolisieren das Wertvolle, Kostbare. In der Bergpredigt (Mt 6,21) heißt es: "Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein." Hier wird noch einmal die symbolische Bedeutung des ‚Schatzes‘ deutlich. So kann beispielsweise auch ein Mensch für einen anderen ein ‚Schatz‘ sein, etwas ganz Besonderes.

Gerade für Kinder ist das Thema ‚Schatz‘ spannend und phantasieanregend. Märchen und Sagen sprechen oft von Schätzen, von unermesslichem Reichtum, der einem Helden zufällt. In der gängigen Kinderliteratur und auch in vielen Computerspielen spielen ‚Schätze‘ immer wieder eine Rolle. Das Symbol ist Kindern in gewisser Weise nah und spricht sie in ihrer Phantasie an. Das Gleichnis vom Schatz im Acker ist eine Metapher, die trotz ihrer Kürze sofort anspricht und die Reich-Gottes-Thematik mit Hilfe des Bildes vom vergrabenen Schatz anschaulich macht. Ein weiterer Grund, der für mich entscheidend für die Auswahl des Gleichnisses war, liegt in der Sensibilisierung für eigene Wünsche und Bedürfnisse. Was vermuten die Kinder in dem Schatzkästchen, das ich ihnen mitgebracht habe? Was wäre für sie der größte Schatz, den sie finden könnten? Digimon-Sticker, ein Gameboy-Spiel oder vielleicht neue Freunde? Was ist den Kindern wichtig im Leben?

Bei dem Gleichnis vom Schatz im Acker handelt es sich um eine einfache, kurze Erzählung mit hohem metaphorischem Gehalt. Sigrid Berg betont die Bedeutsamkeit von Bildern und Symbolen für unser ganzes Leben. Überall werden wir mit Bildern und Metaphern konfrontiert. Sie geht davon aus, dass ‚Symbolsinn‘ und ‚Symbolverstehen‘ wichtige Teile unseres Lebens und Reifens sind. "Was Symbole sagen, lässt sich weder empirisch erreichen und analysieren noch auf irgendeinem anderen Erkenntnisweg als dem symbolischen finden. Darum sind Symbole die einzige Sprache, in der sich religiöse Wirklichkeit unmittelbar ausdrücken kann. Sie sind die authentische Sprache der Religionen selbst." Aus diesen Gründen ist es von großer Bedeutsamkeit, dass die Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht mit Symbolen und symbolhafter, metaphorischer Sprache vertraut werden. In Bezug auf die Gleichnisbehandlung im Unterricht bedeutet das, im Bild des Gleichnisses zu verweilen und keine abstrakten Interpretationen und Erklärungen vorzunehmen. "Es ist selten, dass Jesus ein Gleichnis überträgt: Das bedeutet dies und damit meine ich jenes. Er lässt uns vielmehr im Gleichnis allein, lässt uns darin sein, um unseren Ort zu finden. Die innere Dynamik des Gleichnisses selbst wird uns die Wahrheit erschließen." Ein ganzheitlicher, individueller und erfahrungsbezogener Zugang zu den Gleichnissen ist gefordert. Methodische Wege müssen gefunden werden, die den Kindern die Möglichkeit geben, die Erzählungen mit Leben und eigener Erfahrung zu füllen.

Im Folgenden möchte ich einen unterrichtspraktischen Vorschlag zum Einsatz unterschiedlicher Stilleübungen für die Auseinandersetzung mit dem Gleichnis vom Schatz im Acker (Mt 13, 44) vorstellen. Innerhalb der Unterrichtseinheit "Gleichnisse – Bilder vom Reich Gottes" (durchgeführt in einer dritten Grundschulklasse) haben wir uns in zwei Unterrichtsstunden mit diesem Gleichnis beschäftigt. Neben der Auseinandersetzung mit eigenen Wünschen und Hoffnungen liegt ein weiterer Schwerpunkt des Unterrichts auf der Entwicklung eigener Bilder und Metaphern für das Reich Gottes.

 

Intention

Die Schülerinnen und Schüler sollen eigene innere Bilder und Vorstellungen zum Thema ‚Schatz‘ entwickeln und mit Legematerial kreativ umsetzen, um so einen persönlichen Zugang zum Gleichnis vom Schatz im Acker (Mt 13,44) zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund hören sie die Gleichniserzählung.

 

Verlaufsplanung

1. Entwicklung innerer Bilder und Vorstellungen zum Thema ‚Schatz‘

a) Zu Beginn der Stunde befindet sich in der Kreismitte ein unter braunen Tüchern verborgenes ‚Schatzkästchen‘. Die Sch. entdecken etwas Verborgenes und Geheimnisvolles in ihrer Mitte. Spontane Assoziationen werden geäußert. Im Anschluss daran soll das Schatzkästchen abgedeckt werden, was inhaltlich auf die Gleichniserzählung vorbereitet. Die Kinder ‚graben‘ symbolisch das Kästchen aus. Von mehreren Kindern wird das Geheimnis gelüftet, indem sie jeweils ein Tuch von dem Tücherberg abdecken und es an die bereits liegenden Tücher anreihen. Um die Spannung zu erhalten und nicht durch das Aufrufen einzelner Kinder zu stören, fordern sie sich durch Zublinzeln gegenseitig auf. Mit dem Abdecken des letzten Tuches wird das Schatzkästchen und damit das zentrale Bild des Gleichnisses, das in der folgenden Religionsstunde behandelt werden soll, sichtbar.

Nun kann eine gegenstandsbezogene Stilleübung folgen, in der das Kästchen schweigend im Kreis weitergereicht wird. Jedes Kind hat so die Möglichkeit, es zu halten und anzuschauen, mit allen Sinnen das Kostbare, den Schatz zu fühlen und zu spüren.

b) Die Kinder werden in einer kurzen Imaginationsübung nach innen geführt. Dabei schließen die Schülerinnen und Schüler die Augen (kein Zwang!) und werden eingeladen, das Schatzkästchen vor ihrem ‚inneren Auge’ zu öffnen. Was ist darin verborgen? Was kann ich sehen? In dieser Phase wird der Schatz persönlich und individuell erfahren. Er soll nicht Objekt und Sache für das Kind bleiben – etwas, das nichts mit ihm zu tun hat –, sondern ihm wird die Möglichkeit gegeben, sich selbst dazu in Beziehung zu setzen. Innere Bilder und Vorstellungen werden geweckt. Im Anschluss daran kann den Kindern die Möglichkeit gegeben werden zu erzählen, was sie in ihrem Schatzkästchen entdeckt haben.

c) Nach der Imaginationsübung muss den Kindern Raum gegeben werden, das Erlebte, ihre gewachsenen Eindrücke auszudrücken und mitzuteilen. Die Schülerinnen und Schüler gestalten mit Material. Sie legen auf ein braunes Tuch etwas Kostbares, einen Schatz. Dabei gestaltet jedes Kind in erster Linie für sich selbst. Nach einer längeren Phase im Sitzkreis ist jetzt Bewegung nötig. Während des Legens dürfen die Kinder herumgehen und sich ihr Material selbst zusammenstellen. Das Legen sollte nach Möglichkeit im Stillen stattfinden, damit die Kinder die Möglichkeit haben, innere Bilder wirken zu lassen. An dieser Stelle ist es sinnvoll, entspannende Musik einzusetzen, um damit ein Zur-Ruhe-Finden zu unterstützen. Kinder, die ihre Arbeit beendet haben, setzen sich still auf ihren Stuhl.

d) Am Schluss der Stunde haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, sich zu ihrer fertigen Legearbeit zu äußern. Hier kommt es nicht so sehr auf das fertige Produkt an, sondern darauf, was ihnen wichtig war bei ihrer Legearbeit.

 

 

2. Begegnung mit der Gleichnis-Erzählung vom Schatz im Acker

a) Die Lehrerin legt einen Kartonstreifen mit der Aufschrift "Das Himmelreich ist wie ..." in die Kreismitte. Spontan beenden die Schülerinnen und Schüler den angefangenen Satz. Eigene Vorstellungen dürfen hier zum Ausdruck gebracht werden. Vielleicht bringen auch einige Kinder das in der vorhergehenden Religionsstunde Erlebte mit dem Satzanfang in Verbindung.

b) Das Gleichnis vom Schatz im Acker wird erzählt. Dabei sollte besonders deutlich werden, dass der Mensch für diesen Schatz alles hergibt, was er besitzt.

 

Vom Schatz im Acker

Einmal kamen Menschen zu Jesus.
Sie fragten:
Was ist das Himmelreich?
Jesus erzählte ihnen eine Geschichte:
Das Himmelreich ist wie ein Schatz,
der in einem Acker verborgen ist.
Ein Mensch entdeckt den Schatz.
Er erzählt aber niemandem davon,
was er gefunden hat.
Er hält seine Entdeckung noch geheim.
Voll Freude geht er hin,
verkauft alles, was er besitzt.
Vom Erlös aber kauft er den Acker.
Es folgen spontane Äußerungen der Schüler.
 

c) Im Anschluss an das Gespräch kleben die Kinder eine Vorlage mit dem Gleichnistext in ihr Religionsheft, zeichnen dazu ihren "Schatz" (schreiben gegebenenfalls etwas dazu) und bedecken diesen mit einem Tonpapierstück als Deckel. Danach malen sie das Gleiche in ein kleines fotokopiertes "Schatzkästchen".

d) Im Sitzkreis legen die Kinder schweigend die gestaltete Fotokopie in die Schatzkiste aus dem Beginn der Einheit und füllen sie so mit eigenen "Schätzen". Wer möchte, darf seine Arbeit vorstellen. Es kann verabredet werden, dass die Schatzkiste in der Klasse stehen bleibt und in Freiarbeitsphasen darin "gestöbert" werden darf.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2003

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