Was heißt hier „religiös“? - Jugendliche und Religion

von Bernd Schröder 

 

Spätestens seit 1967 ein Essay Thomas Luckmanns über „Die unsichtbare Religion“ erschien, gehört es zu den Grundannahmen der Religionssoziologie, dass das Christentum, namentlich die verfasste Kirche und ihr dogmatisch definierter Glaube für moderne Zeitgenossen immer mehr an Bedeutung verliere. Neben sie und zunehmend an ihre Stelle träten ‘privatisierte’ Religiosität und „neue Sozialform[en] der Religion“. [2] In besonderem Maße gelte dies für Jugendliche - sie seien kirchendistanziert, doch gerade ihre Lebenswelt sei häufig religiös durchsetzt, sie selber religiös [3]. Zu den Indikatoren zählen etwa die religiöse Aufladung von Werbung, Pop-Musik, Stars und Konsum durch Medien, der Boom esoterischer u.ä. Literatur und therapeutischer Praktiken, Horoskope u.v.m. [4]. Auch das verbreitete „Vertrauen in den sich selbst regulierenden Markt“ lässt sich nachgerade als ein religiöses Phänomen verstehen.[5]

Neuerdings wird diese - im Prinzip bereits seit dem Ende des letzten Jahrhunderts mögliche [6] -   Sichtweise durch ein Stichwort pointiert, das den Boom der Religion als strukturelle, den Entwicklungen der Moderne geschuldete Notwendigkeit ausweist: durch die Rede von der ‘Religionsproduktivität’ der Moderne. [7] Sie soll nicht suggerieren, es würden aus dem Nichts neue Religionsformen kreiert. Vielmehr betont sie, dass die Lebensumstände in modernen Gesellschaften Bedarf an Religion hervorrufen und zur neuartigen Verarbeitung tradierter Religion Anlass geben - auch „Glaubensinhalte und -formen des Christentums“, die in ihrer kirchlichen, tradierten Gestalt kaum noch auf Interesse stoßen, werden dabei „ zu kulturellem Treibgut“. [8]

Diese Thesen zur Religionisierung und Religionsproduktivität insbesondere der bundesrepublikanischen Gesellschaft bilden den Hintergrund und vielleicht auch den Anlass, über „Religion im Religionsunterricht“ neu nachzudenken, denn - je nach Sitz im Leben der jeweiligen Schule - findet der Formenwandel von Religion auch im Unterricht Niederschlag:

Unser Nachdenken soll hier einsetzen: Was eigentlich ist gemeint, wenn von Religion und ihrer Wiederkehr die Rede ist? Kann wirklich als Religion gelten, was so als Alltagsreligion Jugendlicher bezeichnet und in Anspruch genommen wird? Wie sind Religion und Pseudoreligion zu unterscheiden?

Ich will in vier Schritten vorgehen und zunächst Alltagsreligiosität Jugendlicher skizzieren, anschließend Kriterien zu ihrer Einschätzung anbieten. Die Darstellung von Alltagsreligiosität Jugendlicher beginne ich mit Momentaufnahmen aus der eigenen Wahrnehmung (1.). Es folgt eine Systematisierung einschlägiger Beobachtungen, die ich für wichtig halte, in elf Punkten (2.). Kriterien zur Einschätzung suche ich auf zwei Ebenen: Zum einen möchte ich an grundlegende begriffliche Differenzierungen erinnern, die hilfreich sind, um die uns als religiös begegnenden Phänomene zu ordnen (3.). Zum anderen soll nach spezifisch christlich-theologischen Gesichtspunkten gefragt werden, die für den Umgang mit empirisch vorfindlicher - christlicher wie nichtchristlicher - „Religiosität“ konstitutiv sind (4.).

 

1. Beispiele für die Alltagsreligiosität Jugendlicher

Beispiel 1:
Religionsunterricht in einer 9. Klasse eines Münsteraner Gymnasiums. Im Verhalten einer Schülerin verdichtet sich eine paradox wirkende Haltung: Sie arbeitet sehr engagiert mit in der Einheit „Kann man heute noch an Gott glauben?“, d.h. sie bringt Lieder aus der Pop-Kultur mit, die sie passend findet, sie interviewt Mitschülerinnen für eine kleine Ausstellung, die wir projektiert haben, usw. Zugleich lehnt sie für sich persönlich die Möglichkeit, an Gott zu glauben, strikt ab. Pointiert diese Momentaufnahme die Haltung Jugendlicher: Institutionalisierte Religion(en) - nein, religiöses Suchen – ja?

Beispiel 2:
Im derzeitigen Bestseller zur Zeitdiagnose findet sich am Ende von Ausführungen dazu, was der “Generation Golf” lieb und teuer ist, auch ein launig geschriebener Abschnitt zur Religion. Dort heißt es u.a.: “Da wir uns alles so zurechtlegen, bis es passt, haben wir auch ein flexibles Verhältnis zur Religion gefunden. ... Man macht sich ... nicht mehr die Mühe, nach Argumenten zu suchen, weder für noch gegen Gott. Aber von Oliver Bierhoff bis hin zu ... Stefan Raab überraschen immer wieder Generationsgenossen mit religiösen Bekenntnissen. ... Das hat schon was – so etwa lautet das Glaubensbekenntnis der Generation Golf”. [9] Die Wendung signalisiert nicht wirklich Zustimmung, es ist eine Form distanzierter Anerkennung von etwas - zudem keineswegs beschränkt auf religiöse Gegenstände. Wird Religion auf diese Weise anerkannt, erscheint sie nicht als konsistente, dauerhafte Daseins- und Wertorientierung, sondern als Momentaufnahme. Religion wird ohne religiöse Sprache artikuliert.

Beispiel 3:
Geradezu unvermeidlich fällt der Blick derjenigen, die an Religion, an der Religiosität Jugendlicher interessiert sind, heute auf Medien, an zentraler Stelle auf Kino und Fernsehen. [10]

Hier tauchen, etwa in der Werbung, religiöse Bezugnahmen in indirekter Weise auf, etwa im Slogan eines Autoherstellers („Ein neues Denken für eine neue Zeit“), als eine Art „Reklametheologie des Fernsehens“. [11] Daneben wird, etwa im Marketing, der religiöse Akzent explizit, zum Teil sogar programmatisch und zunehmend offensiv betont. So propagiert namentlich Norbert Bolz: „Marketing ist Gottesdienst am Kunden“. Da „das Leben  ... heute kein Werte-Korsett ..., keinen Außenhalt in großen Ideen und Institutionen“ mehr bietet, tritt an dessen Stelle das „Heilsversprechen des Konsums“, die Selbsterlösung durch „Self-Fashioning“, zudem Trends als „Kurzzeitreligionen“. [12] Handelt es sich dabei bloß um scheinbar religiöse Sprüche, die „frech“ sein sollen, oder um eine ernstzunehmende Aufladung von Alltagsphänomenen, die zur Kritik am ‘Götzendienst’ Anlaß gibt? 

 

2. Empirische Einsichten zur Alltagsreligiosität Jugendlicher

Die These von boomender Religiosität unter Jugendlichen lässt sich anhand von empirischen Studien zum Teil bestätigen - nachweisbar ist bisher allerdings eher die nachlassende Beteiligung am kirchlichen Leben als die Religionsproduktivität. Ich nehme für meine Skizze vorrangig quantitative Studien, daneben aber auch ausgewählte qualitative Studien auf. [13]   

Erstens: Recht fraglos lässt sich ein Rückgang der Kirchlichkeit Jugendlicher konstatieren.

Zwar liegt die Quote der Kirchenmitgliedschaft der unter 20jährigen - in den alten Bundesländern! - nach wie vor hoch, doch gängige Indikatoren zu den Ausdrucksformen von Kirchenmitgliedschaft zeigen durchgängig fallende Tendenz. Dies gilt vor allem für die Teilnahme von Jugendlichen am Gottesdienst und die subjektive Verbundenheit evangelischer Jugendlicher mit der Kirche. [14] Nicht zuletzt: Kirchlichkeit beeinflusst - wenn überhaupt - nur Verhalten und Einstellung in Fragen der kirchlich-religiösen Sphäre, „eine Bedeutung für Handlungs- und Einstellungsbereiche außerhalb von Religion und Religionsgemeinschaft“ hat sie wohl kaum noch. [15]   

Zweitens: Die jüngste EKD-Mitgliedschaftsumfrage macht zu Recht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass Deutschland in religiöser Hinsicht keineswegs zusammengewachsen ist, vielmehr begegnen uns „in Ost- und Westdeutschland ... zwei völlig unterschiedliche ‘Religionskulturen’“. [16] 

Auf der einen Seite ist bei einer Kirchenmitgliedschaftsquote der westdeutschen Bevölkerung von 84,2% davon auszugehen, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung - trotz Tradierungskrise - „zumindest mit den elementaren Inhalten der christlichen Glaubensüberlieferung sowie mit den Grundformen kirchlichen Lebens bekannt gemacht“ wurde. Gerade für Jugendliche gilt, dass sie - evangelischerseits - „nahezu alle“ ihre Taufe und Kirchenmitgliedschaft „durch die Konfirmation bekräftigen“. [17]

Auf der anderen Seite ist in Ostdeutschland bei einer Kirchenmitgliedschaftsquote von nur 29,3% „das Verhältnis zur Kirche, zu Christentum und Religion [für die meisten Menschen] dadurch gekennzeichnet, dass sie schlicht überhaupt nicht damit konfrontiert sind. Schon die zweite Generation ist mehrheitlich nicht getauft und hat keinerlei christliche Unterweisung erfahren.“ Insonderheit ist „bei den Konfessionslosen in Ostdeutschland die Sprachfähigkeit für Religion völlig abhanden gekommen“. [18]

Drittens: Auch für Westdeutschland gilt indes wohl:  Nicht nur die Teilnahme am kirchlichen Leben ist zurückgegangen, auch „die [nicht kirchlich gebundene] religiöse Grundhaltung im Leben hat bei den deutschen Jugendlichen stark an Boden verloren“. [19]

Dies zeigt sich an der rückläufigen Praxis des Betens wie an der sinkenden Zustimmung für einen Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod. [20] Entsprechend stimmen 52% der 1999 befragten Jugendlichen dem Item zu „Ich bin nicht religiös“, nur 17% lehnen es als überhaupt nicht zutreffend ab. [21]

Viertens: Eine Wanderungsbewegung weg von der Kirchenzugehörigkeit zu anderen Sozialformen von Religion ist nicht auszumachen. 

Insbesondere die Quote derer, die angeben,  Erfahrungen mit sog. „neuer Religiosität“ gemacht zu haben und diese wertzuschätzen, liegt unter Kirchenmitgliedern wie Konfessionslosen niedrig. [22] Zuletzt konstatiert auch die 13. Shell Jugendstudie: „Bei allen Vorgaben des Bereichs der spirituell-okkulten bzw. abergläubischen Praktiken gibt nur ein kleiner Teil der Befragten an, dass er sie ausübt.“ [23] Dass also kirchliches Christentum unter Jugendlichen einer Konkurrenz mit so genannter Neuer Religiosität ausgesetzt sei oder ihr gar erläge, lässt sich nicht behaupten.

Unbeschadet dessen mag es sein, dass sich sog. neue Religiosität „weniger in einer eigenständigen, sich abseits der Kirche formierenden Bewegung darstellt [als] vielmehr als eine qualitative Veränderung des Zugriffs auf Religion verstanden werden muss“, dass also den gleichen religiösen Merkmalen „neue Bedeutungen zukommen“. [24]

Fünftens: Traditionelle nichtchristliche Religionen haben keine für empirische Forschung erkennbare Attraktivität für Jugendliche. 

Es ist nicht ersichtlich, dass Jugendliche etwa Praktiken und Glaubenseinstellungen des Judentums, des Buddhismus oder - besonders naheliegend - des Islam steinbruchartig übernehmen. Eindrücklich hat darauf die jüngste Shell-Studie hingewiesen: Zwar haben „die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und eine religiös bestimmte Lebensführung“ durch die Präsenz der Muslime „eine Bedeutungsaufladung“ erfahren, d.h. Jugendliche aller Couleur haben in ihren muslimischen Altersgenossen lebendige Beispiele dafür, was es heißt, religiös zu praktizieren, doch lassen sich nicht-muslimische Jugendliche davon, so scheint es, nicht beeindrucken. [25]

Sechstens: Der Zenit der Kirchen- und wohl auch Religionsdistanz liegt - jedenfalls im Blick auf evangelische Befragte - bei den 18-29-Jährigen, also in der Anfangsphase weithin eigenverantwortlicher Lebensführung und -orientierung, nicht in der Schulzeit. [26]

Entsprechend bringen Schülerinnen und Schüler kritische Haltungen in vergleichsweise moderater Form  zum Ausdruck, nur in seltenen Fällen sind sie von sichtbaren Konsequenzen, etwa Kirchenaustritt, begleitet. Die Haltung jugendlicher Schüler/innen, also der 14-17-Jährigen, ist, so die EKD-Mitgliedschaftsumfrage, weniger durch dezidierte Ablehnung von Religion und Kirche als vielmehr durch Distanz zu einem „kirchlich geprägten Sprachduktus“ und „Unsicherheit“ in der religiösen Standortbestimmung gekennzeichnet. [27]

Siebtens: Qualitative Studien zeigen „eine auffällige Heterogenität christlich orientierter Jugendlicher. Wie bei keiner anderen Gruppe [also den atheistisch, spiritualistisch oder muslimisch orientierten Jugendlichen] zeigen sich strukturell so unterschiedliche Bezugnahmen auf Religion wie bei christlichen Jugendlichen.“ [28]

Diese Unterschiedlichkeit resultiert wohl vor allem daraus, dass und wie christlich orientierte Jugendliche ihr Verhältnis zur Idee selbstverantwortlicher Lebensführung und zur rationalen Religionskritik bestimmen. [29]

Achtens: Angesichts der Ambivalenzen moderner Gesellschaft und Lebensführung ist gerade bei Jugendlichen nicht mehr damit zu rechnen, dass sie tradierte, in sich schlüssige Konzepte der Daseins- und Wertorientierung für sich persönlich übernehmen. Vielmehr scheinen sie eine „andere Weise“ zu entwickeln, Orientierung und Sinn zu finden, den von Dietlind Fischer und Albrecht Schöll so genannten „Modus einer okkasionell-sozialen Aneignung von Sinn“. Kennzeichnend dafür ist: „Die Konstruktion von Lebenssinn“ wird von Jugendlichen als notwendige Eigenleistung der einzelnen begriffen; Lebenssinn wird nicht länger abgeleitet aus Weltanschauungssystemen bzw. Religionen, sondern „in Auseinandersetzung mit konkreten lebenspraktischen Bezügen“ gesucht; dabei „auftauchende religiös besetzte Sinndeutungen“ sind durch Veränderlichkeit und „Offenheit“ gekennzeichnet. Jugendliche sehen sich außerstande, „Glaubensfragen ‘prinzipiell’ zu beantworten“ und „als ‘Sicherheit’ in die Lebenspraxis zu integrieren“. [30]

Neuntens: Dementsprechend hat es sich im Zeichen der so genannten Postmoderne im Blick auf die Identitätssuche und -findung Jugendlicher eingebürgert, von deren „patchworkartigen Bastelbiographien“  [31] zu sprechen. Diese sind allerdings kein Privileg von Jugendlichen!

Der jüngsten EKD-Mitgliedschaftsumfrage zufolge bejahen 44% der Evangelischen aller Altersgruppen (in den alten Bundesländern) das Item „A“: „Ich habe meine eigene Weltanschauung, in der auch Elemente des christlichen Glaubens enthalten sind“, 30% bejahen die Aussage „J“: „Jede Religion hat Stärken und Schwächen, man sollte sich das jeweils Beste daraus holen“. [32] Jugendliche Befragte teilen diese Auffassung im großen und ganzen; allerdings stimmen die 14-17-Jährigen den genannten Items im Mittel am vergleichsweise wenigsten zu!

Zehntens: Die lebenspraktische Bedeutung von Phänomenen wie okkasionell-sozialer Aneignung von Sinn und Bricolage für die betreffenden Jugendlichen ist unklar: Ist sie Ausdruck entwickelter Individualität“ und kritischer Dauerreflexion oder im Gegenteil gerade Ausdruck von Indifferenz und Ungeklärtheit religiöser Vorstellungen. [33] Jedenfalls werden „die Kirchenbeziehung“ (bei Kirchenmitgliedern) und entsprechend wohl auch religiöse Angelegenheiten (bei Nicht-Kirchenmitgliedern) „vom primären Lebenskontext her und auf ihn hin geordnet, nicht umgekehrt die eigene Lebenswelt von der Kirche [bzw. der Religion] her und auf sie hin geformt.“ [34] 

Elftens: Last but not least haben Jugendliche Anteil an den religiösen Momenten der Konsumwelt. Eine Auswahl Jugendlicher aus „trendrelevanten Metropolen“ der Welt wirkt trendsettend, [35] für eine - nicht näher quantifizierbare - Vielzahl Jugendlicher mag die Orientierung an solchen Trends daseins- und wertorientierende und damit ‘religiöse’ Funktion erfüllen. In welchem Maß die religiöse Aufladung der Konsum- und Pop-Kultur für einzelne Jugendliche subjektive Bedeutung erlangt, ist unbekannt. Gelegentliche Umfragen weisen meines Erachtens darauf hin, dass diese Bedeutung tendenziell überbewertet wird.  [36]

Knapp zusammengefasst: Religionszugehörigkeit und religiöse Sozialisation und Erziehung Jugendlicher sind in (West-) Deutschland noch immer christlich geprägt. Im Schulalter ist weniger eine dezidierte Abwendung von Religion auszumachen als vielmehr Unentschlossenheit und die Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Orientierungsmuster. Angesichts der Kirchendistanz und der Kirchenaustrittsquote der 18-29-Jährigen erscheint die Zeit von 14-18 Jahren allerdings als Phase der Weichenstellung. Qualitative Studien zeigen: Jugendliche lassen einen eigenwilligen Gebrauch und ein eigensinniges Verständnis von Religion erkennen, die beide in ihren Ausdrucksformen kaum noch an theologischen Wissensbeständen und Sprachmustern geschult sind. Die Annahme einer Religionisierung der bundesdeutschen Gesellschaft, die deren Entkirchlichung gewissermaßen auffange, wird überhaupt erst durch eine weite, in der Regel funktionale Fassung des Religionsbegriffs möglich.

 

3. Begriffliche Klärungen

Bei okkasionell-sozial Aneignung von Sinn, individualsynkretistisch Tendenzen und Kult-Marketing handelt es sich schwerlich um christliche Religion, die mit den Grundsätzen der konfessionellen Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik übereinstimmt, wohl aber um Religion. Damit ist allerdings noch fast nichts gesagt - ist ‘Religion’ doch ein Allgemeinbegriff, dessen Gegenstandsbereich und Definition ausgesprochen strittig ist. [37]

Handelt es sich bei Religion und Religiosität also um „diskursive Tatbestände“, [38] bei denen es keine eindeutige oder zwingende Zuordnung von Begriff und Sache gibt, müssen sich begriffliche Unterscheidungen an den Phänomenen bewähren, auf die sie angewandt werden

Als erste Unterscheidung will ich angesichts dessen auf diejenige zwischen einem funktionalen und einem substantiellen Religionsbegriff hinweisen.

Bei der Verwendung eines substantiellen Religionsbegriffes werden nur solche Phänomene als religiös betrachtet, die auf ein bestimmtes, als für Religion konstitutives Objekt bezogen sind, etwa auf - um mit Rudolf Otto und Nathan Söderblom zu sprechen - „das Heilige“.

Der funktionale Religionsbegriff lässt demgegenüber all das als Religion verstehen, was die Funktion bzw. Funktionen von Religion erfüllt. Je nachdem, worin nun wieder die Funktion von Religion gesehen wird - etwa in Kontingenzbewältigung (Niklas Luhmann), Stabilisierung und Identitätssicherung (Reiner Preul) oder in der Einordnung in einen Sinnkosmos (Thomas Luckmann) -, gelten auch Phänomene als religiös, die nicht als religiös verstanden werden wollen. [39]

Im Blick auf die Religiosität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland lässt die Anwendung eines substantiellen Religionsbegriffs den Kreis der als religiös ansprechbaren Jugendlichen klein werden; mit Hilfe des funktionalen Religionsbegriffs werden wohl nahezu alle Jugendlichen als religiös beschreibbar. In religionspädagogischem Zusammenhang ist es meines Erachtens von Nutzen, mit beiden Formen des Religionsbegriffs zu arbeiten: Seine funktionale Fassung kann heuristische Dienste leisten und auf das weite Feld möglicher und unter Jugendlichen vorfindlicher Sinnorientierungen aufmerksam machen; (erst) seine substantielle - hier von christlicher Theologie her zu entwickelnde - Bestimmung ermöglicht umgekehrt kriteriengeleitete Unterscheidungen „zwischen dem, was theologisch als Religion gelten darf, und dem, was als Pseudo- oder Ersatzreligion, als vielleicht funktionales, aber doch inadäquates Äquivalent einzustufen ist“. [40]

Von daher wird eine zweite Unterscheidung möglich und sinnvoll. Nicht alle Phänomene aus dem Bereich der Daseins- und Wertorientierung sowie der Lebensführung sind als ‘religiös’ zu qualifizieren, ein größerer Teil ist gleichwohl jedoch ‘religiös relevant’ [41] oder „religioid“ (Georg Simmel) [42] . Die Grenzziehung zwischen beiden Attributen ist wohl notwendig eine „Ermessensfrage“; gerade eine dimensionale Beschreibung von Religion lässt das Fließende der Übergänge erkennen. [43]

Hinsichtlich der Religiosität Jugendlicher in der Bundesrepublik ermöglichen diese Unterscheidungen die Abkehr von einer schlichten Schwarz-Weiß-Zeichnung zugunsten eines abstufenden Kontiums ‘religiös’ bis ‘religiös relevant’, das sich durch die Benennung der berührten Dimensionen präzisieren lässt.

Die dritte Unterscheidung schließlich ist schlicht diejenige zwischen Religion und Christentum. Christentum ist zwar eine Religion; aber Religion ist nicht notwendig christlich.

Die Christlichkeit einer religiösen Orientierung lässt sich dabei schwerlich an formalen Kriterien festmachen: [44] „Das Christentum hat nicht nur eine ähnliche [gleichartige] äußere und innere Struktur wie andere Religionen. Es hat auch vergleichbare seelische und gesellschaftliche Wirkungen“. [45] Vielmehr lässt sie sich nur bestimmen anhand der in Rede stehenden Inhalte, die sich in elementarer Weise (etwa im Glaubensbekenntnis), aber auch in elaborierter Form (etwa in Gestalt Systematischer Theologie) formuliert finden. Hinter letzteren bleiben alltagsweltliche Äußerungen zwar notwendig zurück, gleichwohl ist die sachliche Übereinstimmung mit tradierten christlichen Glaubensüberzeugungen das Unterscheidungskriterium von nicht-christlicher und christlicher Religion. Insofern die religiöse Sprache „die empirisch beobachtbare Gestalt [ist], in der das religiöse Bewusstsein und Gefühl [jedweder Prägung] sich unmittelbar darstellt“, kommt dem Gebrauch der religiösen Sprache (im weiten Sinne) ebenfalls Kriterienfunktion zu. [46] 

 

4. Theologische Kriterien zur Einschätzung von Alltagsreligiosität Jugendlicher

Die Ordnung religiös relevanter Phänomene mit Hilfe entsprechender Begriffe ist eines, die christlich-theologische Einschätzung derselben ein anderes. Die religionssoziologisch beschreibbare Religiosität Jugendlicher, die sich, wie gesehen, tendenziell durchaus auf den Nenner „Was Gott ist, bestimme ich!“ [47] bringen lässt, ist dementsprechend zwar ernstzunehmen, d.h. sie in den Spuren Martin Luthers theologischer Auseinandersetzung für wert zu halten, aber keineswegs notwendig theologisch zu legitimieren. [48] Im Gegenteil ist festzuhalten, dass es sich bei den angedeuteten Phänomenen von theologischer Warte aus um „eine Art religionsförmiger Gotteskrise“ handelt. [49] 

Allerdings: Mit der abstrakten Gegenüberstellung von Theologie und individualisierter Religion ist es gleichwohl nicht getan. Es gilt vielmehr, im Umgang mit religiös relevanten Phänomenen im beschriebenen Sinne theologisch zu argumentieren. Für geboten und hilfreich halte ich drei Schritte: selbstkritische Unterscheidung, argumentative Auseinandersetzung und selbstbewusste Positionierung christlicher Theologie. [50]

Grundlegend ist erstens die Unterscheidung zwischen dem, was Menschen als Religion, auch als christliche Religion praktizieren bzw. als christlichen Glauben für wahr halten, und Gottes Wirklichkeit. Christliche Theologie unterscheidet zwischen ‘Gottesverständnis und Gott’, zwischen ‘Vollzug und Wahrheit’ von Religion bzw. Glauben:

Sie unterscheidet - das ist wichtig zu betonen - nicht so, dass sie sagt: Christlicher Glaube hat unmittelbar Anteil an der Wahrheit und hat die Wahrheit per se auf seiner Seite, andere Religionen oder Religiositätsformen hingegen seien fehlgeleitete Praxis und irrige Überzeugung. Vielmehr wendet christliche Theologie jene Unterscheidung selbstkritisch an: Auch der Vollzug christlichen Glaubens, auch das Gottesverständnis christlicher Religiosität stehen unter Wahrheitsvorbehalt, auch sie müssen sich messen an „Gottes Wirklichkeit“ (425). „Ohne diese selbstkritische Relativierung der Gottesverehrung einer Glaubensgemeinschaft [und ich ergänze: eines sich als religiös verstehenden Individuums] auf die Wahrheit ihres Gottesverständnis degenerieren Religionen zu Ideologien.“ (426) Zur Aufgabe wird also theologische Religionskritik:

Durch diese Unterscheidung zwischen Gottesverständnis und Gott wird nun zweitens die Auseinandersetzung um ein angemessenes Gottesverständnis bzw. um wahre oder schädliche Religiosität nicht unnötig - nach dem Motto: Nachts sind alle Katzen grau - , sondern gerade erst notwendig. Denn jedes Gottesverständnis, jede Form von Religiosität steht - wenn sie sich ernsthaft eben auf Gott bezogen zieht und nicht „den Wirklichkeitsbezug von Religion und die Wirklichkeitswahrnehmung des Glaubens systematisch verkennt“ -  vor der Frage, „ob das wirklich Gott ist, was so bestimmt wird, und ob Gott wirklich so ist, wie er bestimmt wird“ (417).

Diese Frage lässt sich sub conditione humana nicht abschließend beantworten - schon gar nicht durch zirkulären Verweis auf die eigene Überzeugung oder auf die Übereinstimmung und homogene Praxis einer religiösen Gemeinschaft. Sie lässt sich jedoch bearbeiten - durch streitbare Rechenschaftsablage über das je eigene Gottesverständnis und dessen „wirklichkeitserschließende“ Kraft (424).

„Wer meint, anderen ihren Gott gönnen zu müssen und sich mit seinem begnügen zu können, bringt sie und sich um die Chance, ernsthaft mit Gottes Wirklichkeit zu rechnen.“ (426)

In dieser Auseinandersetzung vermögen Vertreter/innen christlichen Glaubens bzw. christlicher Theologie drittens sprachlich wie sachlich umsichtige und lebensfreundliche Position zu beziehen. In Auseinandersetzung mit synkretistischer Religiosität und nicht-christlicher Religion können und sollen sie auf ihre eigentümliche Perspektive verweisen, in der sie zwar nicht Gott selbst, wohl aber „sich selbst und ihre Welt im Licht der Gegenwart Gottes“ wahrnehmen (430, Anm. 43) und sich selbst verpflichtet sehen, jedem Götzendienst abzusagen. Insofern kommt der Frage nach Gott Schlüsselfunktion zu, ist in der Auseinandersetzung mit flottierender Religiosität in der Tat „das christliche [oder besser: das jüdisch-christliche] Gottesgedächtnis“ herausgefordert. [51]

Kurz: Nicht die Verwerfung (synkretistischer) Religiosität, sondern die Auseinandersetzung mit ihr und der Qualitätserweis „evangelischer Religionslehre“ für Lebensdeutung und -führung sind gefordert. In diesem Konflikt der Wirklichkeitsverständnisse mag sie unzeitgemäß wirken, aber überflüssig oder ersetzbar ist sie mit ihrem Deute- und Gestaltungspotential gewiss nicht. 

 

Anmerkungen

  1. Stark gekürzte Fassung eines Referates, das ich auf der Konferenz für Fachberater/innen und Fachleiter/innen für Evangelische und Katholische Religionslehre am Gymnasium am 23.11.2000 in Loccum gehalten habe. Deren Thema lautete: „Religion im RU: Die ‚Religion‘ Jugendlicher und das christliche Gottesgedächtnis“.
  2. Thomas Luckmann: The Invisible Religion, New York 1967, dt. Übers.: „Die unsichtbare Religion“, Frankfurt 1991, hier etwa 127 und 132; zur Bedeutung des Essays vgl. die Einleitung dazu von Hubert Knoblauch ebd., 7-41.
  3. Vgl. stellvertretend Friedrich Schweitzer: Die Suche nach eigenem Glauben. Einführung in die Religionspädagogik des Jugendalters, Gütersloh 1996 21998, bes. 25-36: „die Religiosität Jugendlicher reicht weiter ... als ihre Kirchlichkeit“ (32).
  4. Vgl. die Beispiele bei Arno Schilson: Medienreligion. Zur religiösen Signatur der Gegenwart, Tübingen u.a. 1997, 44-51, und in: Religion wahrnehmen. FS Karl-Fritz Daiber, hg. von Kristian Fechtner u.a., Marburg 1996, bes. 161-235.
  5. Hier mit Franz Segbers: Gott gegen Gott. Von der Alltagsreligion im Kapitalismus, in: Religion als Thema der Theologie, hg. von Wilhelm Gräb, Gütersloh 1999, 63-90, hier 68. Vgl. schon entsprechende Ansätze im Großen Katechismus (1529) Martin Luthers: „Es ist mancher, der meinet, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verlässt und brüstet sich drauf so steif und sicher, dass er auf niemand nichts gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißet Mammon, ... darauf er alle sein Herz setzet, welches auch der allergemeinest Abgott ist auf Erden.“ (Die Bekenntnisschriften der evgl.-luth. Kirche 1930, Göttingen 101986, 543-733, hier 561, 7-17).  
  6. So erkannte schon Ernst Tröltsch, dass die moderne Gesellschaft „außerordentlich viel religiöses Leben (besitzt), das in gar keinem oder doch nur in ganz losem Zusammenhange mit der Kirche steht“, in: Religion und Kirche (1895), in: ders.: Gesammelte Schriften II (1922), Aalen 1962, hier 148.
  7.  So etwa Hans-Joachim Höhn: GegenMythen. Religionsproduktive Tendenzen der Gegenwart, Freiburg 1994 (31996) (Untertitel) und - darauf seinen Entwurf Praktischer Theologie aufbauend - Wilhelm Gräb: Lebensgeschichten, Lebensentwürfe, Sinndeutungen. Eine praktische Theologie gelebter Religion, Gütersloh 1998, hier 32.
  8. Zitat Höhn 1994 (s.o. Anm. 7), 15f.
  9. Florian Illies: Generation Golf, Berlin 2000, 195.
  10. Vgl. nur Günter Thomas: Medien - Ritual - Religion. Zur religiösen Funktion des Fernsehens, Frankfurt 1998. Zum Internet etwa Andres Mertin: Internet im Religionsunterricht, Göttingen 2000, 7-9.25f.
  11. So schon Horst Albrecht: Die Religion der Massenmedien, Stuttgart u.a. 1993, 60.
  12. Norbert Bolz: Gottesdienst ist Marketing am Kunden, in: Sieben Thesen zum Marketing von morgen. Ein Supplement von werben & verkaufen und Süddeutscher Verlag, München o.J. (1998), 42-48, hier 42.44.45; vgl. ders. David Bosshart: Kult-Marketing. Die neuen Götter des Marktes, Düsseldorf 21995. Die Gegenposition findet sich bei Heribert Meffert: Philosophie extra light, in: Die Zukunft des Marketing? Die Zukunft ist Marketing! Ein Supplement von werben & verkaufen und Süddeutscher Verlag, München o.J. (1999),12-14, hier 12: „Marketing ist ganz einfach eine wertneutrale Technik“ und 14: Für „die Frage nach den Werten ... sind immer noch eher die Kirchen zuständig.“  
  13. Eine annähernd vollständige Zusammenstellung empirischer Studien zum Thema Jugend und Religion in Deutschland findet sich bei Fred-Ole Sandt: Religiosität von Jugendlichen in der multikulturellen Gesellschaft. Eine qualitative Untersuchung zu atheistischen, christlichen, spiritualistischen und muslimischen Orientierungen, Münster u.a. 1996, 7-11.
  14. Daten sind zusammengestellt etwa bei Sandt 1996 (s.o. Anm. 13), 16 und 21.
  15. Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie (erarbeitet von Arthur Fischer, Yvonne Fritzsche, Werner Fuchs-Heinritz, Richard Münchmeier), hg. von der Deutschen Shell, Opladen 2000, Bd. 1, Zitat 158; vgl. 20 („Ein religiöses Milieu ... ist ... nicht mehr feststellbar“) und 164 („Ob man zum Gottesdienst geht oder nicht, das hat mit den anderen Merkmalen des Bereichs Religion zu tun, wirkt sich sonst aber wenig aus.“) sowie 179/180.
  16. Zitate dieses Abschnittes (sofern nicht anders angegeben) aus Fremde Heimat Kirche FHK. Die dritte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, hg. von Klaus Engelhardt, Hermann von Löwenich, Peter Steinacker, Gütersloh 1997, 345f. Zur Lage in Ostdeutschland vgl. etwa Detlef Pollack / Gert Pickel (Hg.): Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989-1999, Opladen 2000, bes. 18-47. 
  17. Dieser Satz und seine Zitate beziehen sich auf die „Statistik über Äußerungen des kirchlichen Lebens in den Gliedkirchen der EKD in den Jahren 1995 und 1996“, Statistische Beilage Nr. 92 zum Amtsblatt der EKD, Heft 11 vom 15.11.1998, 14.
  18. Zitate aus FHK 1997 (s.o. Anm. 16), 345 und 346.
  19. 13. Shell Jugendstudie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 180; vgl. auch ebd., 20 das Konstatieren eines „Rückganges von Glaubensüberzeugungen ... ebenso wie einer abnehmenden praktischen Ausübung bestimmter religiöser oder kirchlicher Rituale und Praktiken“.
  20. Datenzusammenstellungen für 1953/1984/1991 bei Sandt 1996 (s.o. Anm. 13), 27 und 29, Daten für 1999 in der 13. Shell-Jugendstudie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 164 und 166.
  21. 13. Shell Jugendstudie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 173. Allerdings bejahen dennoch 58% etwa das Item „Es gibt Vorgänge, die man nicht erklären kann, in denen übernatürliche Kräfte am Werk sind“; so ebd., 175f. Die Zustimmung dazu steigt „jeweils von der Gruppe ohne Zugehörigkeit über die evangelische und katholische bis zur islamischen an“ (ebd., 177).
  22. FHK 1997 (s.o. Anm. 16), 139 und 413f., jeweils Tabellen.
  23. 13. Shell-Studie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 174. Deutlich höhere Partizipationsquoten gaben Studien Ende der 80er Jahre an (Ulrich Müller: Ergebnisse einer Umfrage unter bayrischen Schülern und Schülerinnen zu Okkultismus und Spiritismus, Regensburg 1989; Hartmut Zinser: Okkultismus unter Berliner Schülern, in: Materialdienst der EZW 53 (1990), 273-290).
  24. Sandt 1996 (s.o. Anm. 13), 42.
  25. 13. Shell Jugendstudie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 180. 
  26. FHK 1997 (s.o. Anm. 16), 145; vgl. auch 13. Shell-Studie 2000 (s.o. Anm. 15), Bd. 1, 178. Darauf wies nachdrücklich schon Andreas Feige hin: Kirche auf dem Prüfstand: Die Radikalität der 18-20jährigen. Biographische und epochale Elemente im Verhältnis der Jugend zur Kirche - ein Vergleich zwischen 1972 und 1982, in: Joachim Matthes (Hg.): Kirchenmitgliedschaft im Wandel, Gütersloh 1990, 65-98.
  27. FHK 1997 (s.o. Anm. 16), 143f. und 136.
  28. Sandt 1996 (s.o. Anm. 13), 105; vgl. 257: „Von einer homogenen christlichen Orientierung kann nicht gesprochen werden.“
  29. So heißt es bei Sandt 1996 (s.o. Anm. 13), 261: „Neben der zentralen Rolle des Autonomieanspruches in der Konstruktion von Religiosität verweisen die Ergebnisse ... auf das zentrale Verhältnis zur Rationalität.“
  30. Hier nach Dietlind Fischer / Albrecht Schöll: Glauben Jugendliche anders? Zur Bedeutung von Religion in der Lebenspraxis Jugendlicher, in: KatBl 121 (1996), 4-14, Zitate 5.7.8.14. Vgl. ausführlicher dies.: Lebenspraxis und Religion. Fallanalysen zur subjektiven Religiosität von Jugendlichen, Gütersloh (1994) 21998, bes. 272-279. 
  31. Exemplarisch sei hier Wilfried Ferchhoff / Georg Neubauer: Patchwork-Jugend. Eine Einführung in postmoderne Sichtweisen, Opladen 2. überarb. A. 2000 genannt.
  32. FHK 1997 (s.o. Anm. 16), 407 (Frage 28). Der Mittelwert der Zustimmung aller Befragten ev., West, alle Altersgruppen liegt - gemessen an einer 7-stufigen Skala - bei 5,04 für „A“ bzw. 4,44 für „J“.
  33. Vgl. Joachim Matthes: Unbestimmtheit: ein konstitutives Merkmal der Volkskirche? in: ders. (Hg.): Kirchenmitgliedschaft im Wandel. Untersuchungen zur Realität der Volkskirche, Gütersloh 1990, 149-162.
  34. Christsein gestalten. Eine Studie zum Weg der Kirche, hg. vom Kirchenamt der EKD, Gütersloh 1986, 28.
  35. Sehr anschaulich wurde dies jüngst an der Trendforschung einer Firma namens „look-look.com“, beschrieben von Jürgen von Rutenberg: „Denn sie wüssten gern, was sie tun“, in: DIE ZEIT Nr. 41 vom 5.10.2000, Beilage „Leben“, S. 6f.
  36. Vgl. etwa Susanne Beyer u.a.: Die jungen Milden, in: DER SPIEGEL Nr. 28 vom 12.7.1999, 94-103, hier 97.
  37. Die Literatur ist Legion. In Auswahl seien nur genannt: Christoph Elsas (Hg.): Religion, München 1975. Detlef Pollack: Was ist Religion? Probleme der Definition, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995), 163-190. Falk Wagner: Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema in Geschichte und Gegenwart, Gütersloh (1986) 21991.
  38. So Joachim Matthes: Auf der Suche nach dem „Religiösen“. Reflexionen zu Theorie und Empirie religionssoziologischer Forschung, in: Sociologia Internationalis 30 (1992), 129-142, hier 129.
  39. Vgl. etwa Pollack 1995 (s.o. Anm. 37), 168f.178-181.
  40. So mit Reiner Preul: Art. Religion III. Praktisch-theologisch, in: TRE XXVIII (1997), 546-559, hier 546.
  41. Hier mit Günter R. Schmidt: Religionspädagogik. Ethos, Religiosität, Glaube in Sozialisation und Erziehung, Göttingen 1993, 87 und 104.
  42. Der Hinweis auf diesen Begriff entstammt dem Sammelband „Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung“, hg. von Karl Gabriel, Gütersloh 1996, 198 (Gabriela Christmann).
  43. Schmidt 1993 (s.o. Anm. 41), 193, 104 (Zitat) und 114 bzw. 154.
  44. Das gilt meines Erachtens unbeschadet dessen, dass Christlichkeit eindeutig durch die Taufe definiert ist. Auskunft über die subjektive Bedeutung oder das Verständnis des Christentums gibt dies Kriterium jedoch nicht.
  45. Schmidt 1993 (s.o. Anm. 41), 158.
  46. Preul 1997 (s.o. Anm. 40), 546.
  47. So der Titel von Psychologie heute Heft 7 des Jahrgangs 1995; vgl. aber auch Illies 2000, 195. 
  48. Schon Martin Luther entwickelt im „Großen Katechismus“ von 1529 einen weiten Religionsbegriff, um ihn zugleich theologisch kritisch zu reflektieren.
  49. So Johann Baptist Metz: Gotteskrise. Versuch zur ‘geistigen Situation der Zeit’, in: ders. u.a.: Diagnosen zur Zeit, Düsseldorf 1994, 76-92, hier 77. „Das Stichwort lautet Religion, ja - Gott, nein, wobei dieses Nein wiederum nicht kategorisch gemeint ist im Sinne der großen Atheismen. Es gibt keine großen Atheismen mehr. Der Atheismus von heute kann nämlich schon wieder Gott ... im Munde führen, ohne ihn wirklich zu meinen ...“ (ebd.).
  50. Im Folgenden lehne ich mich eng an Ingolf U. Dalferth: „Was Gott ist, bestimme ich!“ Theologie im Zeitalter der „Cafeteria-Religion“, in: ThLZ 121 (1996), 415-430 (erneut abgedruckt in ders.: Gedeutete Gegenwart. Zur Wahrnehmung Gottes in den Erfahrungen der Zeit, Tübingen 1997, 10-35). Seitenangaben in Klammern verweisen auf diesen Aufsatz.
  51. Der Begriff stammt von Johann Baptist Metz, etwa: Im Eingedenken fremden Leids. Zu einer Basiskategorie christlicher Gottesrede,in: ders. u.a.: Gottesrede, Münster 1996, 3-20, hier 7. Allerdings: Metz markiert nicht so sehr Synkretismen als die Herausforderung für Theologie und Glauben, sondern die moderne Verkehrung biblischen Zeitverständnisses („Zeit ohne Finale“) und die Verleugnung „traditionsdefinierter Sittlichkeit“, anders formuliert: den Verlust von „Zeit-“ und „Leidempfindlichkeit“ (8). Vgl. auch Thomas Ruster: Der verwechselbare Gott. Theologie nach der Entflechtung von Christentum und Religion, Freiburg u.a. 2000. In religionsdidaktischer Perspektive ist dies anschlußfähig an das sog. „Kerncurriculum“ aus Identität und Verständigung ... Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1994, 17-19.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2001

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