Der Religionslehrer als exemplarischer Repräsentant christlicher Religion

von Hartmut Rupp

 

Drei Szenen aus dem Religionsunterricht: In der 3. Klasse geht es um die Segnung Jakobs durch Isaak. Die Kinder überlegen sich zu zweit, wie Jakob seg­net, und probieren das wechselseitig aus. Danach bedenken sie, welche Worte Isaak gebrauchen könnte. Schließlich stellen sie Ergebnisse vor und sprechen über ihre Emp­findungen. Wie das mit dem Segen und Gesegnetwerden in der Kirche ist und wie sich das dort anfühlt, wissen sie nicht – aber es interessiert sie.

In der 10. Klasse wird theologisiert. Es geht um die elementare Menschheitsfrage „Was kommt nach dem Tod?“. Nach einer Weile fragt eine Schülerin die Lehrerin: „Und was glauben Sie?“ In den Weihnachtsferien stirbt überraschend ein Lehrer. Das Kriseninterventionsteam trifft sich noch in den Ferien, um zu beraten, was zu tun ist. Als es um das Gedenken und ein Trauerritual geht, schauen alle den Religionslehrer an.

Die Beispiele belegen, dass Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen sowie die Schule als Ganzes nach Religionslehrerinnen und Religionslehrern fragen, die bereit und in der Lage sind, über den christlichen Glauben und ihre persönliche Glaubenserfahrungen Auskunft zu geben. Sie sind – ob sie wollen oder nicht – Repräsentanten christlicher Religion. Die Schülerinnen und Schüler haben geradezu das Recht, Aus­kunft zu bekommen.

Dabei geht es nicht darum, die eigene Religiosität zum zentralen Inhalt des Religionsunterrichts zu machen. Doch es geht darum, dem christlichen Glauben didaktisch bedacht ein Gesicht zu geben. Fulbert Steffensky formuliert in diesem Sinne: „Unsere Kinder brauchen uns als Erwachsene, sie brauchen uns als andere. Sie brauchen uns als Menschen, die etwas vertreten, an etwas glauben und etwas wollen. Sie brauchen unser Gesicht, sonst können sie sich selber an uns nicht erkennen, nicht abarbeiten, nicht ihren eigenen Lebensentwurf am fremden probieren. Es hilft ihnen im Leben nicht weiter, wenn sie in ihren Lehrern und Lehrerinnen, in den Vätern und Müttern nur sich selbst und die eigene Hilflosigkeit wiederfinden; wenn jedes Gespräch mit ihnen zum Selbstgespräch wird. … Lehrersein heißt zeigen, was man liebt und was einem wichtig ist.“ (Steffensky, Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart 2005, 194).

Was zunächst aus der Perspektive der Beteiligten formuliert ist, kann auch aus der Perspektive der Inhalte formuliert werden. Auch für die Religionslehrerinnen und Religionslehrer gilt, was für alle Lehrenden gilt: „Man muss den Gegenstand möglichst genau kennen.“ (Friedrich Schweitzer).

Gegenstand des Religionsunterrichtes ist aber die christliche Religion in ihrem Bezug zu anderen grundlegenden Vorstellungen von dem Selbst, der Welt und einem guten Leben. Diese können von anderen Religionen kom­men, aus dem Bereich der populären Religion, auf jeden Fall sind die Lebensdeutungen der Schülerinnen und Schüler aufzunehmen. Christliche Religion geht jedoch in sinnstiftenden Deutungen und ihrer kognitiven Darstellung nicht auf. Sie zeigt sich in religiöser Praxis sowie einer persönlichen Lebensführung. Religion ist Gebet und Lied, Meditation und Andacht, Ritual und Ritus, Fest und Feier, Trost und Ermutigung, Diakonie und Seelsorge, Kritik und Orientierung. Sinnstiftende Deutungen werden in diesen Formen kommuniziert und angeeignet. Religion zeigt sich sodann im Umgang mit moralischen und existenziellen Herausforderungen der persönlichen Lebensführung und der Gesellschaft sowie in der Teilhabe an religiöser Gemeinschaft. Auf Seiten des Lehrenden setzt dies eine vertraute Kenntnis der christlichen Religion in ihren verschiedenen Gestalten voraus – ohne Frage aber auch die Kenntnis anderer Formen und Inhalte.

Diese vertraute Kenntnis ist ohne Teilhabe an einer religiösen Gemeinschaft und damit an Kirche nicht denkbar. Sie trägt deshalb auch konfessionelle Züge.

Diese Teilhabe kann und darf jedoch nicht auf eine Form festgelegt werden. Man kann ja auf ganz unterschiedliche Weise an christlicher Religion bzw. Kirche teilhaben. Alle Formen schließen jedoch die persönliche Verantwortung ein, die sich an dem abarbeitet, was die religiöse Gemeinschaft bekennt und praktiziert. Gerade an dieser persönlichen Verantwortung für das, was man sagt und tut, zeigt sich der Geist christlicher Religion.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 2/2011

PDF