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„ChatGPT ist Gott!“ – Erfahrungen und Gedanken aus Sicht eines Elternteils

von Rick-Paul Ingelhoff

Mein Sohn war in dieser Woche recht übernächtigt. Zwar war für die Semesterarbeit in der 12. Jahrgangsstufe ein Zeitraum von sechs Wochen seitens der Lehrerin eingeplant gewesen, aber die eigentliche Schreibphase hat sich bei ihm auf eine knappe Woche erstreckt. Auf meinen Hinweis, er hätte ja nicht gerade früh angefangen, sagte er nur: „Oh, ich bin noch früh dran. Viele in dem Kurs haben erst am Tag vor der Abgabe angefangen. Einfach mit ChatGPT Aufgabe eingegeben und regeln lassen. ChatGPT ist Gott!“ Er meint damit, so wie ich ihn kenne: ChatGPT ist praktisch allmächtig. Und mächtig praktisch. Immer ansprechbar – und man muss kaum auf eine Antwort warten (anders als beim Gebet). Plus: Unterrichtende können zwar zur Überprüfung eine KI über solche Texte laufen lassen, bekommen aber nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, inwiefern diese künstlich erstellt wurden, aber keine belastbaren Beweise. Eine Abwertung wegen Täuschung lässt sich so kaum durchsetzen.

Der Sohn hat uns im Gespräch auch auf ChatGPT 5 hingewiesen, welches „tausendmal stärker“ und kurz vor der Fertigstellung sei. Das wäre ein nächster Quantensprung. Ich habe nachgelesen, dass es allerdings auch viele Neuerungen enthalten oder bündeln wird, etwa kann man diverse Medien verwenden: Bilder, Filme, Texte, Musik, Sprache. Das finde auch ich faszinierend und kann mir zugleich kaum vorstellen, wohin diese Reise noch gehen wird. Zumal als Elternteil mit zwei jüngeren Brüdern des Großen, den ich natürlich für den Gebrauch seines Zitats um Erlaubnis gebeten habe.

Mein Sohn hat übrigens neben ChatGPT auch ein wenig „PapaGPT“ verwendet. Die KI durfte das Fazit seiner Arbeit vorformulieren. Und ich habe einige Kürzungsvorschläge gemacht, damit es nicht der Form halber zu starke Abzüge gibt bei seinem Thema, das meinen Sohn sehr interessiert, so dass er kaum an sich halten konnte.  Jedenfalls ist ihm klar: Der Umgang mit der KI müsste offen im Unterricht besprochen und Regeln müssten verhandelt werden. Und: Die KI kann helfen, wenn man sie kritisch und nicht unhinterfragt „regeln lässt“, sondern eher eine Arbeitsgrundlage oder These als Ergebnis bekommt, die zum Weiterarbeiten anregt. Ob er nächstes Jahr aber nicht doch noch mehr auf die Fünfte Generation der praktischen künstlichen „Gottheit“ für – faule und/oder clevere? – Schüler*innen setzen wird?

Ich bleibe mit ihm im offenen Gespräch und hoffe, die Lehrenden tun das auch, und die Schulen und letztlich das Bildungssystem machen ihre Hausaufgaben und erstellen hilfreiche Regeln, setzen sie um und bieten Unterstützung für alle Beteiligten.