Ein Tag im Kloster mit Psalm 23

von Ralf Rogge und Dirk Stelter

 

Der im Folgenden beschriebene Ablauf eines Kinder-Kirchentages für rund 650 Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren im Kloster Wülfinghausen und die Organisationsstruktur der zu Psalm 23 entwickelten Stationen verstehen sich als Ermutigung zu ähnlichen Projekten.

Nach der Begrüßung durch die Landessuperintendentin wurden die Kinder in 27 Gruppen (mit je zwei Gruppenleiterinnen) eingeteilt. Im Laufe von neun Stationen "begingen" sie den Psalm 23 und konnten auf diese Weise Station für Station erleben, dass der Glaube an Gott – auch im dunklen Tal – Geborgenheit und Sicherheit gibt. Ein Kindermusical, an dem rund 40 Kinder beteiligt waren, schloss den Tag ab.

Die Kinder waren gebeten worden, für den Tag einen kleinen Rucksack mit Proviant für das Mittagessen, einen (nicht zerbrechlichen) Becher und eine Sitzunterlage mitzubringen. Der Weg der Stationen führte sie durch Gebäude des Klosters und über das Außengelände. Die Teilnahme war kostenlos. Wegen der Planung war eine Anmeldung erforderlich.

Im Kloster-Innenhof nutzten knapp 400 Eltern die aufgestellten Tische und Bänke oder einfach auch den Rasen, um sich zu entspannen oder sich zu unterhalten. Von örtlichen Vereinen getragene Stände boten Imbiss und Getränke an. Kurzvorträge im Eltern-Café boten Informationen zu den Themen Erziehung und Kloster sowie die Möglichkeit, mit Fachleuten ins Gespräch zu kommen. Einige Eltern nutzten auch den Osterwald gleich nebenan für Spaziergänge.

 

Die Stationen zu Psalm 23

Die Kinder begannen an verschiedenen Stationen und dadurch mit verschiedenen Psalmversen. Geführt von je zwei Leiterinnen zogen die Kindergruppen von Station zu Station und verweilten an jeder einschließlich Weg etwa 20 Minuten. Zu einer Zeiteinheit waren immer drei Gruppen an einer Station. An jeder Station

  • wurde der entsprechende Vers verlesen
  • hatten die Kinder Gelegenheit, sich mit dem jeweiligen Vers inhaltlich zu beschäftigen
  • wurde die Laufkarte abgestempelt, die jedes Kind um den Hals hängen hatte und die den kompletten Psalm sowohl als Text und als auch mit einem gemalten Symbol pro Vers enthielt.

Auf den Laufkarten (M 1), die die Kinder um den Hals trugen und schließlich nach Hause nahmen, waren die Verse des Psalms in der richtigen Reihenfolge notiert.
Gegen 13 Uhr machten alle Gruppen dort, wo sie gerade waren, eine Mittagspause.

Das Begehen der Psalm-Stationen orientierte sich an den örtlichen Gegebenheiten. Deswegen wurde an zwei Stellen von der Vers-Reihenfolge des Psalms abgewichen:

  • "Du salbest mein Haupt mit Öl" wurde in die Station "er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen", die im Kreuzgang stattfand, eingefügt.
  •  Da sich die Krypta für den Vers "Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar" anbot, diese sich aber räumlich direkt an den Kreuzgang anschließt, wurde die Station zu "Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar" hinter die Kreuzgangstation vorgezogen. 

 

Vers

Ort 

Aktivität 

1. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

3 Stellen

3 parallele Angebote

auf der Wiese links vom Bach

Geschichtenerzähler/innen erzählen unter einem Pavillon in Hirten-Ambiente das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Es wird deutlich, dass Gott für die Menschen, die ihm vertrauen, so sorgt, wie sich ein Hirte um seine Schafe kümmert. 

2. Er weidet mich auf einer grünen Aue. 

 

3 Stellen

3 parallele Angebote

auf der Wiese rechts vom Bach 

In einem Trog können die Kinder in verschiedenen Arten von Schafwolle wühlen. Sie sehen einer Frau am Spinnrad zu. Unter Anleitung weben sie an einem großen Webrahmen ein Stück für eine große Decke.

Ein Gefühl von Geborgenheit kann spielerisch mit Hilfe einer Decke ausprobiert und erlebt werden.

3. und führet mich zum frischen Wasser. 

 

3 Stellen

3 parallele Angebote

Bach neben Friedhofsmauer 

Auf einer Wiese  befindet sich ein Brunnen aus Ytong-Steinen gefertigt, aus dem die Kinder mit einer Kelle Wasser in ihren Becher schöpfen und das Wasser trinken. Wasser-Schöpfen und Wasser-Trinken werden dabei besonders zelebriert. Ein Erzähler erzählt eine Geschichte zum Thema Brunnen. (Siehe M1)

4. Er erquicket meine Seele,

 

Kirche ohne Gestühl

(Betreten durch Vordereingang)

Die Kinder betreten gemeinsam die Klosterkirche und lernen ein Lied mit Tanzbewegungen, das im Kinder-Musical beim Abschluss in der Sommerscheune gesungen wird. Beim Singen und Tanzen erleben die Kinder etwas vom “Erquicken der Seele”.

5. er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

 

Du salbest mein Haupt mit Öl, und schenkst mir voll ein.

Kreuzgang

(Hinterausgang Kirche -> alter Kreuzgang -> Innenhof -> eine Seite des neuen Kreuzgangs -> Ausgang Kloster)

Schweigend treten die Kinder aus der Kirche heraus direkt in den alten Kreuzgang, schreiten dann durch den Innenhof und – je die Hälfte der Gruppe – durch eine Seite des Kreuzgangs bis zum Ausgang. Währenddessen empfangen sie von Schwestern des Klosters ein mit duftendem Salböl gezeichnetes Kreuz auf der Stirn oder auf dem Handrücken. Die Kinder erfahren Salbung als sinnliche und erfrischende Zuwendung. 

 

M 2 Die Geschichte vom Wasserkrug
Nach Leo Tolstoj

Vor langer Zeit einmal brannte die Sonne unbarmherzig auf die Erde. Die Quellen versiegten und die Brunnen trockneten aus. Die Erde wurde hart. Die Blumen verwelkten, alles Gras verdorrte. Die Bäume ließen ihre Zweige hängen und warfen die Blätter ab.

Die Tiere hatten großen Durst, viele mussten sterben. Andere suchten überall nach Wasser. Auch ein kleiner Hund suchte und suchte, konnte aber keines finden. So legte er sich müde und matt auf den Boden.

Auch den Menschen erging es nicht anders. Viele waren den ganzen Tag auf der Suche nach Wasser. Eine alte Frau wurde dabei so schwach, dass sie nicht mehr gehen konnte. Am Ende ihrer Kräfte setzte sie sich an den Wegesrand. Ein alter Mann kam mit schweren Schritten, auf einen Stock gestützt, des Weges. Er war schwach und nahe am Verdursten. Sein Mund war ausgetrocknet.
Ein kleines Mädchen sorgte sich um seine todkranke Mutter. Es wusste, sie brauchte dringend Wasser, sonst würde sie sterben. Das Mädchen stand frühmorgens auf, nahm seinen Krug und machte sich auf den Weg, um einen Brunnen zu suchen. Den ganzen Tag lang ging es unter der heißen Sonne, aber es konnte kein Wasser finden.

Müde, enttäuscht und durstig legte sich das Mädchen am Abend auf die harte Erde und schlief ein. Da hatte es einen wunderschönen Traum. Es hörte eine Quelle plätschern und sah, wie der Krug bis zum Rand mit klarem Wasser gefüllt wurde.

Als das Mädchen am Morgen aufwachte, stand neben ihm der gefüllte Krug. Voller Freude sprang es auf und dachte, jetzt kann ich endlich meinen Durst löschen. Doch da fiel ihm die kranke Mutter ein, die das Wasser doch so nötig hatte. Eilig nahm es den Wasserkrug und wollte nach Hause laufen.

Beinahe wäre das Mädchen gestolpert. Vor ihm auf dem Boden lag schwach vor Durst ein kleiner Hund. Dem Mädchen tat das Hündchen leid. Es schöpfte mit seiner Hand Wasser und gab dem Tier zu trinken. Schon fand der kleine Hund Kraft und sprang davon. Der Wasserkrug aber war nicht leerer geworden. Er war auch nicht mehr aus Ton, sondern aus Silber und schimmerte wie der Mond.
Voll Staunen eilte das Mädchen weiter. Da rief es die alte Frau und den alten Mann, die am Wege saßen, elend vor Durst. Das Mädchen sah ihre Not und gab ihnen zu trinken. Dankbar blickten sie dem Mädchen nach. Jetzt strahlte der Wasserkrug in leuchtendem Gold und war noch immer bis zum Rand voll Wasser. Vorsichtig trug das Mädchen den Krug nach Hause und rief: "Mutter, Mutter, ich habe Wasser für dich!" Es reichte zuerst der kranken Mutter ein Glas und trank dann selbst. Und siehe da, der Krug war über und über mit funkelnden Edelsteinen besetzt. Aus jedem Stein sprudelte eine Quell frischen Wassers.

Das Mädchen trug den Krug ins Freie und das Wasser lief über das dürre Land. Viele Bäche ergossen sich über die Erde, und überall, wohin sie flossen, grünte es. Die Gräser und Blumen sprossen. Die Bäume streckten ihre Äste empor. Die Tiere kamen und löschten ihren Durst. Die Menschen füllten ihre Krüge, tranken sich satt und freuten sich. Die Erde war ein wunderbarer Garten.
Dann wurde es Nacht. Alles war ruhig und still, nur das Wasser hörte man fließen. Im Schlaf träumte das Mädchen, dass die Quellen und Bäche sogar über die Erde hinaus flossen in den weiten Himmelsraum. Und es sah, wie aus jeder Quelle ein Stern emporstieg. Aus den leuchtenden Sternen entstand ein Sternbild, das den Menschen Gutes verhieß: "Die Liebe macht die Erde schön. Sie kann Vertrocknetes zum Leben erwecken.

Cristine Mahler (Textbearbeitung). Die Geschichte vom Wasserkrug. Nach Leo Tolstoj. RPA-Verlag, Landshut 1994

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2007

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