Sondervikariat an einer Berufsbildenden Schule - Emelie Tille tauscht Talar gegen Schultüte

21. Mai 2025

Dozentin Bianca Reineke im Interview mit Vikarin Emelie Tille

Wenn das Vikariat und das Zweite Theologische Examen geschafft sind, übernehmen Theolog*innen üblicherweise ihre erste Gemeindepfarrstelle, werden dort ordiniert und beginnen ihren Dienst in Seelsorge und Verkündigung.
Wer während des Vikariats in der Schulphase besonderes Interesse am Religionsunterricht entwickelt hat, kann sich für ein Sondervikariat an berufsbildenden Schulen (BBS) entscheiden.
Dieses Zusatzjahr qualifiziert gezielt für den schulischen Bereich: Das RPI bildet die Sondervikarinnen gemeinsam mit erfahrenen BBS-Pastorinnen (Mentor*innen) praktisch und theoretisch an einer berufsbildenden Schule aus.
Nach dem Sondervikariat können die neuen Schulpastor*innen sowohl im Schuldienst als auch in einer Kirchengemeinde tätig werden.
Emelie Tille hat diesen Weg gewählt und erzählt von ihren Erfahrungen.

Bianca Reineke, RPI:
Vikariat und zweites Examen sind be- und überstanden. Der klassische Schritt wäre nun der Weg in das Gemeindepfarramt. Was hat Dich dazu gebracht, ein weiteres Jahr dranzuhängen und an eine BBS zu gehen?

Emelie Tille:
Die Arbeit in der Gemeinde hat mir viel Spaß gemacht, die Zeit in der Schule während des Vikariats auch. Vor allem, weil einem in der Schule ein Milieu begegnen kann, das wir in den Gemeinden oft nicht finden. Das Sondervikariat an der BBS ermöglicht mir in erster Linie, meinen Horizont zu erweitern, über den Tellerrand zu schauen. Das ist, glaube ich – für kirchliche Arbeit egal wo – ein Gewinn.

Schnell mitten im Thema

Bianca Reineke, RPI:
Welche Erwartungen und Befürchtungen hast Du?

Emelie Tille:
Der direkte Kontakt mit den Schüler*innen macht mir viel Spaß und ist oft richtig lustig. Die Diversität an Religionen und Milieus fordert mich im besten Sinne heraus. Aber das starre Schulsystem ist für mich auch eine Herausforderung. Gestalten geht da nur in einem ganz engen Rahmen.

Bianca Reineke, RPI:
Wie unterscheidet sich Deiner Erfahrung nach die Arbeit in der Gemeinde vom Religionsunterricht?

Emelie Tille:
Im Religionsunterricht darf und will ich nicht verkündigen, da stelle ich mit den Schüler*innen Fragen und wir machen uns auf die Suche nach Antworten. In aller Offenheit. Etwas, das ich gerne in die Arbeit in der Gemeinde mitnehme. Meine Rolle ist trotzdem eine andere. Den Bildungs- oder sogar Erziehungsauftrag habe ich in der Form in Gemeinden nicht. Zweiteres zum Glück!

Bianca Reineke, RPI:
Wie stellst Du Dich Deinen Schüler*innen in der ersten Stunde vor?

Emelie Tille:
„Mein Name ist Frau Tille, ich bin für dieses Halbjahr Ihre Religionslehrerin. Eigentlich werde ich Pastorin, mache nun aber eine Weiterbildung zur Arbeit an der Schule.“
Was eine Pastorin ist, müssen wir dann meistens klären – dann ist man direkt mitten im Thema.

Bianca Reineke, RPI:
Hast Du Ideen und Herangehensweisen für Schüler*innen, die dem Thema Religion und Pfarramt kritisch gegenüberstehen?

Emelie Tille:
Mein Versuch ist es, deutlich zu machen: Religion kann ein Teil der Identität sein, der stärken kann. Das muss nicht jede*r bei sich selbst entdecken, aber die Identität der Mitmenschen ist immer zu respektieren.  

Alles Gute für die Zeit im Sondervikariat!

Interview: Bianca Reineke, Öffentlichkeitsarbeit Foto: Emelie Tille privat