Gesehen: Ein Mann namens Ove

Von Kirsten Rabe

 

Es ist neuerdings so kalt bei uns im Haus. Kannst du dir unsere Heizung mal ansehen?“ – „Nein, eine Decke tut‘s doch auch.”

Das ist typisch Ove. Wenig empathisch, ganz offensichtlich desinteressiert an den Menschen in seiner Umgebung, chronisch schlecht gelaunt und erklärter Einzelgänger. Außerdem ein Pedant, wie er im Buche steht, und in der Wohnsiedlung erklärter Wächter über alle Verbotsschilder. Die sind selbstverständlich von ihm persönlich in der Eigentümerversammlung beschlossen und eingeführt worden. Niemand wirft ungestraft einen Zigarettenstummel weg oder vergisst, sein Garagentor abzuschließen; kein Nachbar kommt ungeschoren davon, wenn er den Müll nicht korrekt trennt oder gar Spielzeugautos im Sandkasten des öffentlichen Spielplatzes liegen lässt. Die werden von Ove unter unüberhörbarem Ärger säuberlich entsandet und geordnet nebeneinander auf dem Sandkastenrand geparkt. Es verwundert daher nicht, dass Oves Begegnungen mit den Menschen in seiner Umgebung alles andere als nachbarschaftlich oder gar freundlich ablaufen.

Ein typisch skandinavischer Humor bestimmt den ganzen Film. Zugleich, und auch das kennt man aus anderen skandinavischen Filmen wie beispielsweise „Adams Äpfel“ (2005) oder „Kill Billy“ (2014), wird eine zutiefst tragische Geschichte erzählt. An dem Tag, als Ove mit 59 Jahren seinen Job verliert, erklärt er seiner Frau Sonja, deren Grab er seit ihrem Tod ein halbes Jahr zuvor täglich besucht, er werde jetzt ganz bald zu ihr kommen. Sein Leben sei ohne Sonja sinnlos. Und so versucht Ove hartnäckig, sich das Leben zu nehmen.

Das aber will ihm einfach nicht gelingen. Schuld daran sind meist die neuen Nachbarn: ein junges Paar mit zwei lebhaften Töchtern, er ein bisschen lebensuntüchtig, sie, Parvaneh, sympathisch, selbstbewusst und vor allem hochschwanger. In dem Moment, in dem Ove sich im Wohnzimmer erhängen will, fährt sein neuer Nachbar Oves Briefkasten um, ein erneuter Versuch am nächsten Tag scheitert, weil die Kinder an der Tür klingeln und Abendessen bringen. Beim nächsten Mal reißt das Seil – selbstverständlich ein triftiger Grund für Ove, sich im Baumarkt über die mangelnde Qualität zu beschweren. Als Ove hofft, in seinem Auto bei Radiomusik und durch das hereinströmende Gas leise zu entschlafen, öffnet Parvaneh panisch das Garagentor, weil ihr Mann von der Leiter gefallen ist und ins Krankenhaus muss. Allein die Töchter bemerken während der Fahrt naserümpfend, dass das Auto seltsam riecht. Und selbst der Versuch, sich vor einen Zug zu werfen, scheitert.

Oves Geschichte wird in Parallelszenen erzählt, die dann ansetzen, wenn er versucht, sich das Leben zu nehmen: der frühe Tod der Mutter; der Tod des Vaters, dessen Posten als Gleisarbeiter Ove übernimmt; der Verlust des eigenen baufälligen Hauses an die örtlichen Behörden und die Liebesgeschichte zwischen Sonja und ihm, die mit dem tragischen Unfall des Reisebusses auf dem Rückweg aus Spanien einen dunklen Schatten über die beiden wirft. Die schwangere Sonja verliert ihr Baby und sitzt fortan im Rollstuhl. Ove und Sonja kämpfen sehr lange darum, dass sie trotz des Rollstuhls eine Anstellung als Lehrerin bekommt. Während Sonja in ihrem Beruf aufblüht, bemerkt der Zuschauer bei Ove eine wachsende Verbitterung. Und die schlägt seit Sonjas Tod um in eine Müdigkeit am Leben.

Oves Geschichte nimmt eine gute Wendung. Und das liegt an seiner neuen Nachbarin Parvaneh. Sie hat keinerlei Verständnis für seine Haltung zum Leben und sein Festhalten an der Vergangenheit: „Du hast sie zu so einer Art Heiligen gemacht.“ Wie selbstverständlich fordert sie Ove ein – als Fahrlehrer und Babysitter, als Betreuer der streunenden verletzten Katze, als geschickten Handwerker und vor allem als Gesprächspartner. Selbstverständlich sitzt sie nach einem Herzanfall im Krankenhaus an seinem Bett. Unausgesprochen ist es wohl ihrer Liebe zum Leben und ihrer Freundschaft zu verdanken, dass Ove sich sogar mit seinem besten Freund Rune versöhnt und ihn davor bewahrt, staatlicherseits in ein Pflegeheim gebracht zu werden. Und schließlich findet die Wiege, die Ove ursprünglich für sein und Sonjas Baby gebaut hat, ihren Platz bei Parvaneh und dem Baby, das inzwischen auf die Welt gekommen ist.

Am Ende stirbt Ove zu Hause. Mit einem friedlichen Ausdruck im Gesicht und mit dem Leben versöhnt finden Parvaneh und ihr Mann ihn in seinem Bett vor – die einst so verhasste Katze schlafend auf seinem Oberkörper liegend.

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Ein Mann namens Ove, Spielfilm Schweden 2015, Regie: Hannes Holm.112 Minuten, FSK 12, nach der Romanvorlage von Fredrik Backmann