Abiturgottesdienst zum Thema 'Abschied und Aufbruch'

von Petra Pfaff 

 

Abiturgottesdienste sind an vielen Gymnasien, Gesamtschulen und Fachgymnasien in Niedersachsen fester Bestandteil des Schullebens. für die Schülerinnen und Schüler bietet der Gottesdienst die Möglichkeit, den für sie wichtigen Übergang in eine neuen Lebensphase feierlich mit ihren Eltern und Lehrern zu begehen und Gotte Gnade für die Zukunft zu erbitten. Der Abiturgottesdienst 'Abschiede und Aufbruch' von Christine Klein und Petra Pfaff soll den Kolleginnen und Kollegen Anregung für die Gestaltung eigener Abiturgottesdienste geben. Eine RPI-Arbeitshilfe 'Abiturgottesdienste', herausgegeben von Albert Gerling und Michael Wermke, ist im RPI erhältlich. Die Arbeitshilfe enthält neben Gottesdienstvorschlägen Hinweise für die Gottesdienstvorbereitung.

 

Vorwort:

Abiturgottesdienste sind an der Schule zur Tradition geworden.

Der Abiturgottesdienst findet in der benachbarten Kirche vor der schulischen Entlassungsfeier statt und ist fester Bestandteil des Vormittages.

Aus dem Abiturientenjahrgang wird frühzeitig ein Komitee gebildet, das zusammen mit Religionslehrerinnen der Schule den Gottesdienst vorbereitet.

Die Vorbereitung konzentriert sich überwiegend auf die Zeit zwischen mündlichem Abitur und der Entlassung.

Die Abiturienten bestimmen das Thema, sammeln dazu Ideen und schreiben die entsprechenden Texte. Die Religionslehrerinnen beraten, begleiten und übernehmen in Absprache einen Teil des Gottesdienstes. Folglich ist jeder Abiturgottesdienst einmalig. Für die Abiturientinnen und Abiturienten und ihren Familien ist der Gottesdienst der Ort, an dem persönlich und jahrgangsspezifisch ein Rückblick möglich ist, in dem aber auch Freude und Hoffnung neben Ängsten und Sorgen für die Zukunft ihren Platz haben. So gehört der Abiturgottesdienst zu den rites de passage, in denen Gottes Begleitung eine große Hilfe für alle Beteiligten ist.

Im Folgenden wird ein Abiturgottesdienst exemplarisch vorgestellt.

Abiturgottesdienst  'Abschied und Aufbruch'

1. Posaunenvorspiel

2. Begrüßung (Schülerin)

Zu unserem heutigen Gottesdienst möchte ich alle Anwesenden im Namen unseres Abi-Gottesdienst-Komitees sehr herzlich begrüßen.

Ich freue mich, dass so viele Eltern, Verwandte, Bekannte, Freunde und Lehrer erschienen sind.

Vor allem aber begrüße ich natürlich alle Abiturientinnen und Abiturienten, die nun bald von der Schule ins Leben entlassen werden.

Seit vielen Jahren kennen wir uns und haben gemeinsam einiges erlebt.

Wir haben zusammen im Unterricht gesessen und die Pausen herbeigesehnt, uns über vieles aufgeregt und beschwert.

Die Klassenfahrten haben uns besonders viel Spaß gemacht - und dort haben wir uns immer gut verstanden.

Es gab manchmal Streit, doch oft haben wir nur zusammen gelacht.

In der Oberstufe sahen wir die meisten in unseren Kursen wieder, die uns mal mehr und mal weniger Spaß gemacht haben; vor allem die Kurstreffen waren lustig.

Besonders verbunden hat uns die Zeit seit dem schriftlichen Abitur: Zuerst der Stress des Lernens, dann die Angst vor den Klausuren und schließlich die gemeinsam gefeierte Erleichterung. Dann kam das vierte Semester, in dem wir viel Spaß hatten. Am Schluss bewegte uns die mündliche Prüfung. Natürlich stieg anschließend eine gemeinsame Fete, obwohl einigen gar nicht zum Feiern zumute war.

Auch bei den restlichen Aktivitäten - und besonders bei unserem Abi-Scherz haben wir viel Zeit miteinander verbracht, so dass viele ein bisschen traurig sind, dass wir uns nicht mehr so häufig sehen werden.

Die Schule hat unser Leben für lange Zeit bestimmt und alle miteinander verbunden. Unsere Wege werden sich trennen. Mache unter uns fühlen sich so, wie die Person auf diesem Bild, das ihr auf dem Gottesdienstzettel abgebildet vor euch liegen habt. Diese Person hat schon Abschied genommen. Abschied von Schule, Eltern, Freunde, Vertrautem, und nun bricht sie zu Neuem auf. Viele Wege liegen nun auch vor uns, und unser persönlicher Weg wird durch unser zukünftiges Handeln gestaltet. Einige werden zunächst in einer Sackgasse landen, andere müssen zuerst scheinbar unüberwindbare Hindernisse bezwingen, um auf ihrem Weg zu bestehen, und manche werden sicher mehrfach ihre Richtung wechseln, bevor sie sich für die richtige entscheiden. Manche Wege sind steinig und schwer zu begehen, andere führen steil bergauf oder bergab. Viele Kurven mögen das Ziel verdecken oder ein gerader Weg darauf zuführen. Mancher läuft auf der Suche nach dem Weg zuerst im Kreis. Aber am Ende wird er ihn doch finden. Alte Verbindungen werden abreißen und manchmal von selbst zerstört werden.

Werden die neuen stabiler sein und unsere Wege sicher an ein Ziel führen? Müssen wir immer allein gehen oder werden uns andere bei unseren Entscheidungen helfen? Wird es uns wirklich gelingen, unseren Lebenstraum zu verwirklichen???

Viele Fragen drängen sich auf und beschäftigen unsere Gedanken. Doch die endgültigen Antworten lassen sich erst später finden

3. Lied: Geh aus mein Herz...

4. Meditation zu Abschied und Aufbruch
(Schülerin)

(Zur Unterstützung der Meditation wurden große Poller auf ein Bettlaken gemalt und im Altarbereich, für alle gut sichtbar aufgehängt.)

Zwei Poller im Hafen - ein Schiff fest vertäut - Sicherheit - Schutz -

doch dann irgendwann: Leinen lösen - Anker lichten - Aufbruch zu fernen Ländern - Erwartungen - Vorfreude - Unsicherheit -

auf dem Weg: ruhige See - Sturmwinde - Flaute - Orkane - Klippen - Eisberge - Angst - Herausforderungen - neue Erkenntnisse

und später: Einlaufen in einen anderen Hafen - neue Menschen - neue Ladungen - Ruhe - Geborgenheit

manchmal in schmalen Einfahrten: Untiefen und unübersichtliches Gebiet: ein Lotse, der das Gelände kennt - Hilfe - Sicherheit.

Ein Schiff, genau wie wir

  • Taue kappen zum elterlichen Hafen
  • Aufbruch in das unberechenbare Leben
  • eigene Entscheidungen, eigene Erfahrungen
  • Alleinsein, Einsamkeit
  • neue Verbindungen, neue Menschen, andere Gemeinschaften
  • eigene Entscheidungen, eigene Erfahrungen
  • Alleinsein, Einsamkeit
  • neue Verbindungen, neue Menschen, andere Gemeinschaften
  • und manchmal der Bedarf einer helfenden Hand, eines Freundes oder Gottes

5.Szenen aus dem Leben eines Abiturienten:
(Text ist in der Vorbereitungsgruppe entstanden.)

Abiturient (im Abi-T-Shirt, kommt durch den Mittelgang nach Vorne):

"Tja, auch ich bin einer von euch Abiturienten und naja (Pause), aber was nun werden soll, weiß ich auch nicht so genau! Mein Abi habe ich in der Tasche - aber jetzt läuft nicht mehr alles in den geregelten Bahnen von Schulalltag und Familie, wie in den ersten 19 Jahren meines Lebens; ich weiß wirklich nicht, was ich tun und wie ich mich entscheiden soll! Ich befinde mich in einer Art Zwickmühle."

Ich 1 Eine andere Person spiegelt nun die Gedanken eines Teiles dieses Abiturienten wider): "lch würde gern weiter zur Schule gehen, meine Freunde weiterhin treffen und sie nicht aus den Augen verlieren! So viel haben wir gemeinsam erlebt und jetzt habe ich nur noch das Abi-T-Shirt als Andenken an unsere Schulzeit. Der ganze Jahrgang hat sich darauf verewigt, der ganze Jahrgang, mit dem ich ja doch gerne noch zusammenbleiben würde."

Ich 2 (Eine weitere Person spiegelt die ganz anderen Gedanken dieses Abiturienten:

"Oh nein, das ist doch langweilig! Jetzt muss mal etwas neues kommen! Neue Umgebung und neue Aufgaben bringen auch neue Freunde mit sich und meine wahren Freunde werde ich sowieso nicht verlieren. Und so eine Gemeinschaft, wie auf dem Abi-T-Shirt, haben wir ja doch nie gebildet."

Ich 1: "Es geht nicht nur darum. Ich muss mein ganzes Leben neu organisieren, und ich weiß gar nicht, ob ich dazu in der Lage bin?!

Ich 2: Aber Veränderungen machen gerade den Reiz des Lebens aus! Ich lasse es einfach auf mich zukommen

Abiturient: "Ach ja, zukommen! Meine Eltern haben mein Leben ganz anders verplant. Ewig muss ich mir diese Meckerei anhören!"

(Dabei geht er zu seinen Eltern, die sich auf zwei Stühlen in eine Ecke des Altarraumes eingefunden haben. Vater sitzt und liest Zeitung, Mutter wischt während des gesamten Dialoges Staub.)

Mutter: "Sag mal, hast du dich jetzt eigentlich entschieden? Du musst dich doch endlich mal bewerben! Immer diese Gammelei! Ich - zu meiner Zeit - musste sofort anfangen zu arbeiten. Wir konnten uns das nicht leisten, unseren Eltern ewig auf der Tasche zu liegen. - Vati, nun sag du doch auch einmal etwas dazu!" Vater: "Also wirklich, ich finde, du setzt die falschen Prioritäten! Zunächst geht es doch um die Sicherheit im Leben. Es kann ja nicht immer alles Spaß machen!"

Abiturient: "Aber die jetzige Entscheidung bestimmt mein ganzes Leben!"

Mutter: "Man kann sich schließlich mit allem arrangieren. In diesen Zeiten darf man nicht so wählerisch sein. - Tante Erna fragt mich auch immer, was du denn nun machst. Und wie stehen wir denn vor der Verwandtschaft dar?"

(Abiturient verlässt die Szene mit seinen Eltern und geht langsam zurück zum Ausgangspunkt)

Ich 1: "blabla laber sülz - immer dieses ewige Genörgele. Ich kann es nicht mehr hören. Mein Gott, ich weiß es doch auch nicht: Können sie nicht mal aufhören, mich jeden Tag damit zu nerven?"

Ich 2: "Aber irgendwie haben sie ja alle recht. Ich muss mich doch endlich mal um etwas kümmern und mich entscheiden!"

(Kleinerer Bruder/jüngere Schwester tritt auf und kommt auf Abiturient zu.)

Bruder / Schwester: "Och, du hast es gut. Ich wäre auch gerne schon fertig! - Aber ich muss noch 4 Jahre aushalten. - Überhaupt, du hast es sowieso besser! Du darfst Auto fahren, so lange wegbleiben, wie du willst und nun bist du auch noch die Schule los und kannst selber Geld verdienen!"

Abiturient: "Stell dir das bloß nicht so einfach vor!"

Bruder / Schwester: "Ziehst du denn bald aus? Wenn ich dann nicht mehr mit dir streiten kann, kriege ich vielleicht wenigstens dein Zimmer."

Abiturient: "Naja, mal sehen"

(Bruder / Schwester geht wieder ab, der Abiturient bleibt allein zurück.)

Ich 1: "Der / Die hat gut reden; ich würde gerne mit ihm / ihr tauschen."

Ich 2: "Oder vielleicht doch nicht? Ich habe ihm / ihr gegenüber doch gewisse Vorteile. Und meine Freiheit und Unabhängigkeit möchte ich mir doch nicht wieder nehmen lassen!"

(Abiturient geht in das der Schule nahe gelegene Eiscafe und trifft dort andere Abiturienten.)

Inspektoranwärter (im Abi-T-Shirt mit Krawatte und Blazer): "Hallo! Na, was machst du denn nun? Also, ich fange am 01.08 als Inspektor-Anwärter an und freue mich schon darauf! Und mein Gehalt ist ja auch nicht schlecht. - Aber das ist ja wohl nichts für dich. Ich musste mich immerhin vor über einem Jahr bewerben und vor einem halben Jahr habe ich bereits meine Zusage erhalten."

Pessimist (im Abi-T-Shirt): "Ach was, lass sie labern. Ich weiß auch noch nichts, aber mir ist es eh egal. Ist doch auch egal, ob ich studiere oder eine Ausbildung mache oder gar nicht, hinterher bin ich so oder so arbeitslos. Abitur nützt einem heute auch nichts mehr."

Optimist (im Abi-T-Shirt): "Sei nicht immer so pessimistisch. Was soll ich denn sagen? Ich weiß auch noch nicht, was ich nach meinem sozialen Jahr mache. Aber in diesem Jahr werde ich in Ruhe meine Entscheidung treffen, und was ich mir dann vornehme, will ich auch verwirklichen. (Zum Abiturienten gewandt) Und auch du lebst doch nicht nur für Beruf und um die Wünsche deiner Eltern zu erfüllen. Leb dein Leben - du wirst das schon schaffen!"

(Alle gehen ab.)

6. Kindermutmachlied

7. So weit die Füße tragen
(Schülerin)

Eine Erzählgeschichte, ich weiß nicht vom wem. Ein alter Mann, leicht gegen den Wind gebeugt, geht am Strand entlang. Vor ihm liegt eine Unendlichkeit von Himmel, Wasser und Strand. Hinter ihm verliert sich seine Spur in der Ferne. Er hat die Einsamkeit gesucht, um sich über vieles klar zu werden, über sein Leben. Das Gefühl der Verlassenheit steigt in ihm hoch. Er schreitet kräftig aus. Nun bleibt er stehen, dreht sich um, stemmt den Rücken gegen den Wind. Es sieht seine Spur entlang zurück - bis zu diesem kleinen Punkt am Horizont, aus dem sie sich speist. Neben seiner Spur verläuft eine zweite, von Anfang an, bis zu ihm hin... Der Greis lächelt in sich hinein: "Der Christus, aus meiner Jugendzeit, neben mir?" Er schaut die ganze Spur zurück... An mehreren Stellen, sieht er, verschmelzen die beiden Spuren zu einer... "Siehst du", sagt der Mann, "wenn es hart auf hart ging, musste ich doch alleine gehen." - "Du irrst", sagt Christus zu ihm, "dort habe ich dich getragen." Geschichte von Christoph Bizer; aus: Symbole geben zu lernen (WdL 6). S. 215

Auch ich suche manchmal die Einsamkeit, um mir über vieles klar zu werden. Aber wenn ich mir meinen bisherigen Lebensweg betrachte, dann war ich nie wirklich allein: Es waren immer Freunde und Verwandte da, die mit mir oder parallel zu meinem Weg gegangen sind, die mir geholfen haben, wenn ich es nicht allein schaffen konnte, und die mich getröstet haben, wenn ich traurig war oder Angst hatte.

Und ich habe oft Angst gehabt im letzten Jahr: Angst vor dem Schulgebäude, den anderen Schülern und vor allem vor den Abiprüfungen. Manchmal war die Angst so groß, dass ich nur noch weglaufen wollte vor den vielen Menschen. Ich bekam kaum Luft, hatte feuchte, kalte Hände und war nervös und unruhig. Dann habe ich versucht, meine Angst mit übertriebener Heiterkeit zu verbergen, was mir auch oft gelungen ist; bis ich dann wirklich raus musste aus dem Gebäude und weg von den vielen Menschen. Nach und nach konnte ich den anderen von meiner Angst erzählen, und dabei habe ich gelernt, dass eigentlich jeder Mensch vor irgendetwas Angst hat. Es ist unwichtig, woher die Angst kommt. Man muss lernen, damit umzugehen und sie zu akzeptieren und nicht zu glauben, man sei albern oder verrückt, auch wenn anderen der Grund der Angst lächerlich oder einfach erscheinen mag. Es hilft nicht zu sagen, dass alles nicht so schlimm sei und dass man sich nicht anstellen solle. Man hat dann eben einfach Angst! Man muss versuchen, allein mit der Angst fertig zu werden, auch wenn es viel Mühe und Anstrengung kostet. Andere Menschen können einen dabei zwar unterstützen, aber sie können nicht wirklich helfen. Helfen kann man nur sich selbst.

Mittlerweile habe ich gelernt, mit meiner Angst umzugehen, und ich weiß jetzt, wie ich sie überwinden kann. In gewisser Weise bin ich froh darüber, dass die Schulzeit vorüber ist, denn ich möchte jetzt neue Leute kennen lernen, die nichts von meiner Angst wissen und mir deswegen anders begegnen können. Ich weiß, dass mich viele alte und neue Freunde auf meinem weiteren Lebensweg begleiten werden. Aber ich weiß auch, dass Gott mir die Kraft geben wird, mein Leben so zu leben, wie ich es möchte, und dass Jesus bei mir ist, wenn ich mich allein und einsam fühle, und dass er mich tragen wird.

8. Lied: Der Himmel geht über allen auf

9. Abschied und Aufbruch geht uns alle an

Dialogpredigt von Christine Klein und Petra Pfaff (Zur Visualisierung werden Fußabdrucke während der Predigt auf einem aufgehängten Bettlaken im Altarraum fixiert, siehe Schaubild unten.)

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten ! Eure Schulzeit ist vorbei (1. Fuß). Ihr seid inzwischen volljährig und somit längst keine Jugendlichen mehr. Gemeinsam haben wir auf eure und unsere gemeinsame Zeit zurückgeblickt. Erinnerungen sind wach geworden: gute und schlechte, lustige und schöne Augenblicke, auch bedrückende Momente aus dieser Zeit. Mit dem Abitur in der Tasche gilt es nun, aufzubrechen und auf eigenen Füßen (2. Fuß) zu stehen.

Apropos auf eigenen Füßen stehen! Ich habe kleine Füße (3. Fuß), Größe 38 oder 39. Außerdem sind sie sehr schmal, zu schmal für viele Schuhe. Sie sind so schmal, dass mir auch keine Schuhe aus dem Sonderangebot passen. Schade eigentlich, aber zu meiner Statur passen zierliche Füße besser. Andere haben große, breite Füße oder sie leben auf großem Fuß. Aber einen Trost habe ich, auch sie kommen nicht schneller oder zielstrebiger voran.

Auf eigenen Füßen stehen, ist anstrengend (4. Fuß). Auf eigenen Füßen stehen heißt, Erwachsenwerden wollen! (5. Fuß) Und das ist nicht leicht! Braucht seine Zeit. Geht nicht von jetzt auf gleich: Abitur- Erwachsen (6. Fuß).

Dazwischen liegt eine kritische Zeit, der Fachausdruck dafür ist Krise.

Klar, das ist die Zeit der großen Fragen: Will ich studieren? Will ich eine Ausbildung machen? Kann ich später in dem Beruf arbeiten? Will ich von zu Hause ausziehen? Will ich ins Ausland? Will ich , will ich , will ich Und wenn ich dann die Antworten auf diese Fragen gefunden habe, ist die Krise vorbei, und ich bin auf dem Weg, Erwachsen zu werden - oder wie?

So ungefähr! Aber jeder geht damit anders um: Manche Abiturienten sagen sich: Das ist mir zu viel! (7. Fuß) Das schaffe ich noch nicht! Am liebsten wäre es mir, es bliebe alles so wie es ist. Da weiß ich, was ich habe! Alles ist geregelt. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen und vor allem brauche ich mich auch noch nicht entscheiden.

Andere trippeln ungeduldig (8. Fuß) schon längere Zeit hin und her, warten darauf, an die Startlinie zu kommen, sehnen den Startschuss herbei, der den Aufbruch in das Erwachsensein freigibt.

Und einige gehen die Zeit nach dem Abitur behutsam (9. Fuß) an: Sie machen ein soziales Jahr, Zivildienst oder gehen zur Bundeswehr, jobben als au pair im Ausland, um sich in dieser Zeit klar zu werden, wie es konkret weitergehen kann.

Ganz gleich, welchen Weg zum Erwachsenwerden Ihr, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, wählt, Lasst die Krise nicht zur Normalsituation werden!

Was heißt eigentlich Erwachsensein?

Autofahren dürfen? Wählen dürfen? Volljährig sein? Abends so lange weg bleiben wie man will? Mit dem Freund oder der Freundin in den Urlaub fahren und keiner kann es einem verbieten? Selbst entscheiden, wo und mit wem man wohnen will?

Das ist es nicht allein! Für mich heißt Erwachsenwerden, lernen Verantwortung zu tragen.

Ach Du meinst also: Ich komme von der Abi-Fete, steige leicht angeheitert in mein Auto und die Polizei hält mich an. Klar! Ich bin erwachsen und muss die Verantwortung für mein Tun selbst übernehmen und nicht meine Eltern.

Ja, das ist auch Verantwortung. Aber wenn Du ehrlich bist, eher leichtsinnig. Wir haben doch oft in den letzten Tagen gehört: Die Entscheidung, die ich jetzt fälle, bestimmt mein ganzes Leben. Den Beruf, den ich erlerne, muss ich die nächsten 40 Jahre ausüben. Ist das nicht eine Überforderung?

Was heißt hier Überforderung?! Das haben schon unzählige Generationen vor ihnen geschafft: Da war man spätestens mit 16 mit der Schule fertig, ging in die Ausbildung, heiratete und mit 19 Jahren hatte man schon häufig das erste Kind.

Das ist heute eine Möglichkeit neben vielen. Ich zum Beispiel habe erst mein Studium abgeschlossen, mich in meinem Beruf zurechtgefunden und mit 32 Jahren mein erstes Kind bekommen. Andere wollen gar keine Familie gründen, sondern unabhängig und erfolgreich im Beruf sein. Jeder Lebensweg hat seine Berechtigung. Man darf keinen - besonders den eigenen - absolut setzen! Und was man heute alles an Berufen lernen kann! Nicht nur Inspektor-Anwärter oder Studiendirektor, sondern Sozialversicherungsfachangestellte, SOVA, klingt ganz gemütlich, einladend, Ökothrophologe, so eine Art Ernährungswissenschaftler; oder Kommunikationselektroniker, früher schlicht Elektriker genannt. Sich da entscheiden müssen? Bin ich froh, dass ich das längst hinter mir habe.

Wie war das denn bei Dir?

Ich wollte schon immer Lehrerin werden. Seit meiner eigenen Einschulung. Was mich an diesem Beruf zunächst fasziniert hat, weiß ich eigentlich nicht mehr so genau. Aber ich bin mir sicher, dass dies der richtige Weg für mich ist Ganz zielstrebig habe ich mein Abitur gemacht, habe dann in Kiel studiert, habe mein Referendariat in Hannover durchgestanden und bin schließlich hier in Laatzen als Lehrerin gelandet. Aber glaube nicht, dass das immer ein leichter Weg war. Auch hatte Angst und Zweifel, hatte aber gleichzeitig immer mein Ziel vor Augen. Das ist eben mein Naturell.

Bei mir war das nicht so. Mein Kindertraum war immer - manche werden jetzt lächeln - Balletttänzerin zu werden. Und nach dem Abi war ich ein Jahr in Amerika und habe in New York in einer Ballettschule getanzt. Doch Tanzen ist brotlose Kunst, nur die besten können davon leben. Ich bin nach Deutschland zurückgekehrt, um etwas Geistiges zu studieren. Was lag da näher als evangelische Theologie? Und heute bin ich Pastorin, unterrichte hier an der Schule und weiß, das ist meine Berufung.

Zum Erwachsenwerden gehören Angst und Zweifel, wenn nötig Entscheidungen noch einmal zu überdenken und zu verändern, aber am Ende auch der Mut, zur gefällten Entscheidung zu stehen.

Genau, und - liebe Abiturientinnen und Abiturienten - denkt daran: Ihr seid nicht allein. Zum Beispiel begleiten euch eure Eltern. Über eure Schulkarriere haben sie mitentschieden. Jetzt müssen sie lernen, eure Entscheidungen hinzunehmen: dazu gehört die Berufswahl, die Lebensplanung, der Wohnort und vieles mehr. Nicht nur ihr habt da schlaflose Nächte..... Auszug! Eine Horrorvorstellung für manche Mutter, manchen Vater. Denn das heißt: die Kinder werden flügge, sie brechen auf. Sie verändern sich. Aber sie kommen auch wieder, lassen Sie, die Eltern, an ihren Gedanken und Problemen teilhaben, brauchen Ihre Begleitung, Ihren Rat. Schön, wenn es gelingt, dass sich Eltern und Kinder zu Freunden und Partnern entwickeln.

Hier sitzen auch einige Lehrerinnen und Lehrer. Sie haben euch bis jetzt auf eurem Schulweg begleitet. Aber denkt nicht, ihr seid sie jetzt ein für alle Mal los! In so manchen Situationen werdet ihr euch an uns erinnern: an unsere Macken, an unsere Vorlieben, an unsere Stärken und unsere Schwächen. Vielleicht ist euch der eine oder die andere zum Vorbild geworden?

Vielleicht bleibt bei einigen auch eher der Wunsch: so wie der oder die will ich auf gar keinen Fall werden!

Eigentlich spielen wir Lehrer einen wichtigen Part im Leben unserer Schüler. Das sollten wir nicht unterschätzen. Wir sind nicht nur als reine Wissensvermittler, als Autoritätsperson oder Aufsicht gefragt, sondern sollten auch als Gesprächspartner und Berater zur Verfügung stehen. Unsere ganze Persönlichkeit ist da gefordert. Wen wundert es, dass manche sich da überfordert fühlen.

Und Gott wird euch begleiten. Ja Gott! Wo kommt der hier eigentlich vor?

Gewiss nicht als eine Kraft, die hemmt, die abrät, die bremst, sich ungefragt einmischt und sowieso alles besser weiß.

Gott, bestimmt als eine Kraft, die jeden von euch davon abbringen will, zu verzweifeln und aufzugeben, bevor ihr überhaupt richtig aufgebrochen seid.

Und Gott wird euch begleiten. Ja Gott! Wo kommt der hier eigentlich vor? Gewiss nicht als eine Kraft, die hemmt, die abrät, die bremst, sich ungefragt einmischt und sowieso alles besser weiß.

Gott, bestimmt als eine Kraft, die jeden von euch davon abbringen will, zu verzweifeln und aufzugeben, bevor ihr überhaupt richtig aufgebrochen seid.

Gott, als eine Kraft, die darum bemüht ist, dass nie einer allein (10. Fuß), sondern immer wenigstens zwei oder drei (11. Fuß) Abschied nehmen und den Mut haben, aufzubrechen. Gott, der Menschen zu Menschen (12. Fuß) in Beziehung setzt, damit der Abschied nicht das letzte ist, sondern der Aufbruch zu immer neuen Möglichkeiten und Anfängen. Gott, der uns schon zumutet, auch in Sackgassen (13. Fuß) zu gehen und umzukehren (14. Fuß), der uns aber am Ende nicht sinnlos im Kreis gehen lässt (15. Fuß), sondern uns nötigenfalls unbemerkt durch die schwierigen Situationen hindurch trägt (16. Fuß), damit unser Leben an sein Ziel gelangen kann.

Abschied nehmen und Aufbrechen müsst ihr selbst. Gottes Sache ist, mit aufzubrechen, Begleiter zu sein, Weggefährte.

Darum ergreift eure Lebensmöglichkeiten, brecht auf und geht ins Leben - mit Gott. Wir freuen uns darauf, euch an der einen oder anderen Weggabel oder Biegung zu treffen. Wir laden jetzt alle Abiturientinnen und Abiturienten, Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde und Lehrer symbolisch dazu ein, aufzubrechen und "ihre" Füße auf den Weg zu bringen. Kommen Sie nach vorn und hinterlassen Sie hier im Altarraum ihre Fußspuren.

Gemeinsame Aktion: Auf jedem Stuhl liegt zusätzlich zum Liederzettel ein Fußabdruck, der denen auf dem Bettlaken entspricht. Diese tragen alle Teilnehmer in den Altarraum und legen dort eine gemeinsame "Spur"..

10. Posaunenmusik

11. Fürbitten
(alle aus dem Vorbereitungskreis)

Lasst uns beten für die Abiturientinnen und Abiturienten, die ein wichtiges Ziel erreicht haben und für die nun ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Viele haben Angst vor der Zukunft und kommenden Entscheidungen. Gott, gib ihnen Mut, jetzt aufzubrechen. Gib ihnen die Kraft, ihren eigenen Weg zu gehen.

Lasst uns beten für alle Mitschülerinnen und Mitschüler, mit denen wir gemeinsam unsere Schulzeit begonnen haben, die uns aber nur ein Stück des Weges begleiten konnten.

Lasst uns beten für unsere Eltern, dass sie lernen, ihre Kinder loszulassen, aber stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte zu behalten.

Lasst uns beten für unsere Geschwister, die von den Veränderungen in unserem Leben mitbetroffen sind und sich nun mit neuen Situationen auseinandersetzen müssen.

Lasst uns beten für unsere Freunde, dass ihr Kontakt zu uns nicht abreißt und Freundschaften trotz weiter Entfernungen bestehen bleiben.

Lasst uns beten für unsere Lehrer, dass sie immer aufs neue Freude an ihrer Arbeit finden und ihr möglichstes tun, diese Freude an ihre Schüler weiterzugeben.

Amen

12. Modernes Glaubensbekenntnis (alle)

13. Segen
(Schülerin)

Gott gebe uns Freunde auf unserem Lebensweg, die zu uns stehen, ganz gleich, was kommen mag.

Gottes Segen begleite uns und sei immer da, wenn wir ihn auf unserem Lebensweg brauchen.

Gottes Segen wirke durch uns, damit wir immer da sind, wenn andere uns auf ihrem Lebensweg bedürfen.

Amen

14. Gospel "l will follow him"
(angelehnt an den Film Sister act")

15. Kollekte

 

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/1998

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