Vorstellungsgottesdienst? Ja, bitte!

von Alexandra Heimann

 

Wo liegen die Mikrofone? Was ist, wenn ich den Text vergesse?" Aufgeregte Stimmen in der Sakristei. An diesem Sonntag herrscht hier angesichts der vielen Akteure ein regelrechtes Gedränge. Schließlich ist heute Vorstellungsgottesdienst. Auf der Bühne: die Konfirmandinnen und Konfirmanden, die in einem Monat ihre Konfirmation feiern. Auf dem Programm: ein Gottesdienst. In den Bänken: einige mehr als sonst. So manche Eltern, Geschwister und Großeltern sind mitgekommen. Sie sind gespannt darauf, wie sich Anja, Nicole und Sören präsentieren werden.

Mancher kann sich noch gut daran erinnern, wie es Seinerzeit zuging, als der Prüfungsgottesdienst gegen Ende der Konfirmandenzeit anstand. Da wurde, so höre ich es in unseren Dörfern immer wieder, wenigstens noch "richtig" gelernt. Und jetzt sollen die auch noch einen ganzen Gottesdienst machen? Aber was nützt das (womöglich auswendig) Gelernte, wenn Jugendliche es mit ihrer Welt nicht zusammen bringen können?

Dabei gibt es beim Projekt "Vorstellungsgottesdienst" allerhand zu lernen, und das nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen. Der Weg dahin ist für die agierenden Pastorinnen und Pastoren in vieler Hinsicht mühsamer als früher. Gleich zu Anfang die Frage: Nehme ich eine Vorlage oder erarbeite ich den Gottesdienst mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden? Letzteres ist aufwändiger, aber für alle Beteiligten spannender und bietet, wenn es gelingt, mehr Chancen. Als Unterrichtende muss ich mir klar werden: Was will ich mit dem Vorstellungsgottesdienst? …

Zeit ist gefragt, am besten bei einer Freizeit. Nachdem das Thema für den Gottesdienst durch die Gruppe festgelegt worden ist, entstehen dort erste Ideen für kurze Szenen, Gebete, Lieder, Texte. Mich selber empfinde ich im besten Fall nur als "Hebamme", die mithilft, Anregungen gibt und ihr Know-how zur Verfügung stellt.

Bei der Frage, wer übernimmt welchen Part, habe ich gleich zwei Mädchengruppen für die Szenen; die Jungs tun sich schwerer, obwohl ihre Szene gut ist. Mit ein bisschen Motivation sind sie schließlich bereit, mitzuwirken. Nicht immer einfach, für jeden das Passende zu finden. Aber es gibt vielleicht auch Kulissen zu malen, die Beleuchtung zu dirigieren. Freiwilligkeit ist wichtiger als der Zwang, dass jeder etwas sagt.

Die Proben in den letzten Stunden vor dem Gottesdienst – alles steht auf dem Prüfstand! Wie bewege ich mich im Kirchenraum? Wie lese ich einen Text? Kann man das so sagen? Passt die gewählte Musik in den Raum? Da ist der kritische Blick der Mitkonfirmanden gefragt.

Diesmal habe ich Glück gehabt: Aus den Karaoke-Sängerinnen der Konfi-Freizeit findet sich spontan eine "Girls Group", die sich traut, die Lieder vor der Gemeinde anzusingen. Sie haben Spaß daran, sich darzustellen. Am Ende steht unser Programm. Das Gerüst bildet der agendarische Gottesdienst: Bekannte liturgische Stücke, davon manche in neuem Gewand, wechseln mit Texten und kurzen Szenen zum Thema, mit Gebeten, mit Liedern.

Was hat es gebracht? Einen kräftigen Applaus im Gottesdienst. Eine Menge Schweiß, manchen Frust, viel Spaß und einige Überraschungen. Auf alle Fälle mehr, als eine Theorieeinheit über den Gottesdienst je bringen könnte. Das Unternehmen "Vorstellungsgottesdienst" bündelt liturgische Erfahrungen der Konfirmandenzeit. Gottesdienst wird hier zugleich zu einem Ort, in dem Konfirmandinnen und Konfirmanden ihren Alltag, ihre Sprache mit ins Spiel bringen können; er wird zu einem Raum, in dem das, was sie erleben, zur Darstellung kommt, im Lichte des Glaubens gedeutet, vor Gott gebracht wird. Kreativ und vielfältig. Zur Aufführung gebracht wird Manches, was in Spannung gerät zu bekannten liturgischen Stücken. Das kann produktiv sein, weil Altbekanntes noch einmal neu in Szene gesetzt wird. Zugleich staune ich immer, dass viel Vertrautes "drin" bleibt, weil die Konfirmanden es als stimmig empfinden.

Schließlich wird durch das Projekt "Vorstellungsgottesdienst" den Konfirmandinnen und Konfirmanden ein Raum eröffnet, sich geschützt durch eine Rolle auch in Glaubensdingen zu positionieren in Nähe und Distanz zur Tradition. So stellen sie sich dar als Teil der Gemeinde mit ihren Fragen, ihren Anregungen und Ideen, ihrer Kritik. Sie bringen das im Zentrum des Gemeindelebens zur Sprache. Das kann Rückwirkungen auch auf das übrige Gemeindeleben haben, zum Beispiel wenn ein Vorstellungsgottesdienst über das Abendmahl in Korinth die Gemeinde über die Abendmahlszulassung diskutieren lässt. Wenn Gemeinde in Bewegung kommt …

Schade also eigentlich, dass der Vorstellungsgottesdienst meist als eine Art "Gesellenstück" am Ende der Konfirmandenzeit steht. Es könnte doch sein, dass Jugendliche danach Gottesdienst noch viel bewusster als sonst erleben. Nicht als etwas, was man lediglich als Pflicht ableistet, sondern als ein Geschehen, das sich auch den jungen Menschen ansatzweise als sinnhaft erschließt. Was vielleicht anreizt, wieder zu kommen und dort etwas für das eigene Leben zu erwarten. Deshalb sollte man öfter, zum Beispiel schon zur Halbzeit der Konfirmandenzeit, Gottesdienste dieser Art ausprobieren. Also Vorstellungsgottesdienst – ja bitte – und gerne öfter!

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2006

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