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Zeitzeugin: Schulkinder nicht mit NS-Zeit überbürden

Nachricht Loccum, 28. Februar 2020

Loccum (epd). Die Zeitzeugin und Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil plädiert dafür, Schulkinder mit der NS-Geschichte nicht zu überbürden. „Wir sind ineiner neuen Phase der Erinnerungsarbeit“, sagte die emeritierte Professorin der Universität Bremen dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag am Rande einer Tagung in Loccum bei Nienburg. Es gehe nicht mehr allein um die deutsche Schuldfrage, sondern um die globale Aufgabe, auch künftig mit Flucht und Migration umzugehen. „Geschichte lebt in uns und in jedem Kind. Was es davon erfährt, hängt von denen ab, die schon da sind und erzählen, dass nichts bei Null beginnt“, so Keil. 

Die 81-Jährige war zu einer gemeinsamen Tagung des Religionspädagogischen Instituts Loccum (RPI) und des Museums Friedland eingeladen, bei der es um Pädagogische Perspektiven auf die Themen Flucht und Migration“ ging. In dem 2016 eröffneten Museum, das die Geschichte des benachbarten Grenzdurchgangslagers Friedland dokumentiert, ist auch ein selbstgenähtes Püppchen ausgestellt, das Keil als Geschenk auf der Flucht erhalten hatte. Über solche Alltagsgegenstände bietet das Museum Anknüpfungspunkte zu heutigen Fluchtgeschichten. 

Keil war an ihrem 6. Geburtstag von ihrer Mutter aus einem polnischen Kinderheim mit auf die Flucht genommen worden. Beide verbrachten zwei Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, bevor sie Ende 1947 in Friedland ankamen. „Hier habe ich zum ersten Mal das Gefühl von Sicherheit erfahren“, sagte Keil. Als ihnen eine Wohnung in Bad Oeynhausen zugewiesen wird, sieht sich das „Polakenmädchen“ mit Ausgrenzung und Beschimpfungen konfrontiert. Einen Ausweg findet Keil im Sport: „Als Unterschichtenkind beim Dreikampf und Fechten auf dem Podest zu stehen - das hat mich unheimlich gestärkt.“

(epd)