Schnitzeljagd mit Smartphone
In der Kirche erklingt die Orgel, doch auf der Orgelbank sitzt kein Organist. Man hört leise Erklärungen über den Altar, die Deckenbemalung oder den Taufstein, dabei findet gerade gar keine Kirchenführung statt. Überall im Kirchenraum stehen Menschen mit ihren Smartphones und lauschen. Andere sitzen einfach still da oder zünden eine Kerze an, ganz ohne Technik. Dazwischen wuseln jüngere Kirchenbesucher*innen herum, auch sie mit einem Handy in der Hand. Sie zählen die Stufen zur Kanzel oder die Glasfenster im Chorraum, sie suchen nach Informationen zu den Öffnungszeiten oder machen ein Foto von ihrem Lieblingsort in der Kirche. Mit all diesen Angaben füttern sie ihr Smartphone, denn sie sind gerade bei einer digitalen Schnitzeljagd unterwegs, Siegerehrung am Ende inklusive.
In der Landeskirche Hannovers gibt es rund 400 offene Kirchen, die Menschen auch außerhalb der Gottesdienstzeiten besuchen können; immer mehr von ihnen halten ein digitales Angebot für die Besucher*innen bereit. Wie sich Kirchen digital aufstellen können, war Thema beim Treffpunkt Kirchenpädagogik des Religionspädagogischen Instituts Loccum (RPI) am vergangenen Wochenende; eingeladen waren Kirchenpadägog*innen aus der ganzen Landeskirche. „Uns ging es um Überlegungen: Wie passen Kirchenraumpädagogik und Digitalisierung zusammen?“, sagt RPI-Dozent Matthias Hülsmann, Leiter der Tagung. „Und welche neuen Chancen ergeben sich aus der Digitalisierung für dieses Arbeitsfeld?“
Als Expertin war Pastorin Antje Wachtmann vom Haus kirchlicher Dienste zu Gast; sie ist Referentin für Kirche im Tourismus. „Kirchen sind in Stein gehauene Geschichte von Menschen mit Gott“, erklärt Wachtmann. „Kirchenraumpädagogik ist dazu da, diese Geschichte lebendig werden zu lassen.“ Digitale Zugänge könnten dabei nur eine Ergänzung bisheriger Angebote sein und sie keinesfalls ersetzen. „Kirchenbesuche sind eine leibliche Erfahrung“, betont Wachtmann. „Kirchen kann man hören, anfassen, riechen; sie haben einen ganz speziellen Kirchenduft, im schlimmsten Fall den nach schimmelnder Orgel. Dieses Gefühl, jetzt bin ich in einem durchbeteten Raum, das kann man nicht einfach digital nachbauen.“
Dennoch habe die Coronapandemie gezeigt: Digitale Angebote können verschlossene Räume öffnen. Über viele Wochen waren Kirchen nur digital zugänglich, und bis heute kann man so Räume virtuell öffnen, die oft nicht zu betreten sind – „das Innere der Orgel zum Beispiel oder den obersten Teil des Glockenturms“.
Wachtmann hat viele Beispiele dafür mitgebracht, wie das gehen kann. So könne man kleine Filme über das eigene Kirchengebäude ins Netz stellen oder in der Kirche selbst mit einem QR-Code eine digital abrufbare Kirchenführung anbieten. Und die Kirchengemeinde Idensen hat sogar Bluetooth-Spots in der Kirche installiert, die dem Smartphone-Besitzer passgenaue Informationen zu den Gegenständen bietet, in deren Nähe er sich gerade befindet. „So was wie ein digitaler Audioguide!“, freut sich ein Tagungsteilnehmer.
„Natürlich gibt es auch Nachteile“, räumt Wachtmann ein. „Technik ist teuer. Und sie macht auch ein bisschen einsam. Einem digitalen Kirchenführer kann ich keine Fragen stellen.“ Und schließlich sei der Besucher oft nur passiv beteiligt. Doch es gibt auch interaktive Apps für Kirchen. „Legen Sie einen Geocache an die Kirchenmauer. Und plötzlich finden die Leute Ihre Kirche“, rät Wachtmann. Andere entwickelten kleine digitale Schnitzeljagden oder gestalteten digitale Wege in und um die Kirche.
„Man muss das ja nicht alles auf einmal machen!“, so Wachtmann. „Sondern es geht darum, das richtige Angebot für den richtigen Raum, die richtige Gemeinde, die richtige Zeit und die richtigen Menschen zu finden.“
Text: Michaela Veit-Engelmann