RPI-Tagung zu biblischen Erfahrungen über den Geruchssinn
Wie duftet Weihnachten? Wie Ostern, wie Pfingsten? Und wie können Düfte in einem Kirchenraum Assoziationen zu biblischen Geschichten wecken? Zur Tagung „Duftwelten“ hat das RPI Lehrkräfte eingeladen, um sich mit ihnen genau diesen Fragen zu widmen.
Christopher Pilz trägt einen weißen Kasten in die Kapelle der Tagungsstätte Loccum und stellt ihn verborgen hinter der letzten Stuhlreihe auf. Ein Druck auf ein Knöpfchen und Minuten später ist der Kirchenraum von einem neuen Duft erfüllt. „Vanillin“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung der Ruhr-Universität Bochum (ZAP). Vanillin ist der vorherrschende Duft, der nun durch den Raum schwebt. „Ein Weihnachtsduft“, fügt Pilz hinzu und erklärt, dass Vanillin beispielsweise in Muttermilch enthalten ist. Weswegen Babys immer als wohlriechend empfunden würden.
Empfindung ist das allumfassende Stichwort in seinem olfaktorischen Projekt. „Düfte sind das einzige Medium, das rein emotional wirkt“, sagt Dr. Simone Liedtke. Die Dozentin für Medienpädagogik am RPI hat die Tagung gemeinsam mit Pilz vorbereitet und schwärmt von den Eindrücken, die sie in ersten Selbstversuchen gewonnen hat.
Mit vier Düften habe sie sich zurückgezogen, habe sie auf sich wirken lassen und erstaunt festgestellt, was ihr dadurch alles in den Sinn gekommen sei. Durch die Düfte von Ostern, Pfingsten, Weihnachten und dem einen Duft für alle übrigen Zeiten des Kirchenjahres. „Biblische Geschichten sind plötzlich lebendig geworden“, erzählt sie.
Dass es nicht nur ihr allein so ergeht, wissen sie und Pilz nach dem ersten Tagungstag eindeutig. „Sobald wir einen neuen Duft freigesetzt hatten, sprudelten die Geschichten und jeder hatte etwas beizutragen“, erzählt Liedtke. So lebendige Gespräche über Ostern und Pfingsten, in denen sich persönliche Erfahrungen mit Erzählungen aus der Bibel mischen, habe sie kaum jemals erlebt. Ihre Hoffnungen haben sich damit erfüllt: Durch den emotionalen Einfluss der Düfte einen Prozess in Gang bringen, der sowohl theologisch als auch didaktisch genutzt werden kann.
Die Idee, sagt Pilz, sei durch eine Aktion im Kölner Dom entstanden. Begleitend zur GamesCom 2016, um Kirche für die Computerspiel-Fans erlebbar zu machen und mit dem Titel „der leuchtende, klingende, duftende Dom“. Erstmals wurde ein spezieller Duft in einer Kirche freigesetzt – und das kam gut an.
„Diesen Gedanken haben wir aufgegriffen und gemeinsam mit einem Unternehmen, das auf Duft-Marketing spezialisiert ist, Düfte für das Kirchenjahr entwickelt“, berichtet der ZAP-Mitarbeiter. Das Ziel des Projekts: Kirchengemeinden, aber auch Schulen und anderen Institutionen, die vier entwickelten Düfte nahezubringen. Um den einzigen Sinn, der selbst im Schlaf immer aktiv ist, der unmittelbar wirkt und von dem er meint, dass er viel zu wenig be- und geachtet werde, zu aktivieren. Für erstaunliche Erlebnisse mit biblischen Geschichten.
2022 sollen die Düfte verfügbar sein. Die Tagungsteilnehmer im RPI waren die ersten, die sich derart intensiv mit dieser neuen Form der Glaubenssprache auseinandersetzen durften. Einfach nur zum Genießen mit allen Sinnen gab es zum Abschluss des ersten Tages die Andacht, zu der Christopher Pilz Weihnachtsduft in der Kapelle freisetzte und bei der sich zu den Duftnoten die Noten des Posaunenchors der Evangelischen Studierendengemeinde Hannover gesellten.
Beate Ney-Janßen