Mitte März 2020 begann der erste Lockdown. Das hatte und hat immense Auswirkungen auch auf die Arbeit des Religionspädagogischen Instituts Loccum. Im Interview erinnert sich Rektorin PD Dr. Silke Leonhard an ein außergewöhnliches Jahr.
Zwölf Monate Corona-Pandemie – welche Veränderung in der Arbeit des RPI ist aus Ihrer Sicht die gravierendste?
Vor einem Jahr war Passionszeit wie jetzt – überhaupt hat diese Zeit viel von Passion! Im RPI haben wir das an zwei Elementen gespürt. So hieß und heißt zum einen die Form des Kontakts: Distanz und Entzogenheit. Zum anderen fordert die Pandemie zu so was wie organisatorischem Umgang mit Unverfügbarkeit heraus. Im Laufe des letzten Jahres haben sich unsere Formate erweitert, zunächst notgedrungen, dann aber auch mit Neugier und Freude.
Corona bedeutet seit dem letzten März aber immer wieder ganz praktisch: häufiges Umplanen und viel Digitales lernen, von dem vorher eher Ahnungen da waren. Doch wir haben es gelernt und sind inzwischen firm in ZOOM, in vielen Tools und auch in hybriden Formaten oder Blended Learning. Das geben wir es jetzt zum Anverwandeln weiter. Anverwandeln sage ich, weil jede*r gucken muss, wo die eigenen Neigungen und Abneigungen in Sachen digitales Arbeiten liegen und was davon wann für wen stimmig ist.
Denn wir merken auch: Die Digitalität macht etwas mit Religion! Die lässt sich nämlich nicht einfach und schon gar nicht automatisch in einen virtuellen Zusammenhang pressen, wenn auch ihre praktische Seite wahrnehmbar bleiben soll. Es braucht wahre Anstrengungen, wenn in so einer Form von gelehrter Religion auch noch gelebte Religion zutage treten soll.
Manche Tagungen können Sie digital anbieten. Wo stoßen solche Formate an ihre Grenzen?
Teilnehmende spiegeln uns – zum Glück! – ganz oft beides: Toll, dass wir uns digital treffen und inhaltlich austauschen; aber wie schade, dass wir kein Loccumer Flair bei Hora, Spaziergang, Wein und so weiter genießen. Die ZOOM-Treffen ersetzen keine Begegnung, keine informellen Gespräche oder eine Tagungsarbeit, bei der alle Sinne, gemeinsame leibliche Stärkung und Loccumer Spiritualität dazugehören – wir sind froh, dass die Sehnsucht danach geblieben ist.
Insgesamt hoffen wir deshalb wieder auf die Möglichkeit präsentischer Begegnung – auch durch Antigentests. Wir haben es uns selbst zur Aufgabe gemacht, unsere Kurse in einem ausgewogenen Verhältnis von Anforderung und Regeneration zu gestalten. Die Geschichte, die Atmosphäre und die Besonderheiten in Loccum und unseres Hauses unterstützen diese Anliegen und dazu gehört auch die Möglichkeit, spirituelle Angebote wahrzunehmen. Das ist digital in dieser Weise nicht umsetzbar. Daher sind wir als RPI inhaltlich, organisatorisch und auch finanziell auf den Erhalt unseres Standortes auf dem Loccumer Campus angewiesen.
Von welchen Erfahrungen können Sie auch nach einem Ende der Pandemie noch profitieren?
Zu den guten Erfahrungen gehört: Religion, die in Schule nicht immer selbstverständlich geachtet ist, wird von Lehrkräften auch in seelsorgerlichem Zusammenhang wertgeschätzt und zugleich in manchen digitalen Formen ganz anders sichtbar. Die Konfi-Arbeit und auch die Fortbildungsarbeit mit pädagogischen Fachkräften haben neue Seiten hinzugewonnen. Und: Das Vertrauen in die Prozessorientierung bleibt oder ist vielleicht sogar gewachsen. Ich denke, wir sind bei allem noch flexibler geworden. Froh bin ich, dass bei aller Erweiterung digitaler Kompetenz Loccum eben ein Resonanzort ist – mit der Sehnsucht nach Menschen, die den Campus wieder mit Leben füllen.
Die Fragen stellte Dr. Michaela Veit-Engelmann, am RPI zuständig für Öffentlichkeitsarbeit.