rez_bild_oben

Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Rezension

Dominik Helbling, Ulrich Riegel (Hg.)
Wirksamer Religions(kunde)unterricht
Reihe Unterrichtsqualität: Perspektiven von Expertinnen und Experten, Band 15
Schneider Verlag Hohengehren
Baltmannsweiler 2021
ISBN 978-3-8340-2059-8
214 Seiten, 19,80 €

 

Wie bewertet man die Wirksamkeit von Unterricht? Dieser Frage geht eine bisher 18 Bände umfassende und von Volker Reinhardt, Markus Behm und Markus Wilhelm herausgegebene Reihe nach, die sich der Unterrichtsqualität widmet. Band 15 nimmt den Religions(kunde)unterricht und seine fachspezifische Didaktik in den Blick und fragt nach den „Bedingungen“ dieser „Wirksamkeit“ (204).

Es wurden 18 Expert*innen für Religionsunterricht aus Schulen, Hochschulen oder pädagogischen Instituten befragt, dazu wurden ihnen jeweils acht identische Fragen vorgelegt. Die ausführlichen Antworten bilden den Kern dieses Buches, das daneben zwei einführende und ein auswertendes Kapitel umfasst. Gewisse Redundanzen gerade in den Interviews lassen sich dabei nicht vermeiden.

Fast noch lohnender als die Schilderung dessen, was wirksamer Religionsunterricht sein kann, ist der Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einem konfessionell gebundenen Religionsunterricht, wie er in vielen deutschen Bundesländern erteilt wird, und einem weltanschaulich neutralen Religionskundeunterricht, wie er sich in verschiedenen Ausprägungen in den unterschiedlichen Kantonen der Deutschschweiz oder auch in einigen deutschen Bundesländern findet.

Die beiden Herausgeber, Dominik Helbling und Ulrich Riegel, sagen selbst, dass es für sie von besonderem Interesse sei, „ob sich die Vorstellungen von wirksamem Unterricht in den unterschiedlichen Spielarten unterscheiden?“ (25) Dass die Interviewpartner*innen allerdings auf diese Differenz hin nicht befragt wurden, macht es meines Erachtens problematisch, aus ihren Antworten Erkenntnisse dazu gewinnen zu wollen. Gelegentlich wirkt die abschließende Zusammenschau deshalb etwas beckmesserisch, vereindeutlicht sie doch Zuschreibungen, die so eindeutig eben nicht sind.

Die Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Religionsunterricht, die sich aus der Lektüre der Interviews gewinnen lassen, überraschen nicht: Unterricht ist dann wirksam, wenn die Aufgabenstellungen Lebensweltbezug haben, wenn außerschulische Lernorte Religion konkret erfahrbar machen und wenn im Unterricht ein Perspektivwechsel stattfindet – sei er nun performativ angehaucht oder nicht. Vertreter*innen beider Gestalten von Religionsunterricht betonen, dass persönliche Erfahrungen der Schüler*innen Gegenstand des Unterrichts sein müssten. So schreibt Andreas Allemann, Lehrer und Universitätsdozent in Luzern: Ein Religionskundeunterricht „wird – konzeptionell gesprochen – nicht bei einem „bloß” religionskundlichen Ansatz (`teaching about´) stehen bleiben wollen, sondern – in der Manier des vor allem in der englischsprachigen Religionsdidaktik bekannten „learning from religion” – Religion als potenzielles Sinn- und Deutungsangebot verstehen und nach möglichen Gedankenanstößen für einen selbst abtasten wollen.“ (37)

Die gewichtigsten Differenzen scheinen noch in Bezug auf die Rolle der Lehrkraft zu bestehen. Im konfessionellen Religionsunterricht ist sie selbst notwendig konfessionell gebunden und dient so nicht nur als Beispiel für religiöses Leben in der Gegenwart, sondern kann auch die Logik von Konfessionalität von innen heraus zur Sprache bringen. Im Religionskundeunterricht hingegen gilt das Diktum der Neutralität. Damit allerdings, so sagen es dessen Vertreter*innen, ist gerade nicht gemeint, dass Lehrkräfte „ihre religiöse Prägung verschleiern müssen“, sondern es geht vielmehr um eine „reflektiertes Verhältnis zu sich selbst“ (so Bernhard, 40.38).

Dann aber rücken beide Fächer doch wieder enger zusammen. Denn auch für konfessionell gebundene Lehrkräfte gilt, dass sie eine „professionelle Distanz zu den eigenen Überzeugungen“ (Lindner, 181) haben müssen; auch in diesem Unterricht greift das Überwältigungsverbot. Wer etwas anderes unterstellt, der kolportiert nur Vorurteile – leider auch in diesem Band (82: Wenn eine Lehrkraft eine Präferenz für eine Religion an den Tag lege, würde sie die Lernenden damit „bedrängen“.). Auch im konfessionellen Religionsunterricht ist die Antwort der Lehrkraft auf Sinnfragen jedoch nur eine „von vielen möglichen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ (31). Leider bleibt ebenso offen, was die Positionalität der Lehrkräfte prinzipiell für das Unterrichtsgeschehen bedeuten kann.

Es sei dahingestellt, ob das folgende Urteil der Herausgeber über die unterrichtliche Praxis wirklich zutrifft: „Während im konfessionellen Religionsunterricht existenzielle Fragen aus dem Leben der Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle spielen, sind es im religionskundlichen Unterricht die über Personen, Spuren, Debatten und Gemeinschaften sichtbare Religion in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler.“ (208)

Leider wurden die Interviewpartner*innen nicht explizit danach befragt, welches Ziel sie mit ihrem Religionsunterricht verbinden; dies wäre gerade im direkten Vergleich nochmal spannend gewesen. So kann es nur zwischen den Zeilen herausgelesen werden.

Abschließend kann man nur mit Friedrich Schweitzer konstatieren: Offensichtlich ist nicht ein Modell von Religionsunterricht besser als das andere (199), sondern wirksam sind sie beide dann, wenn die Unterrichtsgestaltung gelingt. Dass in Bezug darauf, so die Herausgeber, „das Potenzial unterrichtlicher Interaktionen noch nicht hinreichend erschlossen ist“ (213), eröffnet den Horizont für weitere fachdidaktische Untersuchungen. Eine Fortsetzung des Gesprächs zwischen Religionskunde und konfessionellem Religionsunterricht verspricht in der Tat noch viel Spannendes.

Michaela Veit-Engelmann