rez_bild_oben

Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Rezension

Bärbel Husmann, Bernd Abesser:
Religiöse Feiern in der Schule.
Theorie und Praxis für religiös heterogene Situationen,
Klett & Kallmeyer Hannover 2021,
ISBN 978-3-7727-1544-0,
96 Seiten, 20,95 €

 

Worauf gilt es zu achten, wenn es darum geht, in der Schule religiöse Feiern für alle zu begehen? Unter dieser Leitfrage haben Bärbel Husmann und Bernd Abesser in einem Schulbuchverlag einen Band verfasst, welcher der Vorbereitung von religiösen Feiern in der Schule Rahmen, Struktur und praktische Ideen geben soll. Drei für ein solches Vorhaben lohnenswerte Ausgangspunkte werden deutlich. Zum einen gilt hier wie in sonstigen Ansätzen zur Gestaltung von religionssensibler Schulkultur die Schule nicht nur als Lernort, sondern als Lebensraum für alle (vgl. 8). Damit wird nicht nur der zeitlichen Ausdehnung von Schule zum Ganztag Rechnung getragen, sondern zugleich wird Schule religionspädagogisch bedacht als Ort für Identitäts- und Gemeinschaftsbildung. Dies geschieht durch das Aufgreifen von Übergängen in Leben und Schule, Konflikt- und Katastrophenlagen sowie anderen Lebenssituationen, denen es aufgetragen ist, schulisch Raum, Zeit und Gelegenheit zur Begehung und Gestaltung zu geben. Zum zweiten ist die Heterogenität an Schulen vor allem hinsichtlich der religiösen und oftmals auch kulturellen Diversität von Schüler*innen im Blick, was insbesondere an den meisten vor allem nicht gymnasialen Schulformen der Fall sein dürfte. Wenn weder Religionsnähe noch Zugehörigkeit zu bestimmten Religionen oder Konfessionen das Kriterium für Schulfeiern sind und dennoch Religion im Zentrum der Begleitung stehen soll, ist „religiöse Feier für alle“ schulpädagogisch entsprechend im Blick auf die Schüler*innen inklusiv gedacht. Es geht also um eine deutliche Perspektivenweitung: Der Band greift explizit diejenige von der Liturgischen Konferenz benannte Möglichkeit gemeinsamen Feierns auf, die anders als die weiteren Typen des konfessionellen Schulgottesdienstes, der Gottesdienste in Gastfreundschaft oder multi- sowie interreligiösen Feiern bisher am wenigsten bedacht wurde, in dem in den letzten Jahren aber zugleich etliche Anklänge aus Segensfeiern etc. laut wurden.

Der dritte Ansatzpunkt für das Buch liegt in der Frage der Skepsis oder Akzeptanz von religiösen Schulfeiern aus diesen Anlässen, die nicht zuletzt durch die Haltungen von Schulleitungen geprägt werden. So arbeitet der Band mit den konkreten Chancen, Schulfeiern als religiöse zu gestalten, eben entsprechende Hürden aktiv anzugehen. Insofern begreift sich die Arbeitshilfe im Kontext sogenannter riskanter Liturgien (10), welche die optionale Anerkennung von Religion als ein wenig oder nicht bespieltes Terrain voraussetzen. Das Autor*innenpaar, das seine innerevangelische und berufliche Mehrperspektivität transparent macht, legt als Konsequenz die Verantwortung für die Feiern komplett in die Hand der Schulen, nicht der Kirchen und Religionsgemeinschaften (vgl. 9).

Entsprechend der Sensibilität für diese Situation gestaltet sich der Aufriss. Zu Beginn finden sich „Klärungen im Vorfeld“ (11), welche die Perspektive der Vorbereitenden kriteriologisch mit Möglichkeiten und Hürden einrechnen. Lesbar ist dieser Part auch als dankbare Checkliste. Das Hauptkapitel „Handwerkszeug mit Beispielen“ (24) bietet auf gut 40 Seiten Elemente rituellen, liturgischen Handelns aus der pädagogischen Perspektive: Ohne komplett auf liturgische Fachanklänge zu verzichten, werden die Formelemente in didaktischer Sprache als Elemente einer Feierdramaturgie aufgegriffen, was auch angehenden Lehrkräften bzw. Schulleitungen und solchen, die sich neu in der Gestaltung der Feierkultur einfinden, niedrigschwelliges Zugreifen ermöglicht. Eine Fülle von kommentiertem Material lädt auch zum Blättern für Praxishungrige ein.

Der Band schließt mit dem Kapitel „Ausgearbeitete ,Religiöse Feiern für alle‘“ (68), welches exemplarische Partituren von kompletten Feiern zeigt, um schlichtweg umgesetzt oder zur Anregung für das eigene Planen und Gestalten genutzt zu werden.

Hohe Praxistauglichkeit zeigt sich auch an der Stelle der Zugriffsformate; das Download-Material hilft auf knapp 80 Seiten mit konkreten Materialien. Die Internetmaterialien folgen dem Aufriss des Buches und liefern lyrische und narrative Texte, Lieder ebenso wie auf den schulischen Sitz im Leben zugeschnittene Ansprachen und Reden, z.T. Druckvorlagen aus dem Buch. In dem Material spiegelt sich vor allem eine thematische Zugänglichkeit für die Feiern im Raum Schule. Spielszenen eröffnen Raum für Aufführung oder Umgestaltung. Zu den bemerkenswerten Fundstücken gehört auch ein politisches Mittagsgebet als schulisch geformte Neuauflage des einstigen von Dorothee Sölle und Fulbert Steffensky geprägten Kölner politischen Nachgebets, das der sorgsamen Verzahnung von politischem Handeln und religiöser Begehung eine Gestalt gibt.

Der Band ermuntert zum Durchlesen ebenso wie zu situativen Recherchen nach Kriterien, Themen oder Anlässen. Handfeste Tipps für das Aufbrechen von Fremdheit und Praxiszugänge erfolgen nicht ohne die sensible Achtsamkeit für den Schutz vor Überwältigung und das Gespür für Andersheit. Entscheidend ist der wachgerüttelte Perspektivenwechsel auf Erfahrungen mit Feiern, welche Religionsferne nicht verteufeln, sondern aufnehmen und zu kreativem Suchen ermutigen. Gelungen ist die Fokussierung der Chance, religiöse Feiern für alle als begehbare Unterbrechung auch in weniger religionsfreundlichen Schulen zu initiieren. Es hängt an den Beziehungen zu Menschen der Kirchen und Religionsgemeinschaften rund um die konkrete Schule, inwiefern Kirche und Moschee einen Resonanzraum für eine schulische religiöse Feier bedeuten. Dieser Perspektivenwechsel lädt in der Tat zum Um- und Weiterdenken ein – vor allem für liturgische Profis in Kirche und Religionsgemeinschaften.

Silke Leonhard