Anderen Religionen mit Respekt und Neugierde begegnen – Über die dritten interreligiösen Studientage in Goslar

Von Hakkı Arslan, Jörg Ballnus, Theresa Beilschmidt, Ann-Kristin Beinlich, Simone Schardt, Michael Schober

 

Bereits zum dritten Mal in Folge fanden die interreligiösen Studientage statt, jetzt vom 15. bis zum 17. Oktober 2019 im Tagungshaus St. Jakobus in Goslar. Beteiligt sind daran die Institute für Katholische und Evangelische Theologie der Universität Hildesheim sowie das Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Zusätzlich sind das Bistum Hildesheim sowie das Tagungshaus St. Jakobus Ko-Organisatoren. Eingebettet in eine reguläre Lehrveranstaltung der beteiligten Institute bietet diese Blockveranstaltung, die jeweils von einem Vorbereitungsseminar begleitet wird, Möglichkeiten interreligiöser Begegnung für Studierende des Lehramts sowie weiterer theologiebezogener Studiengänge. Zentral steht für die interreligiösen Studientage die koranische Aussage (49/13) im Mittelpunkt, die muslimische Gläubige dazu anhält, anderen Religionen mit Respekt und Neugierde zu begegnen. So war zunächst das Kennenlernen ein wichtiger Auftakt des insgesamt dreitägigen Programms. Eine bunte Gruppe aus insgesamt 14 Teilnehmenden lernte sich so Schritt für Schritt kennen.

Die Zielsetzung der interreligiösen Studientage besteht grundsätzlich darin, angehende Lehrkräfte für den katholischen, evangelischen oder islamischen Religionsunterricht mit der jeweils anderen Religion in Grundzügen so weit vertraut zu machen, dass sich die Unterrichtsplanung im Rahmen des interreligiösen Lernens aus der eigenen erlebten Begegnung mit der anderen Religion speisen kann. Nur dadurch kann es zu einer sachgerechten Darstellung im eigenen Religionsunterricht kommen. Ebenso sollte eine kritische Hinterfragung des Erlebten vor dem Hintergrund der eigenen Religiosität angebahnt werden. Außerdem kann und soll der Funke der Begegnung als Motivation für das eigene spätere Planen von Unterricht auch überspringen, denn alles andere verbleibt doch „nur“ bei einer religionskundlichen distanzierten Betrachtungsweise. Zudem sollen die interreligiösen Studientage dabei helfen, den fachwissenschaftlichen Blick auf die eigene religiöse Tradierung aufzubrechen und somit den Blick über den eigenen Horizont hinaus zu ermöglichen. Schließlich können sie auch dabei helfen, Ängste vor der Begegnung zu nehmen oder überzogene Erwartungen realistisch zu betrachten. Denn bei aller Gemeinsamkeit bleibt doch auch viel Trennendes.

Thematisch verteilte sich das Programm auf die drei fachwissenschaftlichen Hauptgegenstände Gebet, Heilige Schriften und sakrale Räume. Immer wieder wurde das Programm durch Arbeits- und Plenumsphasen aufgelockert, was den fachlichen Austausch unter den Studierenden wesentlich förderte. Ergänzt wurde das Programm durch eine Präsentation von muslimischen Studierenden über Themen mit interreligiösen Bezügen. Im Abschluss ging es dann darum, die Grenzen der jeweils eigenen Religion noch einmal zu überschreiten. Als jüdische Teilnehmerin und Referentin war die Studierende Helene Braun vom Abraham Geiger Kolleg aus Potsdam/Berlin am letzten Tag zu Gast.

Der erste Tag sollte ganz im Rahmen gelebter religiöser Praxis am Beispiel des Gebets unterschiedliche Zugänge zum Dialog mit Gott aufgreifen. Hierzu machten sich die Teilnehmenden mit Form, Funktion und Umsetzung dieses Gegenstands in Christentum und Islam vertraut. Wichtig waren hierbei Einblicke in unterschiedliche textliche Traditionen und Verwendung dieser im Kontext des Gebets. In einem Exkurs untersuchten die Teilnehmenden mögliche Perspektiven und Grenzen spirituellen Lernens, da das Gebet ja durchaus auch durch das spirituelle Lernen Einzug in den jeweiligen Religionsunterricht halten kann und soll. Jedoch sind auch hier Grenzen aufgrund des Lernorts und aufgrund der verfassungsrechtlichen Stellung dieses Schulfachs zu beachten. Eine besondere Erfahrung bestand an diesem Tag darin, dass muslimische Teilnehmende einerseits ein Gebet exemplarisch, aber im Sinne des Vollzugs echt durchführten und der andere Teil der Gruppe als Gast dabei sein konnte. Im Nachgang verschaffte sich die Gruppe durch Fragen und Auskünfte weitere Informationen, Bestätigungen oder Anregung zur Reflexion zum Gegenstand. Im Gegenzug waren die muslimischen Studierenden dann am folgenden Tag eingeladen, bei dem von den christlichen Studierenden gestalteten Morgenimpuls dabei zu sein.

Zum Ausklang des ersten Tages kam die Gruppe noch einmal im Plenum zusammen, um sich mit vorher vorbereiteten Fragestellungen an die jeweils andere Religion zu richten und miteinander ins theologische Gespräch über Eigenes und Fremdes zu kommen. Auch dies war eine bereichernde Begegnung.

Am zweiten Tag waren die Offenbarungstexte/heiligen Schriften und die Orte der praktisch gelebten Religion Gegenstände der Begegnung. Zunächst gab es zwei Impulse zu Bibel und Koran. In Arbeitsgruppen untersuchten die Teilnehmenden ausgewählte inhaltliche Aspekte in beiden Texten. Einerseits ging es um Jesus und andererseits um die Perspektiven auf die Geburt Jesu in beiden Texten. Gemeinsam wurden die Ergebnisse im Plenum vorgetragen und besprochen.

Im nächsten Schritt ging es dann um die sakralen Räume Kirche und Moschee, deren Erkundung durch inhaltliche Impulse vorbereitet worden waren. Besonders kontrastreich sind beide Lernorte auch vor dem Hintergrund eigener späterer Annäherung im Kontext eigenen religionsdidaktischen Handelns zu bewerten. Spannend gestaltete sich zunächst die Erkundung der katholischen Jakobi-Kirche in Goslar. Dem Pfarrer bereitete es sichtlich Freude, das eigene Haus vorzustellen. Neben allgemeinen Bereichen in der Kirche wurden vor allem die interessante kirchengeschichtliche Vergangenheit des Gebäudes wie auch Bereiche vorgestellt, zu denen sonst kein alltäglicher Zugang möglich ist. Zuvor hatten die christlichen Studierenden ihre muslimischen Kommiliton*innen selbst in Gruppen durch die Kirche geführt.

Danach bereitete sich die Gruppe auf den Besuch der nahegelegenen Moschee in der Bäringerstraße vor. Äußerlich war das Gebäude zunächst nicht als ein sakraler Raum erkennbar. Das ist aber für Moscheen in Deutschland eher üblich. Umso interessanter war es für die Teilnehmenden, zunächst das Innere der Moschee zu erkunden. Nach dem Beobachten des Gemeinschaftsgebets lud der Imam zu einem Austausch ein. Fragen, Anmerkungen und Antworten trugen zu einer echten Begegnung sehr viel bei. Nicht unerwähnt sollte hierbei ein Ereignis bleiben, das sich rein zufällig ergab. Ein muslimischer Gast in der Moschee wollte sich in die Diskussion einbringen und trug einen Koranvers vor, der das theologische Prinzip der Trinität kritisiert. Dieses Vorgehen führte im Nachgang am Abend dazu, dass sich das Plenum über diesen Vorfall austauschte. Interessanterweise kritisierten alle muslimischen Teilnehmenden das Vorgehen des Gastes in der Moschee. Die christlichen Teilnehmenden äußerten ebenso zu Recht ihre Kritik. Insgesamt bewerteten alle die Begegnungen an den sakralen Orten als gelungen und waren sich dessen bewusst geworden, dass eine gelingende Begegnung gut geplant werden sollte. Immerhin haben wir nun ein Fallbeispiel, anhand dessen trennende Dinge vielleicht auch in künftige Studientage als nächste Stufe eingebaut werden können. Sicher ist es auch ein großer Kompetenzgewinn, wenn nicht nur über Gemeinsames gesprochen wird, sondern auch Trennendes reflektierend erkundet wird.

Am letzten Tag stellten die muslimischen Teilnehmenden verschiedene Projekte mit interreligiösem Bezug vor. Neben einer Vorstellung der Drei-Religionen-Grundschule in Osnabrück ging es um das Projekt Datteltäter und auch erste interreligiöse Erfahrungen im Bereich der Gefängnisseelsorge. Im Anschluss daran stellte die Studierende Helene Braun vom Abraham Geiger Kolleg unterschiedliche Themengebiete jüdischen Lebens in Deutschland vor. Danach stellte sie sich den Fragen der Teilnehmenden. Insgesamt war dieser Beitrag sehr wichtig, konnte er doch das christlich-muslimische Gespräch sinnvoll ergänzen. Eine besondere Bereicherung erhielt das nun jüdisch-christlich-muslimische Gespräch auch durch den doch noch sehr nahen zeitlichen Bezug zum Anschlag auf die Synagoge in Halle/Saale. In diesem sehr auf Augenhöhe gehaltenen Gespräch konnten alle Teilnehmenden eine neue und direkte Begegnung auch in trialogischer Hinsicht erleben.

Im Anschluss gab es eine Runde zur Evaluation und erste mündliche Rückmeldungen. Danach mussten die Teilnehmenden dann leider erkennen, dass die Begegnung zumindest in dieser Form ein Ende haben sollte. Alle Rückmeldungen lassen aber darauf schließen, dass die dritten interreligiösen Studientage in jeder Hinsicht eine echte Bereicherung für alle waren. Somit sind die oben formulierten Ziele einer Begegnung auf Zeit mit der großen Hoffnung verbunden, dass alle Teilnehmenden viel für die eigene berufliche Zukunft in einer sich immer pluraler gestaltenden Schule mitnehmen konnten bzw. auf ihre Begegnungserfahrungen zurückgreifen werden können.