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Ute Beyer-Henneberger
Supervision und Burnout-Prophylaxe in pastoralen und schulischen Berufsfeldern
Reihe Praktische Theologie heute, Band 148, Kohlhammer, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-17-031520-4, 255 Seiten, 34,99 Euro


Auch die neueste von der Lehrergewerkschaft GEW in Niedersachsen in Auftrag gegebene Studie, die im August 2016 veröffentlicht wurde, belegt, dass Lehrerinnen und Lehrer einer hohen Belastung ausgesetzt sind und das gilt ebenso für Menschen, die in gemeindlichen Berufsfeldern arbeiten: bedingt z.B. durch Überstunden und einer oft hohen Identifikation mit dem Beruf. So gehören Lehrerinnen und Lehrer zu der Berufsgruppe, die dem Burnout-Risiko überdurchschnittlich hoch ausgesetzt sind. Dies belegt die Autorin anhand von Studien im ersten Kapitel ihres Buches.

Die Frage nach Burnout-Prophylaxe ist nicht neu, doch Ute Beyer-Henneberger, Pastorin und Lehrsupervisorin, richtet in ihrem Buch noch einmal den Focus auf die Frage, welche Rolle existentielle und religiöse Überzeugungen dabei spielen. Die Phasen von Belastung über Stress bis hin zum Burnout, die die Autorin im zweiten Kapitel ihres Buches beschreibt, zeigen auch, dass mit Abnahme der Sinnhaftigkeit des beruflichen Tuns zugleich auch Fragen nach dem Sinn des Lebens überhaupt aufkommen.

Spannend an dem Buch von Ute Beyer-Henneberger ist dabei, dass Ihre Forschungen zu diesem Thema aus der Praxis erwachsen sind. Als Supervisorin hat sie Einzel - und Gruppensupervisionen begleitet. Die Supervision als Möglichkeit der berufsbezogenen Reflexion durch professionelle Begleitung hilft, Arbeitsstrukturen, Beziehungen im Arbeitsumfeld und eigene Verhaltensmuster zu bedenken und zu verändern.

Anhand von sechs Fallbeispielen zeigt die Autorin, dass hinter den konkreten, berufsbezogenen Problemlagen auch oft eine existentielle bzw. spirituelle/religiöse Dimension aufscheint, der sie sensibel Raum gibt. In der anschließenden Reflexion der Fallschilderung nimmt sie diese existenziellen/religiösen Fragen in einem eigenen Unterpunkt auf.

So resümiert eine Supervisandin ihre Situation am Ende der Sitzung mit den Worten: „ „Ich kann nur hoffen, dass etwas von außen kommt (…) Immer wieder kam etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, das mich aber gerettet hat.“ In der nächsten Sitzung benennt sie das viel grundsätzlicher als Grundvertrauen. „Diese Grundfragen menschlicher Existenz und religiöser Lebensdeutung lassen sich aus verschiedenen Perspektiven deuten und aufnehmen.“ (S. 78) – Genau dies tut die Autorin, indem sie die existentiellen und religiösen Fragestellungen eines jeden dargestellten Falles mehrperspektivisch analysiert.

In einem anderen Fall setzt sich eine Supervisandin mit dem von klein auf von ihrem Vater erlernten und gelebten protestantischen Arbeitsethos auseinander. In der Sitzung erkennt sie: „Ich werde versuchen zu spüren, was es heißt, geliebt zu werden, anerkannt zu werden ohne Vorbedingung, ohne Gegenleistung. Ich predige das immer.“ (S. 99) Sich dem – in diesem Fall – eigenen tradierten Gottesbild bewusst zu werden, eröffnet die Möglichkeit, dieses mit der aktuellen Lebensphase in Bezug zu setzten und zu verändern.

Entwicklungspsychologisch gesehen ist auch die religiöse Entwicklung im Erwachsenenalter nicht abgeschlossen, sondern verändert sich: „Die Bonner Studie zur Entwicklung der Religiosität im Erwachsenenalter erbringt den empirischen Beleg, dass Menschen ihre Gestalt der Religion im Laufe ihres Lebens wechseln“ (S. 225) und „Krisen im Lebenslauf (…) religionssensible Phasen sind, die zu einer Veränderung des religiösen Selbstverständnisses und der Frömmigkeitspraxis führen können. (S. 245)

Eine Supervision, die offen ist für die spirituelle Dimension, die möglicherweise hinter den zu bearbeitenden Themen steht, ermöglicht es den Supervisierenden, gerade wenn sie im religionspädagogischen Bereich arbeiten, in der Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen Biografie „heilsame Berührungen“(Zitat nach T. Moser, S.111) mit dem Glauben zu erfahren. So kann – auch wenn das nicht das primäre Ziel einer Supervision sein kann – nicht nur der Supervisand /die Supervisandin von der Standortbestimmung bzw. Neuorientierung der eigenen Religiosität profitieren, sondern letztlich auch die Kinder und Jugendlichen, mit denen die Lehrkräfte, Pastoreninnen und Pastoren, Diakoneninnen und Diakone zu tun haben, denen ein religiös - authentischer Erwachsener gegenübersteht. Denn „das Fach Religion zielt auf Bildungsprozesse, die die ganze Person betreffen und lässt sich nicht unabhängig von der eigenen Biographie lehren.“ (S. 151) Die Autorin bilanziert für die von ihr dargestellten Supervisionen, dass „für die Betroffenen die Burnout-Gefährdung mit einer Sinnkrise verbunden ist“ (S. 243). Sie zeigt durch ihre eigene supervisorische Praxis und die Forschungslage eindrucksvoll, dass die pastoralpsychologische Supervision der Burnout-Prophylaxe dienen kann.

So kann das vorgelegte Buch Supervisorinnen und Supervisoren sowie Supervidierende gleichermaßen ermutigen, existentiellen und religiösen Fragestellungen im Beratungsprozess Raum zu geben.

Babett Flügger

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2016

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