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Michaela Geiger und Matthias Stracke-Bartholmai (Hg.)
Inklusion denken. Theologisch, biblisch, ökumenisch
Reihe „Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability Studies“,
hrsg. v. Johannes Eurich und Andreas Lob-Hüdepohl, Band 10.
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2017
ISBN 978-3-17-033377-2
310 Seiten, 40,00 €

„Inklusion denken“, Band 10 der im Kohlhammer-Verlag erschienenen Reihe „Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability Studies“, geht auf eine im Dezember 2016 an der kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel durchgeführte Studienwoche mit dem Titel „Inklusion zwischen Bibel und Praxis“ zurück, aus der heraus die meisten, sehr heterogenen Beiträge des Buches entstanden sind.

Der Band schlägt einen Bogen von inklusionstheoretischen Auseinandersetzungen über biblische Bezüge zum Thema Inklusion, über ökumenische bzw. interkulturelle Überlegungen bis hin zu Anregungen für eine inklusive Gemeindepraxis. Unter Einbringung der eigenen Perspektiven und Bezugsrahmen der einzelnen Autorinnen und Autoren leistet der Band auch einen Beitrag zu intersektionalen Ansätzen zum Thema Inklusion, jedoch häufig ohne dies gezielt zu verfolgen. Während manche Autorinnen und Autoren eine Einordnung in die aktuelle Fachdiskussion zum Thema Inklusion vornehmen bzw. diese weiterführen, lassen andere Ausblicke auf und Einordnungen in diese vermissen.

Ein großer Anteil der Beiträge bewegt sich im Kontext der Heterogenitätsdimension bzw. der Differenzlinie Dis/Ability, andere gehen bewusst von einem weiten Inklusionsbegriff aus und nehmen daher ebenso andere Heterogenitätsdimensionen in den Blick. Manche fokussieren gezielt eine andere oder nutzen den Denkansatz einer Theorie als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen, die bisher vor allem auf eine bestimmte Heterogenitätsdimension bezogen worden war. In einigen Beiträgen werden beispielsweise soziale Kategorien in die Diskussion aufgenommen sowie Alter, Kultur, Migration, Religion/Ökumene. In einem Beitrag wird die Queer-Theorie letztlich im Sinne des Einnehmens einer Haltung, die bewusst unterbrechend wirken will, für die Auseinandersetzung fruchtbar gemacht.

Im ersten Abschnitt des Bandes lassen sich Anregungen finden, die die Fachdiskussion zum Thema Inklusion weiterführen. Zudem werden auch bekannte Aspekte zusammengefasst. In die inklusionstheoretische Debatte einbezogen werden hier Überlegungen aus der Anerkennungstheorie, der Vulnerabilitätstheorie sowie der Queer-Theorie, während Grümme einen recht umfassenden Beitrag zur inklusionstheoretischen Diskussion unter Fokussierung alteritätstheoretischen Denkens sowie des Ansatzes einer „aufgeklärten Heterogenität“ einbringt.

Der zweite Abschnitt des Bandes widmet sich biblischen Bezügen zum Thema Inklusion. Diese Beiträge nehmen bestimmte Beispiele biblischer Bezüge in den Blick. Ein Überblicksartikel, in welchem z. B. strukturiert exkludierende und inkludierende Faktoren der Gesellschaft des Alten Orients dargestellt werden, sowie biblische Bezüge, die diese aufzeigen oder als Gegenbewegung gedeutet werden können, lässt sich jedoch leider vermissen. Die ersten beiden Beiträge legen den Schwerpunkt auf die Differenzlinie Dis/Ability und setzen sich dazu mit jeweils einem Beispiel aus dem Alten bzw. aus dem Neuen Testament auseinander, mit Mefiboschet bzw. dem Thema Heilung im Matthäusevangelium. Demgegenüber weiten die folgenden Texte den Blick auch für andere Differenzkategorien, legen aber jeweils einen eigenen Schwerpunkt der Auseinandersetzung. So untersucht Neumann, was das Lukasevangelium zum Thema Inklusion austrägt, und Usener befasst sich mit dem Thema Mahlgemeinschaft quasi als Brennglas, das Wesentliches über das Maß an Inklusivität einer Gesellschaft zeigt.

Der dritte Abschnitt befasst sich im Kontext von Ökumene auch mit den Dimensionen Kultur und Migration. Hier werden Aspekte in den Blick genommen, die sich schon unmittelbarer auf die Praxis von Inklusion auswirken, sodass sich eine Beschäftigung mit diesen für inklusive Gemeindeentwicklung direkter etwas austragen kann. Dies ist noch deutlicher im letzten Abschnitt des Buches der Fall, in welchem Beispiele aus der Praxis wertvolle Anregungen bieten können, aber auch ein Artikel, der für ein verändertes, an „inklusive“ Wertvorstellungen angepasstes Diakonieverständnis wirbt.

Insgesamt gesehen bietet „Inklusion denken“ dem Titel entsprechend jedoch vor allem Möglichkeiten, sich mit theoretischen Überlegungen zum Thema Inklusion im Kontext von Theologie und kirchlicher Praxis auseinanderzusetzen. Ein strukturierter Überblick zur aktuellen Fachdiskussion wird hingegen nicht in allen Abschnitten deutlich.

Birte Hagestedt