Das Go20-Schulteam - Ein christlich-sozialdiakonisches Angebot an Hildesheimer Schulen

von Karsten Weniger und Johanna Zeigermann

 

In Hildesheim gibt es seit zwei Jahren ein besonderes Angebot sozialdiakonischer Kooperation mit Ganztagsschulen: das Go20Schulteam. Aus einer offenen Kinder- und Jugendarbeit, dem Jugendtreff Go20 (in der Goschen­straße 20), ist eine kirchliche, schulnahe Jugendarbeit erwachsen. Im Schuljahr 2009/2010 gab es an acht Hildesheimer Schulen mit 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Hauptamtliche, FSJler, studentische Mitarbeiter) insgesamt 81 Angebote pro Woche. Es nahmen ca. 1.500 Schülerinnen und Schüler pro Woche an den Angeboten teil. Im aktuellen Schuljahr arbeitet das Team an zehn Schulen mit 25 Mitarbeitenden. Getragen wird das Go20Schulteam durch den freien Verein “Timo e.V. – Christliche Initiative für offene Jugendarbeit”, an dem sich u.a. freie, ev.-luth. und katholische Kirchengemeinden in Hildesheim beteiligen.

 

Kinder- und Jugendarbeit an (Ganztags-)Schulen

Das Projekt “Go20Schulteam – Kinder- und Jugendarbeit an (Ganztags-)Schulen” hat sich zum Ziel gesetzt, benachteiligte Schülerinnen und Schüler im Lebensumfeld Schule zu begleiten und zu fördern. Das Go20Schulteam möchte Schulen beim Aufbau und bei der Durchführung von Ganztagsangeboten unterstützen und seine Kompetenzen aus der außerschulischen Jugendarbeit einbringen. Angestrebt sind Kooperationen mit den neu entstehenden Ganztagsschulen. Im Blick sind dabei gerade Schülerinnen und Schüler in den sozial benachteiligten Stadtteilen Hildesheims.

Das Projekt hat seine Wurzeln in der Metro Ministries-Arbeit (Bill Wilson) in New York. Dabei geht es darum, den Kontakt zu den Kindern im Stadtteil aufzubauen, mit ihnen Zeit zu verbringen und mit ihnen Hilfestellungen für das tägliche Leben in der Schule, mit Freunden oder vielleicht sogar auf der Straße zu üben. Die Kinder hören und erleben die christliche Botschaft und werden in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt: “bei Gott sind sie wertvoll”. Vergleichbare Projekte gibt es in verschiedenen deutschen Groß- städten. Bekannt u.a. durch die Unterstützung durch Richard v. Weizäcker ist vor allem der Verein “Stoffwechsel” in Dresden geworden (vgl. www.stoffwechsel.com).

Das Go20Schulteam in Hildesheim zeichnet sich durch einen Kompetenz-Mix im Mitarbeiterteam aus: Pädagogische Fachleute (Diplom-, Sozial- und Kulturpädagogen) und Studierende (Lehramt, Soziale Arbeit) sowie FSJler bringen sich und ihre Interessen in die beziehungsorientierte Arbeit ein. Die Grundsätze und Ziele der Arbeit lassen sich vor allem in integrierten Freizeitbereichen der Schulen verwirklichen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Go20Schulteams werden so Teil der Schule und verbinden außerschulische und schulische Kinder- und Jugendarbeit – und dies an schulischen wie an außerschulischen Orten.

Das Go20Schulteam macht in Absprache mit den Schulen folgende Angebote:

  • Unterrichtsbegleitung
  • Hausaufgabenhilfe
  • Förderangebote
  • Arbeitsgemeinschaften
  • Pausenangebote
  • Betreuung
  • AiD-Ernährungsführerschein (Niko-Kooperationsprojekt)
  • Stadtteilorientierte, außerschulische Nachmittagsangebote (z.B. KidsClub) in der Schule und außerhalb der Schule.

 

Die Angebote und Projekte geschehen

  • auf der Basis christlicher Werte und Maßstäbe,
  • orientiert an den Bedürfnissen der Schüler und Schulen,
  • regelmäßig und kontinuierlich (einmalige Angebote als Startup),
  • Kinder und Mitarbeitende bevollmächtigend und freisetzend,
  • in Teamarbeit statt in Einzelgängeraktionen,
  • nicht als Lückenbüßer für Versäumnisse von Politik und Gesellschaft,
  • in langfristiger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Schulen.

 

Das Go20Schulteam respektiert die weltanschauliche Neutralität von Schulen
Das Vermitteln christlicher Werte und Maßstäbe geschieht vor allem durch das eigene Vorbild und die Beziehung zu den Schülern. Die Projekte basieren auf Freiwilligkeit und Transparenz. Elternabende und Elternkontakte gehören mit zum Konzept.

 

Verknüpfung von schulnaher Jugendarbeit und FSJ-Arbeit
Als anerkannter freier Träger der Jugendhilfe ist es dem Verein “Timo e.V. – Christliche Initiative für offene Jugendarbeit” möglich, FSJ-Plätze anzubieten. So wird das Schul-Team regelmäßig durch junge Leute ergänzt, die ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich der schulnahen Jugend- arbeit ableisten. Die jungen Erwachsenen bewerben sich für dieses Arbeitsfeld und werden dafür ausgebildet (weitere Informationen auch unter paisdeutschland.de). Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden vor Ort. Einzelne Kirchengemeinden beteiligen sich an den Kosten für das FSJ (Taschengeld sowie Unterkunft und Verpflegung). Sie erhalten dadurch noch mehr Mitarbeitende vor Ort und können diese in die Kooperationen mit den Schulen einbringen.

 

Jugendarbeit auf dem Weg in die Schule
Wie kommen Kooperationen zwischen außerschulischen Partnern und Schulen zustande? Am Anfang sind die Mitarbeitenden aus dem Jugendzentrum Go20 auf die benachbarten Schulen in Hildesheim zugegangen, um über Kooperationen im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu verhandeln. Mittlerweile ist das Go20Schulteam etabliert und bekannt, so dass Stadt und Schulen von sich aus Anfragen an die Mitarbeitenden richten und Kooperationen anbieten. Der Bedarf an Trägern aus der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit nimmt vor allem an Ganztagsschulen zu. Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendarbeit kann zu einem Erfolgsmodell werden. Jedoch gibt es noch einige Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden. Insbesondere fehlt es für eine sichere und konstante Zusammenarbeit im finanziellen Bereich noch an den verbindlichen langfristigen Rahmenbedingungen.

“So etwas Gewöhnliches wie Geld...”
So bezeichnet Charlys Großvater in dem Film “Charly und die Schokoladenfabrik” die leidigen Scheine und Münzen, an denen oft so vieles scheitert: ein Projekt, neues Spielzeug, ein Klassenausflug, eine Familie, Hilfe für jemanden, der sie braucht, …

Wir mögen dieses Filmzitat so gerne, weil es zeigt, dass Geld nicht das Wichtigste im Leben und in unserer Go20-Arbeit ist, sondern eigentlich ziemlich gewöhnlich.

Denn was ist schon Geld gegen ein strahlendes Kindergesicht, dankbare Lehrer und Eltern, gute Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Christen, das Zusammensein mit Menschen, die mich wertschätzen?

 Dennoch ist die Arbeit ohne die Unterstützung von vielen Spendern und Sponsoren nicht realisierbar. Ebenso braucht es die Kooperation mit Kirchen und Gemeinden. Das Go20 in Hildesheim möchte allen Mut machen, anzupacken, Grenzen zu überspringen und im christlichen Engagement für Kinder und Jugendliche, aber auch für Schulen, Lehrer und Eltern neue Wege zu beschreiten!

Die Bedingungen und der Umfang der Kooperationen werden mit jeder eigenverantwortlichen Schule eigens ausgehandelt. Das Schulteam unterbreitet dabei Angebote, die Schulen erläutern ihren Bedarf, der von der Hausaufgabenbetreuung und Nachmittagsangeboten im Ganztagsschulbereich bis hin zur Unterrichtsbegleitung (Einzelfallhilfe) reicht. Die Einbeziehung von Kirchengemeinden in die Kooperationen eröffnet teilweise weitere Möglichkeiten, wie die Nutzung außerschulischer Lern- und Arbeitsorte sowie die Mitwirkung von (jugendlichen) ehrenamtlich Mitarbeitenden vor Ort.

 

Ein Beispiel für ein Nachmittagsangebot: KidsClub

Eines der zusätzlichen Nachmittagsangebote außerhalb des Ganztagsangebotes der Schulen ist zum Beispiel der KidsClub. Eine Mischung aus offener Jugendarbeit und Gruppenangebot. Das besondere ist der Ort, denn der KidsClub findet in der Schule bzw. auf dem Schulgelände statt, dort wo sich viele Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Schulzeiten aufhalten. Selbst in den dörflichen Vororten von Hildesheim sind die Schulhöfe dabei nicht mit beschaulichen Spielplätzen zu verwechseln. Hier sind immer Kinder und Jugendliche bis spät in den Abend, spielen, halten sich auf, “hängen einfach nur ab”.

Der KidsClub ist ein Angebot speziell für Grundschulkinder und ein wichtiger Bestandteil des christlich-diakonischen Gesamtansatzes des Go20Schulteams in den Stadtteilen. Es besteht aus dem Angebot zu Bewegung und Spiel, enthält stets die Möglichkeit, eine Kleinigkeit zu essen und bietet in einer ruhigeren Phase den Kindern Musik und eine biblisch-lebensweltliche Geschichte. Es ist damit ein sehr niederschwelliges Angebot, das zum Mitmachen und selbst Entdecken motiviert und die Kinder über Präsentationen (Erzählungen, Anspiele, Pantomime etc.) einlädt sich mit Werten und christlichen Inhalten auseinander zu setzen.

Das Motto des KidsClubs lautet: “Schön, dass du da bist!” Diese wertschätzende Botschaft wird durch alle Elemente des KidsClubs transportiert. Unser Ziel ist es, dass der KidsClub für die Kinder der schönste Nachmittag der Woche wird.

Kinder dürfen toben, laut sein und sich auspowern. Wir benutzen hauptsächlich Team/Gruppen-Spiele. Kinder treten in Mannschaften an, denn jeder wird gebraucht, jeder ist wichtig, und wir feuern uns gegenseitig an. Und am Ende der Griff in die Preise-Kiste! Sie erleben begeisternde Mit-Sing-Lieder (hierfür nutzen wir zumeist Play-Back-CDs). Die Lieder setzen kein christliches Vorwissen voraus. Sie sind leicht und einfach zu verstehen.

Die Geschichten werden anschaulich, spannend und kindgerecht präsentiert. Biblische Geschichten werden, oft in Fortsetzungsgeschichten von Woche zu Woche in Alltagsgleichnisse verpackt. Oft sind sie selbst ausgedacht. Durch die Geschichten ziehen sich die beiden Viertklässler Cindy und Bob. Ihre Fragen und ihre Erlebnisse sind Identifikationspunkte für die Kinder. Die Geschichten werden kreativ vertieft. So werden Gebete der Kinder schon mal an gasgefüllten Luftballons zum “Himmel” geschickt.

Jeder KidsClub wird bei uns auf dem jeweiligen Stadtteil angepasst. So verlaufen die Nachmittage in den einzelnen Teams zum Teil sehr unterschiedlich: In einem Stadtteil zum Beispiel haben wir viele Jungs, die natürlich die ganze Zeit Fußball spielen wollen. Zusätzlich findet dort auf dem Schulhof zur gleichen Zeit die Hortbetreuung statt. Nach Toben und Spielen finden sich auch die quirligsten Jungs ein, um eine spannende Geschichte zu hören. Die meisten Kinder haben hier einen muslimischen Hintergrund. So sind die Storys hier sehr beispielhaft und alltagsorientiert. Respektvoll und sensibel für ihr Umfeld vermittelt das Team Werte, die die Kinder verstehen und in ihrem Leben anwenden können.

“Unsere Mission ist, für Kinder und Jugendliche da zu sein: unterstützen, zuhören, anpacken!”

“Wenn ich gegen 16 Uhr (in Sorsum) auf den Schulhof komme, turnen schon die ersten Kinder an den Klettergerüsten oder sausen mich fast mit ihrem Fahrrad um. Das ist immer ein fröhliches Begrüßen; “Wie geht’s dir? Was hast du seit letzter Woche erlebt? Wie war denn eure Deutsch-Arbeit?” Wir beginnen mit einer Freispielphase von ca. 30 Minuten: Die Mitarbeiter packen die Spielekiste aus. Ich schnappe mir ein langes Seil und sofort sind ein paar Mädchen da und wollen mir ihre Springkünste zeigen. Gegen 16.30 Uhr beginnen wir Gruppenspiele, bei denen alle mitmachen. Und das Tollste ist: Man kann sogar etwas Essbares gewinnen! So manches Mal musste ich mich schon schützend vor die Preisekiste stellen und verteidigen. Jaja, das liebe Essen …

Um 17 Uhr versammeln sich alle Kinder, und es gibt Mitmach- und Bewegungslieder. Dann wird es ruhiger, jeder setzt sich hin, ich nehme ein kleines Mädchen auf den Schoß, das sich beim Spielen verletzt hat, und so hören alle gespannt zu, wie ein anderer Mitarbeiter eine lustige, nachdenkliche oder verrückte Geschichte erzählt, in der man etwas über Gott, sich selbst und das Miteinander lernt und einfach mal in den Genuss einer Geschichte kommt.

Und dann kommt der “traurige” Teil. So ca. um 17.30 Uhr ist der Abschluss des KidsClub. Wir packen unsere Sache zusammen und müssen uns leider verabschieden. Aber keine Sorge – nächste Woche um dieselbe Zeit sehen wir uns spätestens wieder. Bis dann!”

In einem anderen Stadtteil Hildesheims findet der KidsClub ebenfalls auf dem Schulhof statt, allerdings haben die Kinder hier bei schlechtem Wetter im Kinder- und Jugendtreff Go20 nebenan ein Dach über dem Kopf. Die Geschichten, hier besonders oft vermittelt in kleinen Theaterstücken, verdeutlichen Ereignisse und Gleichnisse aus dem Leben von Jesus in einer Form, die Kinder aus kirchenfernem Hintergrund faszinieren. Auch in einem Dorf vor Hildesheim veranstalten wir in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden vor Ort einen KidsClub.

Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten des Kinder- und Jugendtreffs Go20 unter www.go20.de.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2010

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