"Der Herr segne und behüte dich" - Eine Unterrichtseinheit für die Sek. II

von Julia Junge

 

Der Segen ist etwas, was mich schon immer faszinierte. Wenn jemand ihn entsprechend "inszenieren" kann, fängt mein Körper an zu kribbeln. Hinzu kommt, dass er etwas unglaublich Positives ist. Ein guter Wunsch, der für mich gesprochen wird, eine verdichtete Form des Zuspruchs des Evangeliums für jede und jeden Glaubende(n). In moderner Zeit ist er eher unüblich geworden, nur in zum Teil verkürzten Grußformeln und Abschiedsworten vor allem im süddeutschen Raum ("Grüß Gott") ist er noch (außerhalb des Gottesdienstes) zu finden. All dies motivierte mich, mich näher mit dem Thema zu befassen und zu versuchen, einen Unterrichtsbaustein zu diesem Thema zu entwerfen. Ich möchte damit versuchen, Wege zu finden, dass Schülerinnen und Schüler Sinn und Zweck des Segens verstehen und lernen, mit ihm umzugehen.

Im Folgenden möchte ich zunächst in knapper Form allgemein auf das Problem oder besser die Herausforderung eingehen, liturgische Elemente zum Gegenstand des Religionsunterrichtes zu machen. Ich schicke diese Überlegungen vorweg, um aus der theoretischen allgemeinen Diskussion Leitlinien für die Behandlung von liturgischen Elementen im Unterricht zu entwickeln. Danach möchte ich an diesen Leitlinien orientiert einen Unterrichtsbaustein entwerfen. Dabei halte ich mich eng an das Konzept des erfahrungsorientierten Unterrichts nach Foitzik und Harz und beginne deshalb zunächst mit meinen eigenen Erfahrungen und Einstellungen gegenüber dem Thema Segen, dann folgt die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsthema und die mit der Zielgruppe.1 Schließlich werde ich detaillierter auf die didaktischen Entscheidungen eingehen und als Schluss eine (grobe) Verlaufsplanung entwickeln.

 

Liturgie im Religionsunterricht – ein Widerspruch in sich?

Liturgie ist ein wesentlicher Bestandteil christlicher Religion, denn vor allem im Gottesdienst wird Religion immer aufs Neue vollzogen und damit lebendig. Erst durch den Vollzug von Liturgie werden die Inhalte der Religion Realität, Liturgie schafft damit religiöse Wirklichkeit.2 Wenn sie nun aber ein wesentlicher Bestandteil von Religion ist, ist es nur schlüssig, sie auch zu einem wesentlichen Bestandteil von Religionsunterricht zu machen. Durch ihre Einbeziehung in den schulischen RU kann Verständnis und Interesse für diese den meisten doch so fremde Sache geweckt werden.

Liturgie hat dennoch bisher kaum Einzug in den RU gefunden. Woran liegt das? Zunehmend werden Themen des RU von den unmittelbaren (tatsächlichen oder angenommenen) Interessen der Schülerinnen und Schüler ausgewählt. So gut dieser Grundsatz zunächst sein mag, birgt er doch gerade für die Liturgie ein Problem. Sie vermittelt sich eben nicht von selbst, sie hat von sich aus zunächst keinerlei Bezug zur Lebenswelt heutiger Jugendlicher. Dennoch ist sie wichtig. Didaktik der Liturgie hat damit das Ziel, unnächst überhaupt Wege der Erschließung zu finden:

"Sie fordert eine Didaktik der Wahrnehmung ein, die Fremdes fremd sein lässt und zu seiner Fremdheit erschließende Analogien aus der Lebenswelt der Lernenden aufzuspüren lehrt. Diese Didaktik wird für metaphorische Sprache und für körperliche Selbstwahrnehmung sensibilisieren [... Sie wird] anleiten [...] aus der Sicht der Lernenden zu prüfen und zu entfalten."3

Liturgie kann von ihrer Art her nur durch eigenes Erleben erfahren und in ihrem Wesen verstanden werden. Dies mag im Rahmen der öffentlichen Schule zunächst merkwürdig anmuten und es ist klar, dass es dabei nur um das Ausprobieren gehen kann und darf. Der Ausweg muss den Schülerinnen und Schülern immer offen stehen, dies kann aber nur geschehen, wenn zunächst auch Zugänge ermöglicht werden. Daher wird es nötig sein, neue Lern- und Erfahrungsräume zu ermöglichen und ggf. auch einmal den Klassenraum gegen einen Kirchenbau zu tauschen, um "versteinerte" Liturgie be-greif-bar zu machen.

Ziel der Didaktik muss es immer sein, Handlungskompetenz zu schaffen, daher kann Liturgik im RU nicht als ausschließliche Vermittlung von Fakten, Abläufen und Traditionen auf rein rationaler Ebene verstanden werden.4 Vielmehr muss sie Kompetenzen vermitteln, selbst liturgisch zu handeln, d.h. sie muss die Fähigkeit vermitteln, sich selbst in liturgische Prozesse einzubringen und sie gestalten zu können.

Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich folgende Konsequenzen für den schulischen RU:

  • Liturgie muss als unverzichtbarer Teil von Religion Thema im schulischen RU sein.
  • RU muss Zugänge zu einer wechselseitigen Erschließung von Lernenden und Lerngegenstand öffnen und dabei die Ausgänge offen lassen.
  • Ziel der Didaktik muss es sein, Handlungskompetenzen im Bereich der Liturgie zu fördern und zu entwickeln. Eigenes Erfahren, Ausprobieren und Gestalten nimmt daher einen besonderen Stellenwert ein.

 

Segensreiche Inhalte

Wie schon in der Einleitung kurz geschildert, sind Segen und Segnen etwas sehr Positives für mich. Es bewirkt, dass ich mich ernstgenommen und angenommen fühle, als ganze Person und unabhängig von meinen Fehlern. Dieses Akzeptiert- und Angenommensein ist etwas, was oft schwer fällt zu glauben. Zu sehr hat man gelernt, vor allem eigene Fehler und Schwächen zu sehen und sich von seinen Leistungen her zu definieren. Gesegnet zu werden und zu segnen kann deshalb aus dem "Gefängnis eigener Unvollkommenheit" befreien, indem einem als ganze Person und unbegründet von eigenen Leistungen Gutes zugesprochen wird.

Wichtig ist für mich die Dreierbeziehung, die sich im Segnen zeigt: Der oder die Gesegnete, der/die etwas erhält, der/die Segnende, der oder die den Segen zuspricht und Gott, der den Segen gibt. Keines der drei Elemente kann dabei fehlen.

Obwohl dieser "traditionelle" Segen heute wohl nur noch in der Kirche und dem Gottesdienst beheimatet ist, finde ich es spannend zu sehen, wo in unserer Kultur dem Segnen ähnliche Handlungen vollzogen werden. Unser Bedürfnis nach Zuwendung und Liebe ist unverändert groß und so ist es nur verständlich, wenn wir einander auch im Alltag Gutes wünschen. Meist wird dabei auf den ersten Blick die Dimension Gottes ausgespart, auf den zweiten ist diese größere, höhere Dimension aber oft wieder anwesend. Wenn ich beispielsweise jemandem "Eine gute Reise" wünsche, so ist dabei zunächst von Gott keine Rede. Auf den zweiten Blick möchte ich aber fragen, wer eigentlich die Macht hat, etwas Derartiges zu wünschen, denn es liegt vermutlich weder in meiner noch allein in der Hand der reisenden Person, für die Erfüllung dieses Wunsches verantwortlich zu sein. Es muss also, sofern ich den Wunsch ernst meine, fast zwangsläufig eine weitere Dimension geben. Ich möchte damit nicht sagen, dass jeder Wunsch ein Segen ist, aber darauf hinweisen, dass gute Wünsche und Segen sich in Vielem ähnlich sind und der Segen damit in einer "verwandten" Form dauerhaft aktuell ist.

Gleichzeitig zeigen Menschen durch solche Wünsche und Segen ihre Verbundenheit und Zuneigung. Liebe und Zuneigung in angemessener Form zu zeigen ist eine Fähigkeit, die nicht selbstverständlich ist. Um so mehr halte ich es für wichtig, dieses zu "trainieren" und ein Gefühl dafür zu entwickeln. Segnen kann dabei sowohl eine Form als auch eine Hilfe sein.

 

Geschichte und Gebrauch des Segens

Segnen kommt von lat. "signare" (bezeichnen, mit einem [Kreuzes-]Zeichen versehen). Segen und Segnen begegnen uns sowohl im AT (beginnend in den Vätergeschichten) wie im NT (z.B. in den Briefen, die immer in Friedensgruß und Segen gerahmt sind, oder vom Handeln Jesu, der selbst segnet) häufig.5 Der Segen ist dabei älter als das Judentum, er lässt sich daraus bis in "primitive" Religionen zurückverfolgen. Die biblische Grundbedeutung meint "Heil schaffende Kraft" bzw. "Übermitteln von heilvoller Kraft". Der Segen wurde bereits im Judentum von Priestern an die Gemeinden gespendet, im Christentum setzte er sich jedoch erst mit der Zeit durch. War er zunächst nur den Bischöfen vorbehalten, wurde der Schlusssegen ab dem 11. Jahrhundert zu einer üblichen, anerkannten Handlung der Priester. Den in der Römisch-katholischen Kirche üblichen Aaronitischen Segen übernahm auch Luther in seiner Deutschen Messe. Er ist heute noch der gebräuchliche Segen, alternativ oder kombiniert wird oft die trinitarische Segensformel verwendet. Die Gemeinde beantwortet den Segen mit "Amen". Zunehmend wird der Segen auch mit einem Sendungswort verknüpft. Begleitet wird die Segnung mit Gebärden: Den ausgebreiteten Armen, dem Kreuzeszeichen und/oder dem Handauflegen. Die feste Form kann prinzipiell vielfältig variiert und damit individuell angepasst werden. Der Segen wird der Gemeinde meist durch den Pastor zugesprochen. Prinzipiell ist aber jeder befähigt, den Segen auszusprechen.

Die Segnung von Gegenständen wurde in der protestantischen Kirche wegen ihrer Verwechslungsmöglichkeit mit magischen Praktiken zurückgedrängt , ebenfalls zunächst verlorengegangen war die früher übliche Krankensegnung. Hinzugekommen sind heute wieder vermehrt Personalsegnungen, zum Beispiel der Reisesegen und der Valet-Segen.6 Generell lässt sich heute ein ansteigendes Interesse an Segenshandlungen aller Art, wie Personensegnungen, Sachsegnungen, Segensfeiern etc. feststellen.

 

Theologische Bedeutung des Segens

Der Segen ist eine stark verdichtete Form des Zuspruchs des Evangeliums. Er ist Zusage und durch seine optative Form Fürbitte zugleich. Im Vollzug des Segens geschieht der Segen selbst, er ist weder Ankündigung noch Feststellung, sondern durch das Zusprechen wird der Segen (durch Christus) Wirklichkeit, er ist damit ein performativer und kein konstatierender Sprechakt.7 Daher wird nach Josuttis auch ausschließlich die Form des Optativs ("Der Herr segne dich" und nicht "Der Herr segne uns" oder "Der Herr segnet uns") der Funktion des Segens voll gerecht.8 Einig sind sich die meisten Theologen, dass einleitende Sätze wie "Wir möchten Dich nun um den Segen bitten" der Art des Segnens widersprechen. Der Segen wird nicht erbeten, sondern durch den Zuspruch bereits gegeben. Die entsprechenden Gebärden machen diese Handlung deutlich und zeigen, dass der Segen den ganzen Menschen geistig und körperlich anspricht. Der Segen gibt den Gesegneten die Gewissheit, dass sie beschützt und geführt werden und auf Gott vertrauen können. Nach Steffensky ist der Segen "der Ort höchster Passivität". Hier werde der Mensch aufgefordert, auf sich selbst, auf die eigenen Leistungen und den Selbstschutz, auf jegliche Selbstberufung zu verzichten. Stattdessen werde er gerufen und geborgen, ihm wird durch den Segenszuspruch Segen zuteil.9

Der Segen wird am Schluss des Gottesdienstes, an der Schwelle zur Außenwelt gegeben. Die Gesegneten nehmen ihn gewissermaßen als "Zusammenfassung des Gottesdienstes" und als Schutz und Kraft in ihren Alltag mit. Der Segen wird meist der gesamten Gemeinde zugesprochen, an besonderen Schwellen des Lebens (Taufe, Konfirmation, Ehe, aber auch Weggang und Tod) wird er auch einzelnen Personen zur besonderen Stärkung zugesprochen. Er kann prinzipiell jeder Zeit, der Situation angemessen (auch im Alltag) gegeben werden.10

  

Aktuelle gesellschaftlich Bedeutung des Segens

Das Thema Segen hat, wie wohl fast alle liturgischen Elemente keine besondere, aktuelle, gesellschaftliche Bedeutung. Zum Teil findet er sich noch in verkürzten Gruß- und Abschiedsformeln. Festzustellen ist allerdings, dass wir die Begriffe "Segen" und "Segnen" noch heute in der Alltagssprache verwenden (zum Beispiel ein Nachrichtentext: "Die USA greifen den Irak ohne den Segen der UNO an"). Auch das Grundbedürfnis, das der Segen erfüllt, ist nach wie vor vorhanden: Natürlich bedürfen Menschen noch genauso der Zuneigung und Bestätigung und so haben gute Wünsche und verkürzte Segensformeln heute durchaus Hochkonjunktur. Auch viele Gesten, die an Segenshandlungen erinnern, werden vielfältig eingesetzt, daneben erhalten z.B. Rituale aus dem asiatischen Raum, wie die Heilungslehre Reiki zunehmend größeres Interesse. Gemeinsam ist all diesen Ritualen und verkürzten Segensformeln das auf den ersten Blick weitgehende Fehlen einer christlichen Dimension.

 

Didaktische Orientierung

Im Folgenden gehe ich von einer fiktiven Lerngruppe aus: Ich setze dabei eine Kursstärke von um die 20 Schülerinnen und Schüler voraus, die prinzipiell motiviert und interessiert sind. Vereinfachend gehe ich zudem davon aus, dass das Verhältnis zwischen Lehrperson und Kurs gut und vertrauensvoll ist und die Schülerinnen und Schüler bereits über Erfahrungen in kreativen Techniken (Schreiben, Inszenieren) besitzen.

Jugendliche in der 12./13. Klasse befinden sich in einer Phase des Umbruchs und der Neuorientierung. Sie lösen sich immer mehr von den Eltern und beginnen eigene und fremde Verhaltensweisen und Einstellungen an ei

genen Bewertungsmaßstäben zu messen. Sie werden "gezwungen", sich mehr und mehr mit ihrer persönlichen Zukunft, ihrer privaten und vor allem beruflichen Lebensplanung auseinander zu setzen. Religion ist für sie meist ein Nebenfach, das weder zu viel Aufwand noch zu viel Langeweile bieten soll. Religiös sind sie unterschiedlich geprägt. Ein Großteil von ihnen wird im familiären Raum keine religiöse Sozialisation erfahren haben. Gottesdienst und Liturgie werden ihnen persönlich weitgehend fremd sein, insoweit kann es notwendig sein, bei der Einordnung des Segens in den Gottesdienstablauf zusätzliches Wissen über die Grundstruktur des Gottesdienstes mitzugeben. Vielleicht finden sie Gottesdienst noch aus den Erfahrungen ihrer Konfirmandenzeit langweilig und verstaubt. Bei einigen Familien mag Religion zu Hause aber durchaus eine Rolle spielen, vielleicht sind einzelne sogar selbst im Kindergottesdienst aktiv. Für sie kann Liturgie ganz anders besetzt sein, vielleicht mit Ehrfurcht und tiefen Gefühlen verbunden. Hier muss ein Unterricht zum Thema "Segen" vorsichtig sein, damit er weder zu "religiös" und damit zu weit weg von den meisten Schülerinnen und Schülern ist, noch die Gefühle und Erfahrungen anderer Schülerinnen und Schüler verletzt. Alle werden den Begriff Segen mindestens aus dem Geburtstagslied "Viel Glück und viel Segen" kennen. Auch verkürzte Segensformeln in Begrüßungs- und Abschiedsworten werden sie kennen, allerdings nicht unbedingt mit christlichem Segen in Verbindung bringen können. Segen wird für sie in erster Linie mit Kirche und nicht mit Alltagshandeln verbunden sein.

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Segen kann daher im Modell des erfahrungsorientierten Unterrichts in drei Richtungen erfolgen: Bestehendes Wissen und Erfahrungen mit Segen und Segenswünschen kann bestätigt und profiliert werden. Zweitens kann neues Wissen erschlossen und können neue Erfahrungen gemacht werden, indem zum Beispiel die enge Verwandtschaft von alltäglichen Grüßen und Segen erkannt wird oder indem Segenshandlungen selber "inszeniert" werden. Drittens können (und werden) die Schülerinnen und Schüler sicher mit Erfahrungen konfrontiert werden, die sie nicht teilen können oder wollen, an denen sie sich "reiben" werden und an denen sie lernen, sich abzugrenzen und Auswege wahrzunehmen.

 

Didaktische Entscheidungen

a) Lernziele
Mit der Unterrichteinheit verfolge ich verschiedenartige Ziele: Im kognitiven Bereich sollen sich die Schülerinnen und Schüler ein Basiswissen über den Segen aneignen (1). Das heißt, sie sollen wichtige Dinge über seine Herkunft, seine Bedeutung und seinen aktuellen Gebrauch in Kirche und Gesellschaft erarbeiten (1a) und in der Lage sein, dieses Wissen z.B. in einer Klausur wiederzugeben (1b).

Sie sollen selbständig erkennen (2a), einordnen (2b) und beurteilen (2c) können, inwieweit Segen und segenähnliche Wünsche in ihrem Alltag wann und wie benutzt werden.

Im affektiven Bereich sollen die Schülerinnen und Schüler beginnen, eine Sensibilität für Segenshandlungen und ihre Wirkung auf sich selbst und andere zu entwickeln (3a). Sie sollen lernen, mit solchen Situationen umzugehen und in Bezug auf die Situation und die eigene Einstellung angemessen zu reagieren (3b). Sie sollen (im besten Fall) beginnen, ein Gespür zu entwickeln, selber Segenshandlungen (im weiteren Sinn) zu "inszenieren" (3c).

Im pragmatischen Bereich sollen sie Erfahrungen in der schriftlichen und mündlichen (auch paraverbalen) Formulierung (4a) und gestisch-mimischen "Inszenierung" sammeln (4b).

In der Lernfolge möchte ich vom Wiedererkennen und Profilieren, über die Neuerfahrung hin zur Abgrenzung und Kontrasterfahrung gehen. Damit möchte ich den Schülerinnen und Schülern "einfache" Einstiege anbieten und ihnen dann die Auswege freihalten. Deshalb möchte ich mit Alltagserfahrungen beginnen und dann schrittweise zum (traditionell) christlich-kirchlichen Gebrauch weitergehen.

Während die Ziele (1) und (2) durch eine Klausur relativ leicht zu kontrollieren sind, wird das bei (3) und (4) schwieriger, da es sich eher um prozessorientierte Lernziele handelt. Durch das Ausprobieren im Unterricht kann hier maximal der Beginn des Prozesses unterstützt, "kontrolliert" und evaluiert werden.

b) Inhalte
Wichtig bei den Inhalten sind mir vor allem Wirkung und Bedeutung des Segens: Warum wird ein Segen wie gesprochen? Was verbindet ihn mit guten Wünschen, was unterscheidet ihn davon? Geschichte und wörtliche Bedeutung sind somit eher zweitrangig, die aktuelle Bedeutung tritt in den Vordergrund. Inhaltliches Wissen soll den Schülerinnen und Schülern helfen, die Wirkung und Bedeutung zu erarbeiten. Ich möchte sowohl mit "klassischen" Segenswünschen, wie auch mit Begrüßungen, Abschieds- und Glückwunschformulierungen arbeiten. Wichtiger wird es mir sein, zu versuchen, den Schülerinnen und Schülern Erfahrungsräume zu öffnen, in denen sie selbst das Positive des Segens erleben können und im Umgang mit dem Segen Handlungskompetenz erwerben können.

c) Aktions- und Sozialformen
Aus den oben dargestellten Überlegungen zu Liturgie im RU und aus den festgelegten Lernzielen ergeben sich fast zwangsläufig die angemessenen Sozial- und Aktionsformen. Die Unterrichtssequenz soll auf dem eigenen Ausprobieren der Schülerinnen und Schüler aufbauen und von hier aus dann erforderliches inhaltliches Wissen erschließen. Da es vorrangig darum gehen soll, Erfahrungsräume zu öffnen und Gestaltungskompetenz zu trainieren, wird es notwendig sein, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst viel selbst gestalten. Das Unterrichtsgespräch eignet sich daher nur zum Zusammentragen von zuvor erarbeiteten Ergebnissen und zur inhaltlichen Ergebnissicherung.

Ansonsten sollen Einzel- und Kleingruppenarbeit im Vordergrund stehen. Da es um Erfahrungen, also zum Teil auch um persönliche Dinge gehen wird, ist darauf zu achten, dass in den Kleingruppen eine vertrauensvolle Atmosphäre herrscht. Die Schülerinnen und Schüler sollten daher selber wählen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen, und die Gruppen sollten nicht zu groß sein. Im Zweifel ist Partnerarbeit zu bevorzugen. Beim Vortragen/Vorführen von Ergebnissen vor dem Kurs sollte das Prinzip der Freiwilligkeit herrschen; es ist sicherzustellen, dass niemand bloßgestellt wird.

d) Medien
Eingesetzt werden sollen zum Einstieg eine OHP-Folie und ein entsprechendes Arbeitsblatt (M 1) mit unterschiedlichen Segenswünschen und Begrüßungen, Abschieds- und Glückwunschformeln. Im weiteren Verlauf sind zunächst außer der Tafel zur Verdeutlichung und Sicherung von Ergebnisse keinerlei Medien vorgesehen. Bei der Erarbeitung der Segenswünsche der Schülerinnen und Schüler ist es diesen freigestellt, sich entsprechender Medien zu bedienen. Gegen Ende der Unterrichtssequenz sollen die Ergebnisse an der Tafel (und entsprechend dann in den Heften der Schülerinnen und Schüler) festgehalten werden. Zum Abschluss und zur ersten Kontrolle werden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, einen Ausschnitt aus einem Text von Fulbert Steffensky (M2) zu lesen und beurteilend eigene Gedanken schriftlich zu formulieren.

e) Anmerkungen zur Skizze
Die folgende Unterrichtsskizze ist für drei Stunden ausgelegt, im Idealfall eine Einzelstunde und eine Doppelstunde. Die Doppelstunde ist sinnvoll, da die beiden Stunden gut ineinander übergehen würden, zumal der erste Teil der Doppelstunde zeitlich eher eng, der zweite eher weit geplant ist. Wenn man die praktische Erarbeitung in einer Einzelstunde macht, kann es sehr eng werden, was gerade bei dieser Aufgabenstellung schade wäre, zudem ließe sich die Stunde nur schwerlich sinnvoll abschließen.

Wenn die organisatorischen Bedingungen es zulassen, würde ich zudem nach der inhaltlichen Erarbeitung bzw. zum Teil an Stelle dieser mit dem Kurs eine Kirche besuchen und die Schülerinnen und Schüler selber ausprobieren lassen, wie es wirkt, wenn eine Pastorin oder ein Pastor den Segen von vorne oder von hinten spricht, was passiert, wenn er oder sie die Gebärden weglässt oder nur halbherzig durchführt, wenn er oder sie hetzt oder nuschelt oder zu leise spricht ... Damit könnten die Schülerinnen und Schüler noch sehr viel erfahrungsnäher Orte, Situationen und Wirkung erforschen. Die Bewertung durch die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe des Steffensky-Textes würde sich dann sinnvoll anschließen. Da eine Kirchenexkursion aber nicht immer möglich sein wird, habe ich die Skizze ohne sie ausgearbeitet.
 

Verlaufsplanung / Unterrichtsskizze

Phase

Zeit /
Min.

Form/
Methode

Aufgabenstellung 
(Lehrer- und Schülerverhalten)

Medien

Ziele

Einstieg

5

Vortrag

"Wir beginnen jetzt mit einem 
neuen Thema ..."

Folie wird aufgelegt, Arbeitsblatt ausgeteilt
und die Aufgaben-
stellung gegeben:

"1) Lesen Sie das Blatt durch und überlegen Sie, 
welche der Sprüche Sie woher kennen!

2) Finden Sie Über-
schriften für jeden 
Spruch!

3) Finden Sie für jeden Spruch mind. eine 
passende Situation!

4) Überlegen Sie, welche der Sprüche Sie gut 
finden und welche Sie
nicht mögen und warum?
Sprechen Sie darüber
auch mit Ihrem 
Nachbarn!"

OHP +
AB

Einstieg

Erarbeitung I

15

Einzel-
arbeit

S bearbeiten Arbeitsblatt

AB

Anknüpfen, Zugang
finden, Gespür für Sinn
+ Situationen fördern (2) und zum Teil (3a)

Erarbeitung II

5

Partner-
arbeit

Bewerten und Diskutieren
in Partnerarbeit

AB

Vertiefen (2c)

Zusammen-
fassung und Sicherung

15

Sammlung,

Diskussion

Zusammentragen einiger Ergebnisse
von Aufgabe 1-3

Diskussion vor
Aufgabe 4

à L versucht möglichst neutral zu bleiben,
alle (ernstgemeinten Antworten) zu
akzeptieren,
kann auch eigene
Position (wenn passend) einbringen,
muss aber deutlich als persönliche Erfahrung
und nicht ab-
schließendes Urteil formuliert werden

OHP,

Tafel

Sichern der 
Ergebnisse

Vertiefen (2c), ggf. Akzeptieren anderer Empfindungen

           

Einstieg

5

Vortrag

Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergeb-
nisse 
der letzten Stunde durch L.:
kurzer Überblick, worum 
es in der (Doppel-) 
stunde gehen soll

evtl. Folie

Anknüpfen

Erarbeitung I

10-15

Einzel-
arbeit

Aufgabe: "Verfassen Sie selbst einen kleinen 
Segen (guten Wunsch), den Sie zu jemand anderem 
sagen würden oder den 
Sie selbst gerne hören würden.
Ein paar Zeilen reichen. Benutzen Sie Formulierungen,
die Sie ansprechen! Überlegen Sie:
Für wen soll der Segen sein? Was soll er
aussagen?
In welcher Situation?"

-

(3a, c) und (4a)

Erarbeitung II

10-15

Partner-
arbeit

Aufgabe 2: "Lesen Sie  
sich Ihre Segenswünsche 
gegenseitig vor. 
Überlegen Sie sich eine kurze Sequenz,
wie Sie Ihren Segenswunsch dem anderen sagen würden.
Wie würden Sie stehen? Machen Sie irgendwelche Gesten
dazu? ... Probieren Sie es aus!!"

nach Bedarf

(3) und (4)

Erarbeitung III

10-15

Vorführung

Reihum soll jedes Paar einen ihrer beiden Segen
(oder beide) kurz 
vorführen

nach Bedarf

(3) und (4), 
Zusammen-
führen

Abschluss

2

Einsammeln

L. sammelt evtl. Segenformulierungen
der S. ein (wenn keine Doppelstunde)

-

-

Am besten eine Doppelstunde nutzen, so dass die Pause hier nur kurz ist!!

Einstieg,
Anschluss

5

Vortrag

L. oder S. schreiben 
einige ihrer Sprüche 
an die Tafel oder auf
Folie, zusätzlich wird
der Aaronistische
Segen und evtl. noch
ein weiterer Segen mit angeschrieben

OHP/
Tafel

 

Vertiefung und Sicherung

10

UG

"Was haben die angeschriebenen 
Sprüche gemein,
worin unterscheiden 
sie sich? Was ist die 
Wirkung des Segens, 
was sind seine Eigen-
schaften?
Was hat er mit
Wünschen
(Abschiedsworten,
Begrüßungen,
 Glückwünschen) 
gemein, worin unterscheidet er sich?"

Es soll u.a. herausgearbeitet 
werden:

  • "Verwandtschaft"
    von guten 
    Wünschen
    und Segensworten: performativer Charakter,
    Ritual, weisen meist über sich hinaus, 
    der Sprechende ist nicht für Erfüllung des Segens verantwortlich, oft begleitet und unterstützt von Handlungen, oft in Schwellen-
    situationen,
    die positive Wir-
    kung, die Zu-
    neigung,
    die sich im 
    Segen/in Wünschen ausdrückt.
  • Unterschiede: unerlässlicher
    Bezug auf Gott
    im Segen, ausgesprochene Rechtfertigung,
    Segen meist Teil 
    des Gottesdiensts,
    ungebräuchliche Form des Optativs, 
    Verdichtung im Segen ...

Tafel

(3a),
zum Teil schon (1)

Zusammen-
assung

10

UG

"Wann werden Segen
wie gesprochen? 
Welche Wirkung haben
sie nach Ihrer Er-
fahrung?
Welche Wirkung sollen
sie wahrscheinlich 
haben?"

Es soll herausgearbeitet werden 
(sofern nicht schon geschehen/wenn 
passend können 
auch immer wieder die Verbindungen, bzw. Unterschiede
zu den selbstgeschriebenen
und selbstinszenierten 
Sprüchen zur Hilfe herangezogen werden):

  • Ort: vor allem im Gottesdienst
  • meist an Anfangs- und End-
    situationen
    an ganze Ge-
    meinde
  • bei wichtigen Anlässen an 
    einzelne Personen
    (Taufe, Konfir-
    mation, Heirat, Kranke)
  • entsprechende Gebärden: ausgebreitete
    Arme, Kreuz,
    Handauflegen
    (ruhig auch vormachen 
    lassen)
  • performative Wirkung: Angenommensein,
    gestärkt werden, etwas mit hinaus nehmen,
    Endpunkt setzen, heilig, ehrfürchtig,
    vielleicht auch unangenehm,
    weil man sich vereinnahmt fühlt.

Tafel

(1) 
durch Reflexion (3)

Vervollstän-
digungung

5

Vortrag

L ergänzt ggf. noch fehlende wichtige
Punkte und kurz etwas
zu Herkunft und Wort-
bedeutung:

  • vorbiblisch, im AT und im NT gebräuchlich
    (auch in anderen Religionen), 
    (wer Interesse 
    hat, kann ja mal
    in der Bibel nachschlagen, 
    wie oft das Wort 
    in welchem Kon-
    text gebraucht 
    wird)
  • von lat. signare –
    mit dem Kreuz versehen,
    "Heil schaffende Kraft"

Tafel

(1)

Abschluss

10

Diskussion

"Sie haben jetzt eine Menge zum Segen
erarbeitet und Einiges selbst ausprobiert. 
Was halten Sie jetzt abschließend davon?
Empfinden Sie Segen
als etwas Angenehmes
oder Unangenehmes,
z.B. wenn Ihnen in der Kirche oder auch auf 
der Straße ein Segen zugesprochen
würde? Könnten, 
würden Sie selbst jemanden segnen,
wann? Warum, warum nicht?..."

-

Bewertung vornehmen, sich selbst
positionieren lassen

Hausaufgabe

5

Vortrag

Text von Steffensky austeilen, HA ist, den 
Text zu lesen und selbst ca. eine Seite dazu zu schreiben:
"Was Sie an seinen Gedanken und Gefühlen
verstehen können und
gut finden und was Sie 
warum anders empfinden oder sehen." Die Texte werden
in der nächsten Stunde nicht vorgelesen, aber 
alle eingesammelt 
werden

 

Kontrolle

 

M1

Guten Tag! Grüß Gott! Auf Wiedersehen.

Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
(4. Mose 6, 22-26)

Ich wünsche dir eine gute Reise.

Der Herr behüte dich vor allem Bösen, er behüte dein Leben.
Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst,
von nun an bis in Ewigkeit.
(Psalm 121, 7-8)

Gute Besserung

May the road rise to meet you,
may the wind be always at your back,
the sun shine warm upon your fields
and until we meet again,
may God hold you in the palm of his hand.
(Irisch)

Gott behüte dich!

Ich wünsche dir aus Herzensgrund,
bleib immer fröhlich und gesund!
Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen,
Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei.

Lass es dir gut gehen.

Ich wünsche dir alles Liebe und Gute, dass du deinen Weg findest und ihn mit Kraft gehen kannst.

Wahre Freunde mögen euch in Freude und Leid zur Seite stehen. Wer in Not ist, finde bei euch Trost und Hilfe, und der Segen, der den Barmherzigen verheißen ist, komme reich über euer Haus. Gesegnet sei eure Arbeit, und ihre Frucht bleibe euch erhalten. Der Herr führe euch zu hohen Jahren und schenke euch die Ernte des Lebens.

  

M2

Die Grundgeste des Glaubens – Der Segen

... Ich möchte ... eine dem Segen feindliche Haltung beschreiben, die in der westlichen Welt eine unbefragte Selbstverständlichkeit geworden ist. Man kann sie in einem Satz sagen: Man kann in dieser Welt nur als Überwinder leben. Glück hat man nur, wenn man seines Glückes Schmied ist. Eine andere Lebensmöglichkeit als die eroberte, die erkämpfte, als die den anderen oder der Natur abgerungene gibt es nicht. ... Was aber sollen die Macher von der Grundlehre der jüdischen und christlichen Tradition halten, die uns sagt: Du stehst nicht unter dem Zwang der Selbstherstellung. Du bist nicht gezwungen, dein eigener Vater und deine eigene Mutter zu sein. Du birgst dich nicht in deiner eigenen Hand. Denn du bist geborgen, und du bist gerufen, ehe du dir einen Namen gemacht hast. Können diese Menschen glauben, dass sie sich nicht sich selber verdanken? Und können sie einen Gestus annehmen, der diesen Grund des Christentums zur Sprache bringt, den Segen? Der Segen ist der Ort höchster Passivität. Es ist der tiefste Ort des Nicht-Ich und des Ich. Es ist der Ort, an dem wir werden, weil wir angesehen werden; es leuchtet ein anderes Antlitz über uns als das eigne; es ist ein andere Friede da als der mit Waffen erkämpfte und eroberte. Der Ausgang und der Eingang sind nicht von den eigenen Truppen bewacht, sie sind von Gott behütet. Welche Erwachsenheit, wie viel Aggressionslosigkeit und wie viel Mut gehören dazu, nicht auf sich selber zu bestehen und auf alle Panzer und Instrumente des Selbstschutzes zu verzichten; zu verzichten sogar auf die eigene Frömmigkeit und auf jede Selbstberufung!

Der Verzicht auf mich selber beim Segen hat eine liturgische Konsequenz: Ich will eine Segensformel und einen Segensgestus, die mir meine Passivität lassen. Ich möchte mich fallen lassen in die Bilder. Ich möchte mich einschmiegen in die wiegende Bewegung der Formel. Ich möchte also nicht gespannt und aufmerksam sein, ich möchte nicht denken, nicht an dieser Stelle. Ich brauche einen Gestus und ein Wort, das ich kenne; das sich schon oft wiederholt hat, mit dem ich meine Erfahrung habe und das mir nicht die Mühe der Bewusstheit abverlangt. ...

... Ich brauche die Form auch als Segnender. Die Form sagt mir, dass ich nicht Garant des Segens bin. Ein Beispiel: 1960 war ich zum ersten Male in Israel. Damals in diesem Land zu sein, war noch nicht selbstverständlich. Ich freundete mich mit einem Israeli, einem Mann meines Alters, an, der in Auschwitz gewesen war. Es war eine der raschen, intensiven Freundschaften, in denen die Partner nicht nur sie selber waren, sie standen auch für ihre Herkunft. Jener neue Freund musste nach Deutschland, und es ergab sich, dass wir die Reise zurück nach Düsseldorf gemeinsam machten. Kurz vor der Landung zog der Freund sein Notizbuch aus der Tasche, riss ein Blatt heraus, schrieb etwas darauf und steckte es mir zu. "Gott behüte Dich!" hatte der darauf geschrieben. Dieser Zettel liegt heute noch bei mir auf dem Schreibtisch. Dieser Mensch hat von sich behauptet, er sei Atheist.

Der israelische Freund hat seine Wünsche nicht stumm gelassen. Er hat ihnen im Segen eine Gestalt gegeben. Für diesen Gestus bedient er sich einer Sprache, die nicht seine eigene ist, er hat sie ausgeliehen aus einer Tradition, von der er sagt, dass er mit ihr gebrochen habe. Er selber erklärt sich als Atheist, und er schreibt: Gott behüte dich! Er steht nicht hinter dieser Sprache, und sie ist nicht gedeckt und verantwortet durch seinen eigenen religiösen Glauben. Er machte sich also widersprüchlich, denn er spricht sie trotzdem. ...

... Wie vielleicht keine andere ist der Segen eine Form des Glaubens und der Hoffnung, in der zwei Menschen von sich selber absehen, der Segnende und der Gesegnete. Der Gesegnete erlaubt sich den Sturz in das Versprechen der Geste und des Wortes. Er fragt nicht nach seinen eigenen Verdiensten und Voraussetzungen für den Segen. Einmal will er nicht zweifeln; einmal will er nicht fragen, wo das Versprechen seinen Ort der Erfüllung hat. Wenigstens an dieser Stelle will er nicht bestehen auf den eigenen Widersprüchen, auf der eigenen Halbheit; auf dem Leben, das durch sich selber nicht gerechtfertigt ist. ... Ebenso sieht der Segnende von sich ab, so wie der Freund die Möglichkeiten seiner eigenen Sprache überstiegen und von sich abgesehen hat, als er die Sprache sprach, die ihm nicht gehörte; als er die Sprache sprach, von der er sagte, dass er nicht an sie glaubte, und an die er doch glaubte, indem er sie sprach. Der Freund steht nicht für das Versprechen, das er gibt. Er spielt ein Spiel, dessen Regeln und dessen Ausgang er nicht garantiert. Das ist die Demut der Segnenden: sie spenden etwas, was sie nicht haben, und ihre eigene Blöße hält sie nicht ab, aufs Ganze zu gehen und Gott als Versprechen zu geben, selbst wenn sie an ihm zweifeln. Sie sind schlechte Buchhalter. Sie bilanzieren nicht, und sie geben nicht nur, was sie haben. Sie beschränken sich nicht auf eine unpoetische Redlichkeit, die nur sagt, was sie verantworten kann; gibt, was sie hat; verspricht, was sie halten kann. Fallen lässt sich also nicht nur der Gesegnete, fallen lässt sich auch der Segnende in die Sprache und in die Geste, die größer sind als sein Herz. Segnen und Gesegnet werden ist das große Spiel der Freiheit von allen Selbstherstellungszwängen, von allen Zwängen der Selbstrechtfertigung.
 


Anmerkungen

  1. Foitzik, Karl/Harz, Frieder: Religionsunterricht vorbereiten. Hilfen für Anfänger – Tipps für Praktiker, München 1985, S. 96
  2. Bizer, Christoph: Liturgik und Didaktik, in: Peter Biehl u.a. (Hg.): Jahrbuch der Religionspädagogik, Bd. 5, Neukirchen-Vluyn 1989, S. 84
    Bizer, Christoph: "Liturgie" als religionsdidaktische Kategorie, in: Jörg Neijenhuis (Hg.): Liturgie lernen und lehren. Beiträge zu Liturgie und Spiritualität, Leipzig 2001, S. 95-118
  3. Bizer, Christoph: Liturgie, in: Norbert Mette, Folkert Rickers (Hg). Lexikon der Religionspädagogik, Neukirchen-Vluyn 2001, S. 1272
  4. vgl. Degen, Roland: Gottesdienst und Religionspädagogik, in: Hans-Christoph Schmidt-Lauber/Karl-Heinrich Bieritz (Hg.): Handbuch der Liturgik. Liturgiewissenschaft in Theologie und Praxis der Kirche, Leipzig/Göttingen 1995, S. 627
  5. Westermann, Claus: Segen, in: Hans-Christoph Schmidt-Lauber/Manfred Seitz (Hg.): Der Gottesdienst, Grundlagen zu Predigthilfen zu den liturgischen Sücken, Stuttgart 1992, S. 244ff.
  6. vgl. Grethlein, Christian: Grundfragen der Liturgik. Ein Studienbuch zur zeitgemäßen Gottesdienstgestaltung, Gütersloh 2001, S. 305-312, 315-319 Meyer-Blanck, Michael: Inszenierung des Evangeliums, Göttingen 1997, S. 117-137
  7. vgl. Ritter, WH.: Segen, in: Lachmann/Rainer u.a. (Hg.): Theologische Schlüsselbegriffe. Biblisch-systematisch-didaktisch, Göttingen 1999, S. 348-354
  8. Josuttis, Manfred: Der Weg in das Leben. Eine Einführung in den Gottesdienst auf Verhaltenswissenschaftlicher Grundlage, München 1991, S. 311
  9. Steffenski, Fulbert: Das Haus, das die Träume verwaltet, Würzburg 1991, S. 311
  10. Obermann, Andreas: An Gottes Segen ist alles gelegen. Eine Untersuchung des Segens im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 1998, S. 117

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2003

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