Multireligiöse und interreligiöse Feiern – Eine phänomenologische und theologische Betrachtung

von Jochen Arnold

 

Kaum ein Thema dürfte in der aktuellen theologischen Diskussion brisanter und in der pastoralen bzw. religionspädagogischen Praxis sensibler sein als das Thema "interreligiöse Feiern". Bereits mit der Überschrift begibt man sich aufs "Glatteis". Worin unterscheidet sich ein Gottesdienst von einer bloßen Feier? Worin unterscheidet sich eine (interreligiöse) Feier von einem (interreligiösen) Dialoggespräch? Welche unterschiedlichen Typen von multireligiösen bzw. interreligiösen oder andersartigen Feiern gibt es und an welchen Orten (Kirche, Moschee, öffentliches Gebäude, Schule) sind sie denkbar?

Aus meiner Arbeit in einem Fachausschuss der Liturgischen Konferenz der EKD, der kürzlich eine Orientierungshilfe unter dem Thema "Mit Anderen feiern – Gemeinsam Gottes Nähe suchen"1 publizieren wird, möchte ich hier eine kurze phänomenologische Skizze geben und dann systematisch-theologische und praktisch-theologische Perspektiven des Umgangs andeuten. Für die Arbeit der Gruppe war es wichtig, multireligiöse Feiern weder zu verurteilen noch ausdrücklich dazu aufzurufen, sondern solche "liturgischen" Phänomene in einer pluralen Gesellschaft aufmerksam wahrzunehmen und theologisch verantwortet zu begleiten. So möchte ich auch den folgenden Beitrag verstanden wissen.

 

1. Phänomenologische Skizze

Aus der Vorbemerkung können wir bereits zahlreiche Fragen entnehmen. Dazu gehört die wichtige Unterscheidung zwischen einer Feier und einem Gespräch: Während das interreligiöse Gespräch Glaubensfragen und Lebensthemen diskursiv beleuchtet, geht es bei einer religiösen Feier um ein rituelles Handeln. Ist das Gespräch rein zwischenmenschlich und "immanent" als Diskussion o.ä. zu begreifen, beinhaltet eine religiöse Feier einen – wie auch immer genauer zu definierenden – Transzendenzbezug. Hier wird mit Liedern und Gebeten "Kontakt" mit Gott aufgenommen; religiöse "Statements" und Lesungen normativer Texte geben aktuell und authentisch Zeugnis von dem, was den jeweiligen Glauben trägt.

Versuchen wir zunächst, unterschiedliche Situationen und Typen von Feiern wahrzunehmen und dabei besonders die Begriffe multireligiös und interreligiös präziser zu fassen.

 

Liturgische Gastfreundschaft

Ein besonderer Ort, an dem regelmäßig unterschiedliche religiöse Feiern gestaltet werden, ist die Schule. Sie ist ein Ort der obligatorischen Begegnung von Menschen mit verschiedenen religiösen Prägungen. Von daher und auf Grund des Alters der Schülerinnen und Schüler bedarf es einer sorgfältigen Abwägung der Art der Gestaltung der religiösen Feier.

In Lünen (nördliches Ruhrgebiet) gestaltet der Schulpfarrer einer Gesamtschule, die von einem hohen Anteil muslimischer Schülerinnen und Schüler besucht wird, evangelische Schulgottesdienste in einer katholischen Kirche, bei denen an verschiedenen Stellen Äußerungen von Vertretern anderer Religionsgemeinschaften möglich sind. Diese haben gewissermaßen Gaststatus im Gottesdienst, sie werden berücksichtigt und auch beteiligt. Insgesamt aber entspricht der Gottesdienst der Grundstruktur der Liturgie eines evangelischen Gottesdienstes. Für die Schülerinnen und Schüler, die anderen Religionsgemeinschaften als der evangelischen Kirche angehören, sowie für deren Eltern bietet diese "reduzierte" Form der multireligiösen Zusammenarbeit eine Möglichkeit zur Mitfeier in der Schulgemeinde.

 

Multireligiöse Gebete der Religionen für den Frieden

Dezidiert multireligiösen Charakter haben die "Gebete der Religionen für den Frieden", die bereits seit 1989 regelmäßig in Witten veranstaltet werden. Die Friedensgebete werden gemeinsam von Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften vorbereitet und durchgeführt. Nicht nur evangelische und römisch-katholische Christen oder Mitglieder muslimischer bzw. jüdischer Gemeinden, sondern auch Vertreter der Baha’i-Religion, des Buddhismus, des Hinduismus, der Sikh-Religion sowie des Sufi-Ordens verantworten und gestalten diese Friedensgebete. Die Vertreter der Religionsgemeinschaften laden sich gegenseitig dazu ein, ihre je eigene Stimme füreinander hörbar werden zu lassen. Der multireligiöse Charakter solcher Veranstaltungen kommt darin zum Ausdruck, dass diese – bei aller Integration der einzelnen Beiträge unter einem verabredeten Thema – jeweils einer bestimmten Religionsgemeinschaft klar zugeordnet werden können. Ausdrücklich wird auf Vermischungen verzichtet. Dadurch ist gewährleistet, dass – ohne Sorge vor Vereinnahmung – möglichst viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt die Einladungen zum Friedensgebet der Religionen und zu anderen Veranstaltungen annehmen können.

 

Multireligiöse Trauerfeiern zum 11. September

Eine neue Dimension erfuhr die multireligiöse Feier mit der weltweit live im Fernsehen übertragenen Trauerfeier "A prayer for America" am 23. September 2001 anlässlich des Terroranschlags vom 11. September. "Sie folgte einer komplexen liturgischen Dramaturgie. Es wurden Reden gehalten (längere Ansprachen und kürzere Anreden), es wurde (in verschiedenen Sprachen) gebetet, es wurde gesungen, populäre Stars traten auf, lokale Chöre, es gab Solo-Lieder und Lieder zum Mitsingen."2 Der Hauptteil der religiösen Feier wurde durch klar identifizierbare Wort- und Musikbeiträge verschiedener Glaubensgemeinschaften in der folgenden Reihenfolge gestaltet: Jüdische Glaubensgemeinschaft, römisch-katholische Kirche, Glaubensgemeinschaft der Sikhs, Muslime, andere christliche Glaubensgemeinschaften (evangelische und orthodoxe Kirchen).

Anlässlich der Ereignisse am 11. September 2001 fand in Wien eine multireligiöse Gedenkstunde statt, an der nicht nur Delegierte der 14 österreichischen Kirchen, sondern auch Repräsentanten der nichtchristlichen Weltreligionen teilnahmen und Worte des Gedenkens und Gebete sprachen.

 

Interreligiöse Schulgottesdienste

Einen Schritt weiter gehen die Initiatoren der "interreligiösen Schulgottesdienste" in Gelsenkirchen-Buer. Die Gestaltung der Schulfeiern ist von dem Bemühen um paritätische Beteiligung bei der Vorbereitung und Durchführung einer religiösen Feier getragen: Die Feier als Ganzes wird zusammen von Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften (hier: aus Christentum und Islam) vorbereitet. Die Bezeichnung "interreligiös" zeigt bereits an, dass das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt wird. Religiös begründete Werte, Themen und Formen des religiösen Kults sollen die Verbindungen der Menschen und ihre gemeinsamen Interessen stärken. Dazu werden Gebete, Texte, Lieder und weitere Elemente eingebracht, die den spirituellen Gepflogenheiten möglichst vieler Menschen unterschiedlicher religiöser Prägungen entsprechen sollen.3

 

Einladung an Nicht-Glaubende

Ausdrücklich an Nicht-Glaubende wenden sich Feiern, wie sie im Erfurter Dom gestaltet werden. Beispielhaft ist die seit Ende der 90er Jahre in Verantwortung der katholischen Domgemeinde St. Marien veranstaltete "Feier der Lebenswende"4, die vom Dompfarrer Dr. Reinhard Hauke als christliche Alternative zur Jugendweihe bezeichnet wird. Es handelt sich um eine Veranstaltung mit "vorsichtigem christlichen Profil", wobei eine nicht konfessionell gebundene Zielgruppe im Blick ist. Dabei wird keine "Bekehrung" intendiert, wohl aber eine "Anregung" durch die Leitung durch einen katholischen Priester sowie durch die Nutzung eines Kirchenraums. Während die Lebenswende der Jugendlichen nicht nur den Anlass gibt, sondern in der Regel auch den Inhalt der Feier bestimmt, werden andere Elemente dieser religiösen Feier direkt aus dem christlichen Gottesdienst entlehnt.

Das letzte Beispiel sprengt zwar in gewisser Weise die Dimension der vorangegangenen, da hier auch Menschen ohne explizite konfessionelle oder religiöse Bindung in den Blick kommen, macht aber zugleich deutlich: Bei Lebensübergängen und in Krisensituationen brauchen Menschen religiöse Ausdrucksformen, spirituelle Angebote, ja ganz konkrete Liturgien, die über bestehende konfessionelle Grenzen hinausgehen.

 

2. Versuch einer Typologisierung verschiedener Feierformen

Es soll nun, der EKD-Publikation folgend, der Versuch unternommen werden, die zahlreichen, zum Teil divergierenden Beobachtungen, die oben zusammengetragen wurden, zu systematisieren. Dabei wird eine graduelle Abstufung von religiös-konfessioneller Verbindlichkeit bis hin zu großer Offenheit vorgenommen. Es ist zu beachten: Die Beispiele können einander rein phänomenologisch oft sehr ähnlich sein. Eine sorgfältige begriffliche Unterscheidung kann helfen, den "Dschungel" der Phänomene zu sichten, der gegenseitigen Achtung Ausdruck zu geben und theologisch verantwortet zu urteilen und zu handeln.

 

Liturgische Gastfreundschaft

Das Modell der Liturgischen Gastfreundschaft ermöglicht den Ausdruck menschlicher Verbundenheit, aber auch das Markieren von Differenzen. In der Regel handelt es sich um zweiseitige Begegnungen. So kann z. B. eine bestimmte Gruppe in der Schule einen Gottesdienst vorbereiten und die Anderen dazu in die Kirche bzw. die Moschee einladen. Damit ist ein klar erkennbares christliches bzw. muslimisches Profil gegeben, das in einem gemeinsamen Lebenszusammenhang mit besonderer Rücksichtnahme der jeweils Anderen zum Tragen kommt. Das Spezifische solcher Gottesdienste ergibt sich aus dem Bild der Gastfreundschaft:

Es ist ein großer Unterschied, ob man jemanden bewirtet oder ob man selbst zum Essen eingeladen wird. Man wird mit dem zugemuteten Fremden für den Gast vorsichtig sein, aber auch nicht seine Wünsche zu kopieren suchen, weil das sowieso misslingt. Als Gast hingegen rechnet man mit dem Fremden und bemüht sich um Toleranz, auch wenn der eigene Geschmack eher nicht getroffen ist.

So wäre es etwa völlig unangemessen, bei der Einladung in eine Kirche um der Muslime willen die Kreuze zu verhängen.5 Die Gäste würden nicht an den ihnen fremden Ort kommen, wenn sie die christlichen Zeichen nicht ertragen wollten. In diesem Modell wird darum das Bekenntnis zur eigenen Gotteserfahrung durchaus seinen Platz haben. So wird man im christlichen Kontext auf christologische oder trinitätstheologische Symbole und Formeln (wie etwa das "Ehr sei dem Vater") bei aller Vorsicht nicht generell verzichten.

 

Multireligiöse Feiern

Bei einer multireligiösen Feier kommen Menschen verschiedener Religionen nebeneinander zu Wort, ohne dass sie gemeinsame Gebete sprechen. Es kann jedoch "nebeneinander gebetet" werden, so wie es von der EKD und von der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz befürwortet wird.6 In der multireligiösen Feier werden unterschiedliche Texte, Lieder oder Gebete etc. nebeneinander und hintereinander gestellt. Darin ist eine profilierte Äußerung der jeweiligen Glaubensgemeinschaft – evtl. auch in liturgischer Kleidung – möglich, ohne dass andere vereinnahmt werden bzw. ohne dass das eigene Proprium aufgegeben wird.7 Auch für einzelne Religionsgemeinschaften grundlegende Elemente wie etwa der Segen, können im Ablauf der Versammlung ihren Platz finden und präsent sein. So sollen die verschiedenen religiösen Prägungen in der Feier vorkommen, die Profile der beteiligten Religionsgemeinschaften ausgedrückt, einer unangemessenen Zusammenführung verschiedener Glaubensinhalte und Gottesvorstellungen, den Ansätzen von Synkretismus, aber entgegengewirkt werden.

 

Interreligiöse Feiern

Die interreligiöse Feier bietet ein gemeinsames Programm, auf das man sich inhaltlich einigt. Dabei wird das Verbindende der verschiedenen religiösen Standpunkte gesucht, so dass man zu gemeinsamen Handlungen (Gebeten, Lesungen und Lieder) kommt. Die Gefahr dabei ist die Vermischung von religiösen Vorstellungen, woraus sich Unklarheiten oder sogar Verletzungen für Mitwirkende oder Besucher ergeben können. Das interreligiös Gemeinsame wird vor allem dann gesucht, wenn eine aktuelle Aufgabe, Herausforderung oder Notsituation das Bemühen um eine gemeinsame liturgische Gestaltung besonders stark werden lässt (z.B. gemeinsames muslimisch-christliches Eheritual oder muslimisch-christliches Gebet in Katastrophensituationen).

 

Religiöse Feiern für alle

Das letzte Modell der Typologie ist etwas deutlich Anderes als die drei bisher erläuterten Modelle. Bei religiösen Feiern für alle begegnet nicht die christliche Religion einer anderen Religion. Christen begegnen vielmehr Menschen, die zwar religiöse Lebensfragen stellen, dabei aber ohne die Antworten der Religionsgemeinschaften auskommen. Aufgrund einer gemeinsamen Lebenssituation wird nach dem Glück und der Hoffnung, nach den Normen des Zusammenlebens und nach der Verantwortung aller gefragt, manchmal aber auch Klage und Betroffenheit zum Ausdruck gebracht. Der Hintergrund ist die allen Menschen gemeinsame Frage nach dem Ganzen des Lebens. Dazu gehören die Fragen nach dem (glücklichen oder unglücklichen) Zufall, nach der Schuld und nach dem Tod. Unglücks- oder Todesfälle, die in den gemeinsamen Alltag einbrechen, stellen auch diejenigen vor religiöse Fragen, denen diese sonst nicht wichtig sind. Aber auch die Sehnsucht nach Glück führt den Menschen an solche Grundsatzfragen heran. Das ist etwa bei Schulanfangs- oder Schulentlassungsfeiern deutlich zu spüren. Besonders im Osten unseres Landes, aber auch in den großen Städten, in denen teilweise weniger als die Hälfte der Bevölkerung noch einem religiösen Bekenntnis angehören, ist dieser Typ von großer Bedeutung.

 

3. Systematisch-theologische Erwägungen zum Verhältnis der Religionen

Wenn Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit einander begegnen, ist die Frage nach der Gültigkeit der jeweiligen Religionen beinahe unvermeidlich. Insbesondere ist nach ihrer Wahrheit8 und nach ihrer Heilsbedeutung für den Menschen zu fragen.

Es besteht kein Zweifel, dass sowohl der Absolutheitsanspruch des Christentums, wie er sich am aggressivsten in den Kreuzzügen des ausgehenden Mittelalters manifestierte, als auch der eines fundamentalistischen Islam, wie er in den militanten Anschlägen von New York oder Madrid zum Ausdruck kommt, viel Schaden für die menschliche Gemeinschaft angerichtet haben. Eben deshalb ist es wichtig, gelungene Begegnungen der Religionen, wie sie schon im Spanien des 12. Jahrhunderts möglich waren, und die dahinterstehende Hermeneutik genauer zu betrachten. Dabei gelingt es den am interreligiösen Dialog Beteiligten oft, nicht nur die andere Seite besser kennen zu lernen, sondern auch den eigenen Standpunkt neu zu verstehen und die neu gewonnene Einsicht in die eigene Spiritualität zu integrieren.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert haben sich in der religionstheologischen Diskussion drei Begriffe ausgeprägt, die jeweils eine unterschiedliche Hermeneutik der Religionen bzw. der Offenbarung zeigen. Man unterscheidet eine exklusive, eine inklusive und eine plurale Sichtweise. Vertreter der so genannten pluralistischen Religionstheologie wollen die ersten beiden durch die letzte überwinden.

Die erste (exklusive) gesteht anderen Religionen grundsätzlich keinen Zugang zum Heil und in der Regel auch keine echte Gotteserkenntnis zu. Klassisch vertreten wurde diese These noch von der dialektischen Theologie (u.a. des jungen Karl Barth) und von der älteren römisch-katholischen Sichtweise (4. Laterankonzil), wonach gilt: "Salus extra ecclesiam non est."9

Die zweite (inklusive) Position vertritt – nicht zuletzt angeregt durch die Theologie Karl Rahners – z.B. das II. Vatikanum, wenn gesagt wird, dass sich "eine gewisse Wahrnehmung der verborgenen Kraft, die dem Lauf der Dinge und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist, bisweilen sogar die Anerkennung einer höchsten Gottheit oder auch eines Vaters" bei verschiedenen Völkern schon seit alters findet. "Die katholische Kirche verwirft daher nichts von dem, was in diesen Religionen heilig ist."10 Allerdings wird an anderer Stelle die Wahrheit und Heilsbedeutung der Offenbarung Gottes unmissverständlich an Christus und an die Kirche gebunden.11 Die Pointe ist, dass dabei über das ewige Heil Andersglaubender keine definitive Aussage gemacht wird (vgl. 1.Tim 2,4).

Pluralistische Religionstheorien kritisieren am ersten Modell seine Intoleranz gegenüber der Gotteserkenntnis anderer Religionen, am zweiten Modell seine vereinnahmende Umarmung (z.B. durch Rahners Begriff der "anonymen Christen") und nehmen selbst eine Art "Vogelperspektive" des Göttlichen ein, indem sie prinzipiell von einer Gleichwertigkeit verschiedener religiöser Offenbarungen ausgehen, die alle an der "universalen Offenbarung" – dies ist der hermeneutische Leitbegriff – teilhaben. Die pluralistische Anschauung selbst besitzt die große Tugend der Toleranz und der Wahrnehmung religiöser Vielfalt, neigt aber dazu, Wahrheit als eine beliebige oder individualisierte Größe zu betrachten.

Aufgrund des biblischen Zeugnisses können unterschiedliche Aspekte der drei Sichtweisen geltend gemacht, neu gewichtet und zu einer neuen Zusammenschau integriert werden.

Ein christologischer Exklusivismus (vgl. Joh 14,6; Apg 4,12 u.a.) ist an vielen Stellen der Heiligen Schrift zu finden. Der Grundtenor lautet: Offenbarung des lebendigen und barmherzigen Gottes und Zugang zum Heil gibt es nicht an der Person Jesu als des letzten und eigentlichen Offenbarers (vgl. Hebr 1,3; Joh 1,17f.) vorbei. Zugleich betonen verschiedene Autoren des Alten und des Neuen Testamentes einen soteriologischen Inklusivismus, wenn etwa Paulus schreibt, dass durch Christi Gerechtigkeit alle gerechtfertigt werden (Rö 5,18), oder der Kolosserhymnus davon singt, dass "in Christus alles versöhnt ist, was auf Erden oder im Himmel ist" (vgl. Kol 1,19f.). Inklusiv heißt in diesem Zusammenhang, dass kein Mensch (etwa durch eine doppelte Prädestination) von Gott schon immer verworfen sei.

Inklusive Bilder finden wir auch in den großen prophetischen Visionen der alttestamentlichen Propheten; zu denken ist an das Motiv der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2,2-5; Mi 4,1-4) und an das Bild eines eschatologischen Freudenmahls aller Völker, bei dem Gott alle Tränen abwischen wird (Jes 25,6-8, vgl. Offb. 21,1-5). Diese Texte entfalten einen eschatologischen Inklusivismus, der die Lehre von der Allversöhnung (apokatastasis panton) zumindest andeutet.

Doch ist zuletzt auch vom biblischen Zeugnis her eine "natürliche" Offenbarung unter den Religionen nicht auszuschließen. Verschiedene biblische Bücher berichten von Menschen, die nicht zur Heilsgemeinschaft der Erwählten (Israels) gehören, dass sie eine deutliche Erkenntnis Gottes haben. Schon auf den ersten Seiten der Bibel ist vom Priesterkönig Melchisedek (Gen 14) die Rede, der zum Vorbild Christi wird (vgl. Hebr 9), Mose lässt sich von seinem Schwiegervater Jethro beraten (Ex 18), die Witwe von Zarpath versorgt Elia auf Gottes Wort hin (1Kön 17), aber auch der Hauptmann von Kapernaum und der Hauptmann unter dem Kreuz werden als Vorbilder des Glaubens beschrieben (vgl. Joh 4 par; Mk 15,39).

Dass es bei jedem Menschen religiöse Erkenntnis gibt, reflektiert Lukas in der berühmten Areopagrede des Paulus (Apg 17,27), wo der stoische Satz aufgenommen ist, dass "Gott allen Menschen nahe ist und wir in Gott leben, weben und sind." Paulus selbst zufolge haben alle Menschen eine Ahnung von Gott, geben ihm aber als Folge der Sünde nicht die Ehre (vgl. Röm 1,19-21).12 Damit wird eine eingeschränkte natürliche Gotteserkenntnis im Blick auf die Schöpfung und Grundeinsichten in das Zusammenleben der Menschen auch in anderen Religionen und Philosophien vorausgesetzt.

Fazit: Vom biblischen Gesamtzeugnis ist die Wahrnehmung einer politischen Weltverantwortung durch die Religionen im Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung nur zu begrüßen. Ethisch betrachtet, ist die plurale Sichtweise also völlig legitim.13 Zugleich ist jedoch im interreligiösen Dialog das exklusive christologische bzw. trinitarische Bekenntnis und eine damit zu verbindende inklusive14 Soteriologie (vgl. 1 Tim 2,4-6; Röm 5,18) festzuhalten.15

 

4. Gemeinsam feiern und Gott anrufen? 
Praktisch-theologische Erwägungen zur Gestaltung multireligiöser Feiern

Wenn Christen sich mit Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zum Gebet versammeln, ist es schon bei der Planung wichtig, Unterscheidungen im Blick auf die verschiedenen Gottesbilder in den Religionen zu beachten.

Die immer wieder zu hörende Aussage, dass die so genannten "abrahamischen Weltreligionen" denselben Einen Gott anbeten, ist nur scheinbar eine Lösung der religionstheologischen und praktischen Probleme.16

Das gilt bereits auf der Ebene der familiären und gottesdienstlichen Sozialisation. Das christliche Gottesbild kommt von der Geschichte Jesu her, wobei für die volkskirchliche liturgische Sozialisation das Weihnachtsfest (in allen familiären, kirchlichen und schulischen sowie öffentlichen Facetten) prägend sein dürfte. Das Miteinander von Jesus und seinem Vater, wie es im "Vaterunser" als dem wichtigsten und bekanntesten Gebet zum Ausdruck kommt, enthält das christliche Verständnis von Gottes Lebendigkeit und Personalität, welchem in der Theologie dann mit den Überlegungen zu Christologie und Dreieinigkeit nachgegangen wurde.

Doch gerade diese christlichen Gotteserfahrungen, die in Christologie und Trinitätslehre Ausdruck finden, werden von Juden wie von Muslimen als Verletzung der Einzigkeit Gottes empfunden. Und wenn Christen zu dem einen Gott Israels beten, dann werden sie niemals von ihrem Zugang durch Jesus Christus im Heiligen Geist absehen können. Der Eine Gott hat für die christliche Erfahrung das in seinem Geist den Christen zugewandte Antlitz Jesu, auch wenn in der Gebetsanrede lediglich das Wort "Gott" oder "Allmächtiger" verwendet wird.

Bezogen auf die Unterscheidung zwischen dem exklusiven, inklusiven und pluralen Ansatz bedeutet das: Vom christlichen Standpunkt aus gesehen ist der Eine Gott der Dreieine (exklusiv). Diesem Gott können sich auch andere Religionen durch spirituelle Praxis, Meditation und Gebet nähern (inklusiv, vgl. Röm 1,19-20; Apg 17,27; 1.Tim 2,4). Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Gott auch die anderen, ja auch unsere "falschen" Gebete und die "falschen" Gebete der Anderen erhört und in seinem Erbarmen zum Guten wenden kann (plural). Muslime können das in ähnlicher Weise formulieren, so dass man im Idealfall im Wissen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten nebeneinander beten kann.

Auf jeden Fall aber müssen wir uns grundlegend über gottesdienstliche Formen Klarheit verschaffen. Dabei geht es zum einen um die Deutung allgemeiner Lebensfragen (in Lesungen, Ansprachen, Liedern und Symbolhandlungen) und zum anderen um das Gebet als liturgische Grundform (auch in gesungener Form als Klage und Bitte, Dank und Lob).

 

Liturgische Elemente der Anrede im christlichen Kontext

Nach biblisch-reformatorischem Verständnis ist die Verkündigung ein geistliches Erschließungsgeschehen, in welchem das Wort Gottes ohne Gewalt durch Reden und Hören mitgeteilt wird (sine vi sed verbo), also wesentlich in Freiheit geschieht. Das gesprochene Predigtwort vereinnahmt die Hörenden nicht, sondern eröffnet ihnen Räume freier Antwort und freudiger Zustimmung bzw. Ablehnung. In der Predigt etwa, die sich selbst als diskursive Rede kenntlich macht (etwa mit den rhetorischen Stilmitteln des Fragens und des Erwägens verschiedener Antworten), kann man daher auch zu Menschen anderer Überzeugungen sprechen.

Stärker als Predigt und Lesungen eignet den Symbolhandlungen des Segens, der Absolution und der Sakramente ein performativer, d. h. Wirklichkeit verändernder Charakter. Wo einem Menschen nach christlichem Verständnis zugesagt wird, dass seine Sünden vergeben sind bzw. dass er (in der Taufe) als Gottes Kind angenommen ist, gilt ihm dies in unmittelbarer Weise als befreiendes Wort Gottes. Ein getauftes Kind ist nicht mehr dasselbe, das es vorher war. Dieses Ereignis hat eine ähnliche Qualität, wie wenn ein Minister vereidigt wird und damit Minister ist oder die Olympischen Spiele als eröffnet erklärt werden und damit auch eröffnet sind.

Darin unterscheidet sich im Übrigen auch das Amtsverständnis eines christlichen Geistlichen von dem eines Rabbi und dem eines Imam oder Hodscha. Ein Rabbi ist primär Toragelehrter, hat also Schrift auszulegen, eine Imamim versteht sich in erster Linie als Vorbeterin und Korangelehrte. Der unmittelbare Zuspruch etwa der Sündenvergebung ist für sie undenkbar und grenzt an Blasphemie (vgl. Mk 2,1-12). Evangelische oder katholische Pfarrer sind dagegen qua Ordination bzw. Weihe in besonderer Weise befugt, Gottes Gnade durch die Sakramente als Mittel des Heils (media salutis) wirkmächtig auszuteilen.

Die Feier der Sakramente ist daher in multi- und interreligiösen Feiern ausgeschlossen.

 

Beten im christlichen Kontext

Während die Predigt eine gewisse Offenheit für argumentative Diskurse besitzt und die Sakramente klar in den kirchlichen Raum gehören, ist es mit dem Gebet zu (dem einen) Gott ungleich schwieriger. Als gemeinsames Reden zu Gott setzt das Gebet nämlich eine gemeinsame Gottes- und Welterfahrung voraus. Es "realisiert" in gewisser Weise das, wovon die Predigt redet, die Beziehung zum lebendigen Gott. Die Theologie spricht über Gott, die Predigt von Gott her, das Gebet jedoch direkt zu Gott. Das Gebet ist darum für das interreligiöse oder multireligiöse Miteinander die anspruchsvollste und schwierigste Form. Auf jeden Fall sollten Anliegen, Form und Inhalt der Gebete zuvor von allen Beteiligten besprochen werden.

Das Gebet macht uns gewiss, dass Gott uns begleitet. Insofern handelt es sich nicht um eine Fortsetzung des interreligiösen Dialoges, sondern um die Unterbrechung des innermenschlichen Dialoges durch den Dialog mit Gott. In diesem Grundverständnis sind sich Juden, Christen und Muslime einig, während sie am Verständnis Gottes selbst ihre Verschiedenheit festmachen.

In den meisten bisherigen kirchlichen Verlautbarungen wird von dem Grundsatz ausgegangen, dass Juden, Christen und Muslime beieinander sein können im Gebet, aber nicht miteinander beten können, so dass das multireligiöse Gebet bejaht, das interreligiöse Gebet aber in der Regel abgelehnt wird.17 Freilich ist zu bedenken, dass die Übergänge in der Praxis nicht so genau zu markieren sind. Es ist durchaus möglich, dass eine Person, die eigentlich einer anderer Religion angehört, während des Gebetes innerlich einer Aussage zustimmt, die im Gebet eines Anderen formuliert wurde, der nicht dieselbe Religion hat.

In diesem Zusammenhang ist auch eine Unterscheidung verschiedener Gebetsformen hilfreich. Bekanntlich gibt es im christlichen Gottesdienst die Grundformen Klage und Lob, Dank, Bitte und Fürbitte. Darüber hinaus gibt es – wie etwa im Württembergischen Gottesdienst – das persönliche stille Gebet, bei dem alle Beteiligten gemeinsam schweigen (vgl. das silentium laus nach Ps 65,2).

Erinnert man sich etwa an die klösterliche Erfahrung, dass das Gebet überhaupt mehr Hören ist als Reden und ganz aus dem Hören erwächst, dann kann das betende Schweigen am ehesten Menschen verbinden, die sich Gott nähern, obwohl sie ihn unterschiedlich verstehen. Wenn die Grunddimension des inneren Hörens beim gemeinsamen Gebet herausgestellt wird, dann ist für die real vorhandenen Differenzen dadurch Raum, dass die Betenden eben unterschiedlich hören und damit ihren unterschiedlichen Gotteserfahrungen Raum geben können, ohne diese zu unterdrücken.

Insofern wird man sagen können: Je mehr das Gebet hörendes Schweigen ist, desto eher eignet es sich für interreligiöse Feiern; je stärker es sich dem Bekenntnis nähert, desto stärker markiert es eine Unterscheidung. Je mehr Gebete mit einer konkreten geschichtlichen Erinnerung zusammenhängen (Anamnese) und je mehr sie sich auf das Kommen des Einen Gottes im Geist Jesu zu der in seinem Namen versammelten Gemeinde (Epiklese) beziehen, desto stärker tragen sie Bekenntnischarakter. Im Vollzug des gottesdienstlichen Feierns steht das bekennende Beten für die Geschichtlichkeit des Glaubens und damit eben auch für die Differenzen zwischen den Religionen im Verständnis der Geschichte mit Gott.18

So ergeben sich folgende Gebetsformen, die sich im Hinblick auf inter- bzw. multireligiöse Feiern in eine gestufte Reihenfolge von Offenheit hin zur Verbindlichkeit bringen lassen:

  1. Gemeinsame Stille bzw. Feierelemente, bei denen jeder den eigenen Gedanken nachgehen kann und zum inneren Hören (auf Gott) gelangt;
  2. die Annäherung an Gott im Modus des Fragens;
  3. die Klage vor Gott angesichts einer bedrängenden Situation;
  4. die gemeinsame Bitte in der aktuellen gemeinsamen Situation;
  5. die Fürbitte für Andere;
  6. das Dank erfüllte Loben und Preisen Gottes aufgrund seiner Taten in Geschichte und Gegenwart;
  7. multireligiöses Bekennen, in dem das Gemeinsame wie das Trennende in der Perspektive der Hoffnung (und nicht nur der Abgrenzung) zur Sprache gebracht wird.19

Diese Unterscheidung zeigt, dass die Übergänge fließend sind und dass darum multireligiöses und interreligiöses Beten nicht immer streng voneinander getrennt werden können, so wichtig diese Grundunterscheidung auch bleibt. In den ersten beiden Formen wird man auch gemeinsam verfasste, interreligiöse Texte verwenden können, in den letzten beiden Formen kann auf jeden Fall nur multireligiös formulieren. Bei den Formen 3 bis 5 steht der multireligiöse Aspekt meines Erachtens schon klar im Vordergrund. Dabei sind sowohl liturgisch geprägte als auch freie Formulierungen denkbar.

Auch wenn man von dem zentralen Problem der Christologie absieht, wird man in beiden Testamenten der Bibel immer wieder feststellen, dass die anthropomorphen Redeweisen von Gott (vgl. Gen 3,5; 11,9 bzw. Mt 6,9 par.) das Spezifikum des christlichen Gottes und des Gottes Israels ausmachen. Dies ist für Muslime sogar dann noch ein bleibender Anstoß, wenn nicht vom "Sohn Gottes" oder vom "Vater" gesprochen wird.

 

Beten im muslimischen Kontext

Wenn wir auf die eben entwickelte Typologie des christlichen Betens zurückblicken, dann ist dieser eine dreifache Unterscheidung im Islam gegenüberzustellen:

  • Das täglich fünfmalige Pflichtgebet (salàt),
  • das meditative Gottgedenken, oft mit einer Perlenschnur (dhikr),
  • das frei formulierte Gebet (du’a).

Die erste Gebetsform ist exklusiv muslimisch. Die zweite Gebetsart bietet Anknüpfungspunkte für gemeinsame Gebetserfahrungen auch bei unterschiedlichen Gottesvorstellungen. Außerdem halten es Muslime in der Regel für wünschenswert, mit Angehörigen anderer Religionen Fürbitte zu halten für den Frieden und für Kranke, Notleidende oder Verstorbene und dazu in der dritten Form frei zu beten. Dieses freie Gebet kann auch in der Muttersprache gesprochen werden. Daraus folgt, dass Muslime die ersten fünf der sieben oben genannten Formen christlichen Gebetes mitbeten können, wenn die Gemeinsamkeiten und Differenzen klar sind und wenn Wertschätzung ohne polemische Abgrenzung ausgedrückt wird.

 

5. Folgerungen für die Praxis

Auf jeden Fall ist festzuhalten: Die Kriterien für Gebete bei gemeinsamen Veranstaltungen können nicht allgemeingültig festgelegt werden. Sie müssen vielmehr jeweils neu gewonnen werden, indem man die Gebetssituation, die jeweiligen Formen des Gebetes und das Gebetsverständnis der beteiligten Glaubenden genau bedenkt und einander zuordnet. Dabei ist die Grundunterscheidung zwischen multireligiös und interreligiös zugrunde zu legen.

Erfahrungsgemäß weisen christlich-muslimische Feiern häufig die Struktur eines christlichen Gottesdienstes auf: Nach der Eröffnung folgen Gebete, Lieder, Texte und Ansprachen, und das Ganze endet mit einer Segensbitte oder einem Segenswort.

Insbesondere bei schulischen Feiern unter Beteiligung von Muslimen und Christen ist nach dem multireligiösen Grundsatz darauf zu achten, dass in der Regel muslimische und christliche Beiträge klar einer der beiden Traditionen zuzuordnen sind. Auch durch eine Annäherung an interreligiöse Elemente sollte die gemeinsame Feier nicht unter der Hand interreligiös werden (mit islamisch-christlichen Begrüßungen, Liedern, Texten und Gebeten), weil dadurch nur Verwirrung gestiftet würde. Denn eine gemeinsame islamisch-christliche Religion existiert nicht, und Schülerinnen und Schüler würden durch eine solche Praxis schlicht fehlinformiert.

Fazit: Wir stehen am Ende eines umfangreichen Betrachtung dessen, was multireligiöse und interreligiöse Feiern im aktuellen theologischen Diskurs bedeuten, welche Probleme und Chancen sie enthalten. Mein Beitrag möchte das innerkirchliche Gespräch – nicht zuletzt unter Pädagogen und Pastorinnen – anregen, zu neuen theologisch verantworteten und spirituell bewegenden Formen von Feiern zu gelangen.

 

Anmerkungen

  1. Gütersloh 2006 (hg. v . Michael Meyer-Blanck u.a.).
  2. Vgl. Cornehl, Peter: "A prayer for America". Der interreligiöse Trauergottesdienst in New York als Beispiel für "Civil Religion" nach dem 11. September, in: Musik und Kirche 3/2004, S. 147.
  3. Vgl. dazu etwa Heinrich, Rolf: Ein Baum ist schön und wie ein Zeichen. Muslimisch-christlicher Abschlussgottesdienst, in: Gottesdienst Praxis Serie B, Schulgottesdienste, Gütersloh 1997.
  4. Vgl. dazu auch Hauke, Reinhard: Die Feier der Lebenswende. Eine christliche Hilfe zur Sinnfindung für Ungetaufte, in: Kranemann, Benedikt u.a. (Hg.): Gott feiern in nachchristlicher Gesellschaft. Die missionarische Dimension der Liturgie, S. 32-48; sowie Lätzel, Martin: Den Fernen nahe sein. Religiöse Feiern mit Kirchendistanzierten, S. 153-157.
  5. Dazu Käßmann, Margot: Gemeinsames Gebet, in: Evangelische Verantwortung 2002 Nr. 6, S. 4-5.
  6. Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen, Theologische Leitlinien, EKD-Text 77 (2003). Ähnlich urteilen viele Verlautbarungen aus den Kirchen der EKD und auch die Katholische Deutsche Bischofskonferenz in ihren "Leitlinien für multireligiöse Feiern von Christen, Juden und Muslimen" (Arbeitshilfe Nr. 170, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz) Bonn 2003.
  7. Vgl. dazu den Gottesdienst im Berliner Dom, der zum Gedenken der Opfer der Tsunami-Katastrophe stattfand. Nachzulesen bei Neijenhuis, Jörg: Auf dem Weg zu Gott Sprache finden. Der ökumenische Gottesdienst im Berliner Dom zum Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe in Südasien, in: Öffentliche Klage und Trauer (ZS der Gem. Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD 01/2005), S. 50-61.
  8. Einen guten und differenzierten Überblick gibt Hüttenhoff, Matthias: Der religiöse Pluralismus als Orientierungsproblem. Religionstheologische Studien, Leipzig 2001, S. 29-153; vgl. dazu auch Petzold, Matthias: Christlicher Wahrheitsanspruch im Missionsauftrag und im Dialog der Religionen, in: Ratzmann, Wolfgang / Ziemer, Jürgen (Hg.): Mission als Dialog, Leipzig 2003, S. 61-69.
  9. Denzinger-Hünermann (=DH), S. 802.
  10. Dogmatische Konstitution Nostra aetate, zit. DH S. 4196.
  11. Vgl. die Dogmatische Konstitution Dei verbum, DH S. 4202-4214.
  12. Auch das Johannesevangelium geht davon aus, dass jeder Mensch, der in diese Welt kommt, durch das natürliche Licht des Logos (Christus) erleuchtet ist, diesen deshalb aber nicht automatisch auch annimmt oder aufnimmt (Joh 1,9 dagegen 1,12).
  13. Eine besondere, medienwirksam verbreitete Position vertritt der Dalai Lama. Er ordnet den interreligiösen Dialog in die allen Menschen aufgetragenen Bemühungen um Frieden ein. Die dem Judentum, Christentum und Islam gemeinsame Abwehr synkretistischer Neigungen weicht bei ihm einer allgemeinen ethischen Perspektive, in der die Religionen das jeweils Ihre eintragen sollen. Damit berührt er das Anliegen des katholischen Theologen Hans Küng, der seit einigen Jahren das Unternehmen Weltethos propagiert. Ihm geht es bewusst nicht um eine synkretistische Weltreligion, sondern um religiös motivierte Weltverantwortung in Wissenschaft und Weltwirtschaft mit dem Ziel, den Weltfrieden zu erhalten und die Völkerverständigung voranzutreiben. Damit nimmt er das Anliegen des interkonziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung auf. Vgl. Küng, Hans: Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, München 1997; und ders.: Wissenschaft und Weltethos, München 1998.
  14. Vgl. dazu auch Wrogemann, Henning: Multiperspektivischer Inklusivismus. Zur Perspektive religionstheologischer Entwürfe, in: Pechmann, Ralph / Reppenhagen, Martin (Hg.): Zeugnis im Dialog der Religionen und der Postmoderne, Neukirchen-Vluyn 1999, S. 76-90.
  15. Wie mit dieser theologischen Einsicht im interreligiösen Dialog konkret umzugehen ist, kann hier nicht ausgeführt werden. Hinweisen möchte ich aber auf die von Christoph Dahling-Sander im Anschluss an Sundermeiers Modell religiöser Konvivenz ins Spiel gebrachte Modell "Dialogischer Existenz". In einer Grundhaltung des Hörens und Bezeugens stellt er einen Modus der Begegnung zwischen Christen und Muslimen zur Diskussion, der dazu herausfordert, "mit Respekt dem Glauben des Anderen zu begegnen und das Gegenüber von dessen Selbstverständnis her zu verstehen". Dabei ist es erforderlich, die "Botschaft des Glaubens", die der andere bezeugt, zu hören und zu verstehen. "Eigene Wahrheitsansprüche können bezeugt werden, weil vorausgesetzt wird, dass das Gegenüber seine Wahrheitsansprüche ebenfalls formuliert." Vgl. Dahling-Sander, Christoph: Christliche Konzepte für den Dialog 9, Hannover 2005.
  16. Vgl. Eißler, Friedmann: Abrahamische Ökumene – eine Option?, in: Theologische Beiträge 36 (2005), S. 173-187. Eißler verweist auf folgende Grundpfeiler christlicher Existenz: "diakonia, Dienst am und für den Mitmenschen; apologia, die Verantwortung der eigenen Identität im Dialog, und martyria, das existenzielle Hingabe einschließende Zeugnis." (S. 185).
  17. Vgl. die Handreichung "Multireligiöses Beten" der Ev.-luth. Landeskirche in Bayern von 1992.
  18. Vgl. dazu Schlink, Edmund: Ökumenische Dogmatik, Göttingen 1993. Schlink unterscheidet fünf Grundformen theologischer Aussage als Antwort auf das Evangelium: Gebet und Zeugnis, Doxologie und Lehre und alle umfassend: das Bekenntnis; vgl. S. 38: "In dem Bekenntnis sind alle Antworten des Glaubens in besonderer Weise konzentriert."
  19. Vgl. dazu das nicht ganz unproblematische Beispiel eines "Christlichen Bekenntnisses im interreligiösen Kontext", Sinfonia Oecumenica, Basel 1999, S. 970-979. Hier wird das christliche Bekenntnis in verschiedene Richtungen ausformuliert.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 2/2006

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