Kindern Theologie zeigen - Ein bilddidaktischer Ansatz zur biblischen Theologie Marc Chagalls im Religionsunterricht

von Heike Lindner

 

Wie lässt sich mit Kindern über das biblische Thema des Exodus theologisch nachdenken? Die Erfahrung des Aufbruchs ins Ungewisse, des Unterwegs-Seins, ist für Kinder zu Beginn einer neuen Schulphase immer präsent. Dieser Unterrichtsentwurf ist gedacht für Schülerinnen und Schüler der 5./6. Klasse. Er versucht Kindern biblische Theologie mit Hilfe von bilddidaktischen Entwürfen näher zu bringen und verstehbar zu machen.

 

Bild-Zeichen der Mose-Geschichten bei Marc Chagall

Im Zentrum dieses Unterrichtsentwurfs steht das Bild "Mose vor dem brennenden Dornbusch"1 von Marc Chagall . Es gehört zu dem Schaffenszyklus "Biblische Botschaft", einem Zyklus von 17 großformatigen Gemälden, welcher 1955-1965 entstand. Chagall hatte zu diesen biblischen Themen Vorarbeiten angefertigt: Zahlreiche Aquarelle und Radierungen liegen diesem Bild voraus, in denen einzelne Szenen aus dem Buch Exodus künstlerisch umgesetzt werden.2

 

Chagalls theologische Bildzeichen erzählen die Mosesgeschichte

Es gibt kaum ein Gemälde, das biblische Geschichte so kompakt darstellt wie "Mose vor dem brennenden Dorn busch" von Marc Chagall. Es ist von der Gesamtkomposition angelegt wie ein Triptychon: Der "rechte Altarflügel" (A) stellt Mose vor, wie er als Hirte die Schafe seines Schwiegervaters Jetro weidet (Ex 3,1a-c). Moses Gestalt ist weiß und erscheint lichtdurchflutet, er kniet, seine rechte Hand ist zum Herzen geführt, seine linke liegt entspannt auf dem Oberschenkel und wird angestrahlt durch einen Goldgelb-Ton. Auf seinem Kopf sind zwei Lichtstrahlenbündel zu sehen. Im Zentrum des "Altarbildes", um den Triptychon-Aufbau weiter zu verfolgen, befindet sich das Ereignis des brennenden Dornbuschs (B), dem Mose zugewandt ist (Ex 3, 1d-15). Der Dornbusch trägt Feuerflammen gleichsam wie Blüten, sie sind ganz organisch in den Strauch eingepasst, die Farbe rot dominiert vor dem Gelb. Die Größe des Dornbuschs entspricht der des knienden Mose. Über dem Dornbusch befinden sich zwei große Lichtkreise, ein goldgelber äußerer und ein rosa bis ins Rot gehender innerer Kreisbogen, aus welchem ein Engel mit ausgebreiteten Armen und transparenten Flügeln erscheint. Das Antlitz des Engels ist androgyn und jugendlich. Das besondere Verhältnis, das sich zwischen Gott und Mose abzeichnet (Ex 6, 2-13), wird durch die Korrespondenz dieser beiden Bildteile versinnbildlicht. Das linke Bilddrittel (C) ist dem eigentlichen Motiv des Auszugs aus Ägypten gewidmet. Die schwer bewaffneten Ägypter verfolgen in einem völlig durcheinander wirkenden Auflauf die Israeliten durch das Meer. Beide Volksgruppen sind getrennt durch eine weiße Wolke, auf der an einigen Stellen das Goldgelb reflektiert. Die Israeliten befinden sich auf der anderen Seite der Wolke, sie ziehen ruhig in Reih und Glied geordnet durch das Meer, bis sie schließlich zu einer goldgelben Fläche gelangen, die die Form des Mose-Kopfes trägt. Insgesamt gesehen handelt es sich bei der Bildmotivik in C um eine Gesamtgestalt, deren Oberhaupt Mose ist und deren Mantel aus zwei Volksteilen besteht (die Ägypter und die Israeliten), die durch einen Wolkenabsatz voneinander abgetrennt werden.3 Dieser goldene Mosekopf schaut zu den Gesetzestafeln, die am linken oberen Bildrand gezeichnet sind (Ex 19, 23 – Ex 20, 17). Diese drei korrespondierenden Bildteile dominieren vor den Details des Aaron, der am rechten Bildrand halb zu sehen ist, jedoch fast Ton in Ton mit dem lebhaft strukturell gemalten sanften Dunkelblau des Bildhintergrundes, das etwa 80 Prozent Bildanteil aufweist. Über dem Bildelement A (kniender Mose) befinden sich in dunkel changierenden Grüntönen gemalte Zeichen, wie beispielsweise kosmische Elemente (Sonne, Mond), Vögel, ein herabfliegender Engel mit einem Schofarhorn.

 

Theologie durch Bildzeichen gedeutet

Es gibt wichtige Farbkorrespondenzen im Bild, durch die die Bildelemente in ein dynamisches Wechselspiel geraten: Das Weiß in A bildet einen Bezug zum Weiß der Wolke in C (auf einer horizontal gedachten Linie), das Goldgelb, das auf der linken Hand des Mose reflektiert wird in A, tritt in Beziehung zum äußeren goldgelben Lichtkreis in B und mit dem goldgelben Kopf des Mose in C (eine von rechts unten nach links oben gerichtete Bilddiagonale), der Schnittpunkt beider Achsen liegt in Teil B (dem brennenden Dornbusch). Theologisch ausgedrückt bedeutet dieser Befund: Der sich der Theophanie Gottes hingebende Mose wird Anführer des Volkes, das Gott sicher durch das Schilfmeer führt auf geradem Wege in das gelobte Land, wo bereits das Gesetzeswerk und damit eine gestaltbare Zukunft auf sie wartet. An der Person des Mose und an den Israeliten hat Gott seine Heilsgeschichte wirksam werden lassen, die mit der Schöpfung der Welt begann (grüne Bildzeichen rechte obere Bildseite) und mit der unmittelbaren Gottesbegegnung des Mose am Berg Horeb (Bildzentrum) über den Auszug aus Ägypten in die Vision einer zukünftigen Welt einfließt, deren Richtschnur die Gesetzestafeln vom Berg Sinai sind.

Die Augen des Betrachters bewegen sich von rechts unten nach links oben über das Bild, diese Rechts-Links-Bewegung entspricht der Leserichtung im Hebräischen, das Bild lässt sich demnach prozesshaft erlesen (s.u.).

 

Bilddidaktische Zugänge

Unterrichtselement: Bildmeditation
Dieser didaktische Weg soll den Schülerinnen und Schülern einen möglichst freien, ungelenkten, emotionalen Zugang zum Bild ermöglichen. Grundidee dieser Bildmeditation ist die unmittelbare Begegnung mit der Sache, aus der heraus den Kindern phantasieauslösende Momente ermöglicht werden. Voraussetzung einer gelingenden Bildmeditation ist eine Kultur der Aufmerksamkeit, d. h. eine Lernatmosphäre, in der die Kinder das Bild in Ruhe betrachten und auf sich wirken lassen können. Der Wechsel von einer willensbetonten Aufmerksamkeit zu einer Aufmerksamkeit, die Leere, das heißt Stille und die Freiheit zur Wahrnehmung aushält, ist Voraussetzung dafür, dass die Schülerinnen und Schüler sich das Bild selbstständig aneignen und ihre Eindrücke dauerhaft memorieren können.4 Hier das entsprechende Unterrichtsszenario:

Die Schülerinnen und Schüler sitzen im Halbkreis vor dem noch zugedeckten Bild "Mose vor dem brennenden Dornbusch". Alle Außen- und Innengeräusche sind abgestellt. Der übrige Klassenraum ist etwas abgedunkelt. Der Lehrer/die Lehrerin erzählt Szenen aus der Mosegeschichte und deckt nach und nach ein Bildelement nach dem anderen auf. Dazu lassen sich aus M 1 zehn Abdeckschablonen aus Kartonpapier ausschneiden. Man fängt mit der ersten an, aus der nur das Feld 1 herausgeschnitten ist (hiermit ist also jetzt nur Moses Kopf mit etwas Bildhintergrund der weidenden Schafe zu sehen), in der zweiten wird wieder Feld 1 und Feld 2 herausgeschnitten (es erscheint nun der gesamte Körper des Mose usw.). In umgekehrter Reihenfolge auf die gleichformatige Bildfolie auf den Overheadprojektor gelegt ermöglichen diese zehn Schablonen ein Aufdecken analog zur biblischen Erzählung. Dasselbe Verfahren lässt sich auch auf zehn Dias übertragen, bei denen die entsprechenden Außenbereiche zu den nummerierten Feldern eingeschwärzt sind. Die Augen der Betrachter wandern mit den Erzählworten über das Bild, sie erkunden langsam und intensiv Farben und Bildelemente parallel zu den Worten. Die Intonation und Deklamation der Moseerzählung wird angepasst an die Erkundungswege der Augen, die – parallel zu den Erzählpausen – an den eindruckvollen Stellen des Bildes verweilen dürfen.

Diese Sehspuren und Sehpfade im Bild (s. o.) ermöglichen den Kindern genau hinzuschauen, nicht nur darüber hinwegzuschauen, sondern – unter Umständen – auch neue Erfahrungen hinsichtlich des Verweilens und des Aushalten-Könnens von Ruhe. Es handelt sich hier also um eine Neuentdeckung der Langsamkeit, was heutigen Schülerinnen und Schülern angesichts ihrer sehrezeptorischen Verhaltensweisen, die beispielsweise durch die Bilderfluten der Videoclips hervorgerufen werden, häufig sehr schwer fällt durchzuhalten.

Die Bildmeditation bleibt ganz den wahrnehmungsförderlichen Zugängen zu Bildern verhaftet. Diese neue Sehweise muss mit der Klasse häufig geübt und von Mal zu Mal allmählich gesteigert werden. Hierzu wird auch dem/der Unterrichtenden Geduld und Ausdauer abverlangt. Wichtig ist es, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder zum Aushalten ermutigt werden.

 

Korrespondierende Bild-Elemente (<--->) und 'Sehpfad' des Betrachters (......)

 

Unterrichtselement: Strukturale Bildanalyse 5
Dieser didaktische Ansatz geht davon aus, dass man ein Bild wie einen Text betrachten kann: Um es zu verstehen, muss man seine Sprache verstehen, die Sprache visueller Zeichen.

Hierbei ist davon auszugehen, dass ein einzelnes Bild-Zeichen keine Bedeutung hat, sondern nur in Relationen gedacht werden kann. Die Bild-Zeichen stehen in Relation zu dem, was der Betrachter ihnen als Bedeutung zumisst, aber sie stehen auch in bestimmten tradierten Bedeutungszusammenhängen.

Die Schülerinnen und Schüler sitzen an Gruppentischen und erhalten nacheinander folgendes Material:

  • eine Reproduktion des Bildes (mindestens DIN 4-Format),
  • vier Schreibfolien mit Folienstiften,
  • eine Legende zu Bildzeichen (M2) und zur Farbsymbolik von Marc Chagall (M 3),
  • eine Aufstellung über die Regeln des Zusammenwirkens von Bild-Zeichen (M 4).

Zum ersten Unterrichtsschritt innerhalb des zweiten Unterrichtselements wird nur die Bildreproduktion benötigt. Die anderen Materialien bleiben verdeckt liegen. Der Lehrer/ die Lehrerin liest die zum Bild gehörenden Bibeltexte (s. u.) laut vor und bittet jeweils zwei der Schülerinnen und Schüler, die Inhalte der Geschichte nachzuerzählen und simultan zur Nacherzählung die Stellen des Bildes zu zeigen.

Dazu gibt man dem jeweils zeigenden Kind am besten eine Vergrößerung des Bildes oder eine Overhead-Folie. Ziel dieser Phase ist es, dass die Kinder das gesamte Bild inhaltlich nacherzählen können. Dieser Schritt ist wichtig, damit die Schülerinnen und Schüler ihre strukturale Bildanalyse später auch verbalisieren können.

Aus meiner Erfahrung kann die Komplexität des Bildes am schnellsten erfasst werden, wenn die Geschichte spannend und plastisch vorgelesen wird. Hier können viele Schülerinnen und Schüler beteiligt werden, ohne dass die Chronologie der Erzählung verloren geht. Dazu könnten die beteiligten Kinder in einer Warteschlange seitlich neben dem Bild postiert werden. Wichtig ist, dass sie nach dem Zeigen ihrer jeweiligen Stelle leise wieder an ihren Platz (oder wieder ans Ende der Schlange, je nach Klassenraumsituation) zurückkehren.

Jetzt wird der Schwierigkeitsgrad gesteigert: Der Lehrer/ die Lehrerin nennt nur wenige Worte mitten aus der Geschichte: Welche Bildstelle ist gemeint? Hiermit macht man sich die visuellen Konditionierungseffekte didaktisch zunutze: Oft reichen nur wenige Worte aus dem jeweiligen Textabschnitt, um die passende Bildstelle zu zeigen. Das Ganze kann dann – je nach Klasse – wie ein Wettkampfspiel werden: Schafft man es, wenn nur "drei Worte" aus dem Abschnitt gesprochen werden? Wenn ja, wie schnell?

Zur Einübung der biblischen Erzählkompetenz dreht man nun das Ganze herum: Ein Kind darf auf ein Bildelement zeigen und ein anderes bitten, nur diesen Teil aus der Mosegeschichte nachzuerzählen. Hierzu könnte man auch Gruppen in der Klasse bilden und einen Erzählwettbewerb ausrichten. Spielerische Elemente steigern die visuelle und verbale Flexibilität der Schülerinnen und Schüler.

Der zweite Unterrichtsschritt gilt dem Erfassen der verwendeten Bild-Zeichen. Hierzu erhalten die Schülerinnen und Schüler die Schreibfolien und die Legende zu den Bildzeichen (M2) und der Farbsymbolik (M 3). Aufgabe ist es, die verwendeten Bild-Zeichen mit Hilfe der Legende aufzufinden und auf der ersten Schreibfolie nachzuskizzieren. Auf der zweiten Schreibfolie halten sie die verwendeten Farb-Zeichen fest.

Mit diesem Unterrichtsschritt können die Schülerinnen und Schüler gleichsam in das Bild "hineingehen", das Nachzeichnen der Bildzeichen von Chagall über deren Konturen schärft den Blick auf ihre Wahl und Anordnung. Die dargestellten Inhalte der Bildzeichen von M 2 dienen dem Erwerb bzw. der Vertiefung zu einem bibelkundlichen Wissen. Das Nachzeichnen hat – wie es sich im Unterricht immer wieder zeigt – eine wichtige memorierende Funktion.

Auf der zweiten Folie (M3) arbeiten die Kinder an einem anderen Parameter der Bildkunst. Je nach Klassensituation sollte man entscheiden, ob hier nur die zweite Folie aufgelegt wird und sie erst danach wieder mit der ersten kombiniert wird. Farbsymbolik ist eine abstrakte, aber zugleich sehr emotional wirkende Angelegenheit, bei Chagall sind es nie reine Farbflächen, sondern bewegte Farbfelder, die außerordentlich stark auf den Betrachter einwirken. Dabei ist es nicht ungeschickt, über Lieblingsfarben zu sprechen und zu fragen, ob die Kinder auch in diesem Bild eine Lieblingsfarbe entdecken!

Im dritten Unterrichtsabschnitt sollen die Schülerinnen und Schüler das Zusammenspiel der Bildelemente detailliert nachvollziehen. Hier dient ihnen M 4 als Hilfe. Auf der dritten Schreibfolie halten sie fest, auf welchen unsichtbaren Achsen die Farb-Zeichen miteinander korrespondieren. Dazu legen sie auf ihr Bild die zweite Folie und ziehen Linien der einander korrespondierenden Bild-Teile nach (vgl. auf S. 14).

Anschließend erzählen die jeweiligen Gruppen, zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind. Die Strukturlinien-Skizzen6 der Schülerinnen und Schüler können durchaus unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Beziehungen die Schülerinnen und Schüler im Bild erkannt haben. Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler immer ermutigt werden, die Geschichte, die hinter einer Zeichen-Korrespondenz liegt, zu erzählen.

Die vierte Schreibfolie dient dazu, alle miteinander korrespondierenden gleichen Körperteile nachzuskizzieren, alle Hände (vier sind sichtbar), alle Köpfe (drei sind sichtbar), alle Körper (zwei sind sichtbar). Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Bewegungsrichtung geht immer von rechts unten nach links oben!

 

Unterrichtselement: Handlungsorientierte und interdisziplinäre Bilddidaktik7 – Verklanglichung
Wie wir oben sahen, ist das Bild von Marc Chagall sehr prozesshaft angelegt, so dass die Augen die verschiedenen Elemente im Bild erwandern können. Musikalisch gesehen kann man von einer Bildrhythmik sprechen. Um das prozesshaft Dynamische des Chagall-Bildes Kindern kinästhetisch erfahrbar werden zu lassen, bietet es sich an, einen Bildteil zu verklanglichen. Durch Musik werden die visuellen Wahrnehmungsprozesse mit den auditiven vernetzt. Musik ermöglicht emotionale Zugänge auf einer ganz anderen Ebene: Das Bild wird durch die Vertonung quasi prozesshaft bewegt, d. h. in Szene gesetzt, und die Musik wird zur Filmmusik.

Dieser handlungsorientierte Unterricht8 kann so aussehen:
Die Schülerinnen und Schüler sitzen in einem Halbkreis, der auf das an die Wand projizierte Bild ausgerichtet ist. In der Mitte des Kreises befinden sich Orff-Instrumente, lateinamerikanische Schlaginstrumente und ein Keyboard.9 Die Klasse entscheidet sich für die Verklanglichung eines bestimmten Bildteiles – in unserem Beispiel für Teil C. Um in eine filmmusikalische Dramaturgik hineinzukommen, ist es sinnvoll sich vorzustellen, das Bild wäre ein langer Filmstreifen. Die erste Filmszene beginnt also mitten im Getümmel der Ägypter, die Kamera ist auf die Soldaten gerichtet, die im wilden Durcheinander jemanden verfolgen, den man noch nicht sehen kann. Die Schülerinnen und Schüler erzählen die sich anschließenden Filmszenen zunächst einmal dramaturgisch weiter.

Zunächst wird festgelegt, wo Szeneneinschnitte gemacht werden können, dort ändert sich auch die Musik. Die Gruppe entschied sich für fünf Szenen und legte folgende filmmusikalische Elemente grob fest:

1. Szene: 
Das Getümmel der ägyptischen Verfolger – Schlachtrufe, Geräusche, klangliches Durcheinander, verfolgende und sich steigernde musikalische Elemente

2. Szene:
Eine mysteriöse Klang-Wolke breitet sich aus und schneidet die bisherigen Klänge und Geräusche ab bzw. überlagert sie

3. Szene:
Aus der Klangwolke heraus schreiten die Israeliten geordnet und ruhig singend, sehr harmonisch auf ein Ziel zu, das ....

4. Szene:
... sich strahlend entwickelt und in einen einzigen glänzenden Klang einmündet

5. Szene:
Aus der Stille heraus ertönen zehn gleichmäßige Glockenschläge, die die Gesetzestafeln verkörpern.

Als Planungshilfe zur Verklanglichung diente das Übersichtsraster M 5. Einige Felder enthalten bereits Eintragungen.10 


Bibelstellen zum Bild für die Rezitation durch den Lehrer

Ex 3, 1a-c                  Mose als Hirte

Ex3, 1d-15                 Mose und der brennende Dornbusch

Ex4, 27-31                 Mose und Aaron

Ex 6,2-13                   Mose und Gott

Ex 14,15-23. 30-31      Der Auszug auf Ägypten

Ex 19, 23-Ex 20, 17     Mose und die Gesetztafeln am Sinai

 
 

M 1

Vorlage für die Herstellung von Abdeckschablonen analog der chronologischen biblischen Erzählfolge



1 Mose als Hirte Ex 3,1a-c

2 Der kniende Mose Ex 6,2-12

3 Mose vor dem brennenden Dornbusch Ex 3,1d-15

4 Aaron Ex 4,27-31

5 Bildzeichen der Schöpfungsgeschichte Gen 1 
und 2

6 Die Ägypter verfolgen die Israeliten Ex 14


7 Die Wolke des Herrn Ex 13,17-22, 14

8 Die Israeliten gelangen sicher durch das 
Schilfmeer Ex 14

9 Mose führt die Israeliten mit des Herrn Hilfe 
durch das Schilfmeer in das gelobte Land Ex 14

10 Die Gesetzestafeln am Sinai Ex 19,23 – 
Ex 20,17

 


 


M 2

Eine Legende zu Bildzeichen in der Malerei von Marc Chagall

Zeichne die verwendeteten Bild-Zeichen Chagalls auf der ersten Schreibfolie umrissartig nach, beschränke dich dabei nur auf das Wesentliche!

Bildzeichen:

Aaron
Der Bruder des Mose, Priester, trägt Priesterkleidung, so beispielsweise den Brustschild und die Priestermütze, beherrscht das Reden vor dem Volk.

Doppel-Kreis
Auch Bogen, erinnert an den Bundesschluss Gottes mit Noah nach der Sintflut, bei welchem er den immerwährenden Kreislauf des Lebens garantiert (vgl. Gen 8,20-22 und Gen 9,8-17).

Engel
Eines der häufigsten Bildzeichen von Marc Chagall, synonym dazu sind Vögel als Bildzeichen für die Wesen, die als Grenzgänger zwischen den beiden Welten hin und hergehen, Zeichen auch der göttlichen Gegenwart. Ihre Funktion ist hilfreich, beauftragt, sinnstiftend, aber auch richtend und bedrohlich. Grundsätzlich steht der Engel bei Chagall für die Begegnungsmöglichkeit mit dem Drüben – beide Welten sind nicht abgeschlossen sondern durchlässig zueinander.

Feuer und Wolke
Der Engel des Herrn erscheint dem Mose in einer feurigen Flamme im brennenden Dornbusch auf dem Berg Horeb, aber der Dornbusch wird durch das Feuer nicht verzehrt (Gen 3,2). Später führt Gott das Volk der Israeliten durch die Wüste aus Ägypten heraus, nachts als Feuersäule und tagsüber als Wolkensäule.

Gesetzestafeln
Die dem Mose auf dem Berg Sinai von Gott übergebene Lebensweisung für das Volk Israel. Meist abgebildet als Zehnwort auf den zwei Tafeln.

Hirte
die Zeichenwelt aus dem Hirtenleben ist zahlreich vertreten in der Bibel, die Geschichte der umher ziehenden Nomadenstämme mit ihren Herden, namhafte biblische Gestalten waren Hirten (z. B. der König David), das Bildwort des Psalms 23 "Der Herr ist mein Hirte", häufig offenbart sich Gott gegenüber den Hirten (so z. B. in LK 2,8-20).

Mose
Entscheidende Gestalt der alttestamentlichen Überlieferung bei der Namensoffenbarung Gottes, dem Auszug aus Ägypten, der Wüstenwanderung, dem Empfang der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai im direkten Gegenüber zum Lichtglanz und zur Herrlichkeit Gottes, so dass Mose dieses göttliche Licht auf seinem widerstrahlenden Angesicht trug, von dem auch die Lichtbündel ausgehen.

Schofarhorn
ist ein aus Widderhorn hergestelltes Musikinstrument, biblisch in unterschiedlichen Zusammenhängen erwähnt: Es kann freudige, aber auch ernste Ereignisse ankündigen. Eine besondere Rolle spielt sein Ton bei der Eröffnung der Ereignisse am Sinai (Ex 19). In der jüdischen Tradition wird mit ihm das Neujahr eingeblasen (vgl. Lev 23,24; Num 29,1). Es erinnert an den Widder, durch den Isaak vom Opfer ausgelöst wurde (vgl. Gen 22,13).

Sonne und Mond
sind häufig Astralzeichen, etwa um eine Tageszeit anzukündigen, sie verkörpern auch das lunar-weibliche und das solar-männliche Prinzip.

Vögel
Synonyme für Engel.

  

M 3

Lege über deine erste Schreibfolie mit den Bild-Zeichen eine zweite Folie und trage die Farbsymbolik ein. Wähle aber nur die Farben aus, die im Bild wiederholt auftauchen. Achte auch auf ganz kleine Stellen!

Farbsymbolik:

Blau
Verkörpert die Fläche des Himmels und die des Meeres. Dabei handelt es sich jeweils um die von jedem Menschen zu machende Erfahrung unserer räumlichen Begrenzung durch die Wasserfläche oder das Firmament, woran sich die oft spekulative Frage anschließt: Was mag dahinter sein?

Goldgelb
Verkörpert die Herrlichkeit Gottes, Farbe der Offenbarung Gottes.

Grün
Dominiert die Bilder der biblischen Urgeschichte, also die Texte mit Erfahrungsthemen für alle Menschen.

Rot
Die himmlische Welt verbindet sich mit der irdischen, Farbe der Offenbarung Gottes.

Weiß
ist oft die Farbe der "Epiphanie", der göttlichen Erscheinung.

 

nach: Christoph Goldmann: Bild-Zeichen bei Marc Chagall. Alphabetische Enzyklopädie der Bildzeichen, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1995

  

M 4

Aufstellung über die Regeln des Zusammenwirkens von Bild-Zeichen 

1. Farben-Code
Du hast bereits auf der zweiten Folie zu den Farben gearbeitet. Schau dir das Ergebnis noch einmal an:

Zu den Farben-Codes kann man alle farblichen Bild-Zeichen zählen. Das Zusammenspiel und die Korrespondenzen zwischen den Farben sind hier wichtig, aber auch die Tonwerte hell-dunkel, die Farbarten, die Mischungen und Nuancen. Ergänze noch einige Beobachtungen. Nimm jetzt die dritte Schreibfolie und ziehe zwischen den Farbfeldern, die zueinander in Korrespondenz stehen, Verbindungslinien. Wo schneiden sich diese Linien?

2. Körper-Code
Schau dir alle Bild-Elemente an, die Körperteile oder einen gesamten Körper abbilden. Ziehe auf der vierten Schreibfolie entsprechende Verbindungslinien.

Welche Hauptbewegungsrichtung deiner Verbindungslinien entdeckst du? Welche körpersprachlichen Gesten entdeckst du? Was bedeuten sie?

3. Geometrischer Code
Mit welchen grundsätzlichen geometrischen Formen arbeitet Marc Chagall? Trage sie als verallgemeinerte geometrische Form auf eine Folie ein. Welche dieser Formen dominieren (von der Größe oder auch Platzierung)?

nach: Manfred Wichelhaus/Alex Stock: Bildtheologie und Bilddidaktik. Studien zur religiösen Bildwelt, Patmos Verlag: Düsseldorf 1981, S. 40ff.

 

M 5

Übersichtsraster zur Verklanglichung des Bildteils C ("Exodus")

Tipps:

Dieses Raster enthält einige Lücken mit Textangaben im Fettdruck. Verständigt euch über mögliche Verklanglichungen zu diesen Bildelementen. Ihr könnt dazu zeitgleich die Bildelemente aufdecken wie im Film. Sucht zur Musik und zu den Filmgeräuschen passende Instrumente, auch körpereigene (klopfen, reiben, stampfen, schlagen, murmeln, sprechen, singen etc.). Haltet vorher unbedingt mögliche Vertonungsabläufe stichwortartig im Raster fest.

Bildelemente und
Ausdeutung

Instrumente/
Stimmen

Inhalte

Ablauf

Thema: Flucht und Verfolgung

"Die Israeliten vorneweg"

Chor

"Hashivenu adonai
elecha"

"Bring uns zurück, 
Gott, zu dir."

a capella, pp tutti, 4 ersten Takte
aus dem Kanon "Hashivenu" M 7



Das ägyptische Heer
verfolgt die Israeliten.
Der Grund für die
Verfolgung wird im
Text der Sprechfuge
deutlich. In der Musik
ist die Fuge die Form,
bei der ein Thema
(Dux) das andere
(comes) verfolgt

Sprechchor

 

 

 

und im weiteren
Verlauf: Congas, 
den Sprachrhythmus
imitierend, Steigerung

Text der Sprechfuge,
s. M 6













M 6

  1. Durchgang: alle zusammen, geflüstert
  2. In drei Gruppen als dreistimmige Sprechfuge von pp – fff
  3. für die 1. Gruppe: drei Komplettdurchgänge
  4. "Halt bleibt hier!" rufen

 

 

Die Wolke des Herrn.






Instrumente, auch körpereigene





instrumental/vokal






(Tipp: Im vorletzten Takt der
Sprechfuge können z. B. die
Instrumente mit der
Verklanglichung des nächsten
Bildelementes einsetzen, zählt
dazu sicht- und hörbar das 
Metrum 1-2-3-4.)

Die Israeliten 
schreiten durch
das Wasser hindurch.

Die Israeliten haben 
im Gegensatz zu den
Ägyptern eine
Kanonmelodie
(strengste Ordnung 
in der Musik!), was
die Verheißung und
Erlösung
versinnbildlicht.



Chor und Stabspiele

"Hashivenu adonai
elecha vena shuva
chadesh yameinu
kekedem"

"Bring uns zurück, Gott,
zu dir, und wir kommen
zurück. Erneuere
unseren Tag wie früher"

 

M 7

  1. Durchgang: tutti pp  gesummt

  2. Durchgang: im dreistimmigen Kanon

  3. " "

  4. wenn die erste Stimme 2 Komplettdurchgänge gemacht hat: Jede Stimmgruppe steht zum Einsatz auf aus Sicht der 1. Stimme:
    Schluss auf dem Schlusston =

  5. alle Stimmen bleiben auf ihrem
    Akkordton stehen.

Der goldene
Mosekopf.

Sänger und
Instrumente in
Auswahl:

 

(Tipp: Überlegt auch passende
Klänge für das strahlende Gold!)

Die Steintafeln
der Thora



Instrumente in
Auswahl



instrumental




(Tipp: Wie könnte man die 10
Gebote mit Klängen darstellen?
Die Zahl 10 könnte doch die
 Gebote versinnbildlichen. Oder
habt ihr noch eine bessere Idee?)

 

M 6

Heike Lindner: Sprechfuge der Äqypter


Tipps:

Übt die Sprechfuge zunächst gemeinsam in einer Stimme abschnittsweise ein. 
Der Rhythmus der Fuge entspricht dem natürlichen Sprachrhythmus. Merkt euch die 
Takte, in denen Pausen vorkommen (in der letzten Zeile müssen immer zwei 
Metrumschläge zwischen die Wörter passen). Versucht die unterschiedlichen 
Textbotschaften unterschiedlich zu deklamieren. Achtet aber unbedingt darauf, 
dass ihr das Tempo haltet. Erst danach könnt ihr es mehrstimmig versuchen!


 

M 7

Hebräisches Lied der Israeliten



Übersetzung: Bring uns zurück, Gott, zu dir, und wir kommen zurück. 
Erneure unseren Tag wie früher.

 

Anmerkungen

  1. Eine gute Reproduktion findet sich in: RainerSommer: Marc Chagall als Maler der Bibel, Wuppertal/Zürich 1995, S. 88f. Außerdem gibt es im Internet einige Anbieter zu O.H.-Folien für den Religionsunterricht (zu finden über Suchmaschinen mit dem Suchbegriff: "Chagall Mose vor dem brennenden Dornbusch"
  2. Folgende Ausführungen gehen zurück auf das Buch von Christoph Goldmann: Bild-Zeichen bei Marc Chagall. Bd. 1: Aphabetische Enzyklopädie der Bildzeichen, Bd. 2: Enzyklopädie zu den Bildern der "Biblischen Botschaft", Göttingen 1995, Bd. 2, S. 154
  3. Christoph Goldmann spricht in diesem Zusammenhang von einem Eindruck, als sei der große goldgelb gemalte Mosekopf mit einem blauen Mantel, mit weißem Pelzbesatz an seinem Saum, bekleidet (so auf S. 156, ebd.). Ich halte es im Gegensatz zu Goldmann für wichtig zu betonen, dass sich hier nicht der Saum des Mantels befindet, sondern die letzte Reihe der den Israeliten nachjagenden Ägyptern die Unterkante des Mantels bildet (der weiße Pelz umgürtet also die Mitte des Mantels). Auch theologisch ist es wichtig zu sagen, dass Gott in seiner Heilsgeschichte auch Fremdvölker vorkommen lässt, ja mehr noch, die Erfahrungen Israels werden unmittelbar durch die Beziehung zu den anderen Völkern wirksam.
  4. Diese Gedanken, die auf Simone Weil zurück- gehen und von Horst Rumpf in der Tradition der Pädagogik von Martin Wagenschein aufgenommen wurden, habe ich ausführlich dargelegt in: Heike Lindner: Musik im Religionsunterricht. Mit didaktischen Entfaltungen und Beispielen für die Schulpraxis, Münster 2003, S. 144ff.
  5. Mit diesem Abschnitt nehme ich Bezug auf den semiotischen Zugang zur Bildbetrachtung bei Alex Stock: Strukturale Bildanalyse, in: Manfred Wichelhaus/Alex Stock: Bildtheologie und Bilddidaktik. Studien zur religiösen Bildwelt, Düsseldorf, S. 36ff.
  6. Zu den Strukturskizzen, vgl.: Vorschläge zu Methoden der Bildbetrachtung in: Margarete Luise Goecke-Seischab/Frieder Harz: Bilder zu neutestamentlichen Geschichten im Religionsunterricht. Einführung in die Bilddidaktik und Ikonographie christlicher Kunst mit acht ausführlich kommentierten Beispielen für Sechs- bis Zwölfjährige, Lahr 11994, S. 19 u. ö.
  7. Dieses Konzept beruht auf Ergebnissen eines bibeldidaktischen Hauptseminars, das ich im Wintersemester 2003/04 an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg durchführte. Die Ideen zur Verklanglichung des Bildteiles C stammen von mir und den Studierenden. Dieses Musikstück ist in einem Semesterabschlussgottesdienst von uns zur Aufführung gebracht worden. Die Spielzeit beträgt ca. 6 Min..
  8. Handlungsorientierte Umgangsformen mit Musik im RU habe ich ausführlich vorgestellt in: Heike Lindner: Musik im Religionsunterricht, a.a.O. (Anm. 3), Kapitel 3
  9. Zur Spieltechnik solcher Instrumente empfehle ich z. B.: Cornelia Villaseca Ribbeck: Von Salsa bis Samba. Eine Einführung in das Percussion-Spiel für allgemeinbildende Schulen, aus: Reihe "Applaus. Musikmachen im Klassenverband", Heft 3, Stuttgart 51997
  10. Das Ergebnis meiner Planung und Umsetzung eines Verklanglichungsbeispiels des Exodus-Bildelementes C ist im Internet-Begleitmaterial zum Loccumer Pelikan unter www.rpi-loccum.de anzuschauen.
  11. Mein eigenes Verklanglichungsbeispiel zu diesen Bildszenen findet sich im U-Begleitmaterial im Internet unter www.rpi-loccum.de.

 

Literatur

  • Christoph Goldmann: Bild-Zeichen bei Marc Chagall. Bd. 1: Aphabetische Enzyklopädie der Bildzeichen, Bd. 2: Enzyklopädie zu den Bildern der "Biblischen Botschaft", Göttingen 1995
  • Margarete Luise Goecke-Seischab/Frieder Harz: Bilder zu neutestamentlichen Geschichten im Religionsunterricht. Einführung in die Bilddidaktik und Ikonographie christlicher Kunst mit acht ausführlich kommentierten Beispielen für Sechs- bis Zwölfjährige, Lahr 11994
  • Heike Lindner: Musik im Religionsunterricht. Mit didaktischen Entfaltungen und Beispielen für die Schulpraxis, Münster 2003
  • Cornelia Villaseca Ribbeck: Von Salsa bis Samba. Eine Einführung in das Percussion-Spiel für allgemeinbildende Schulen, aus: Reihe "Applaus. Musikmachen im Klassenverband", Heft 3, Stuttgart 51997
  • Rainer Sommer: Marc Chagall als Maler der Bibel, Wuppertal/Zürich 1995
  • Manfred Wichelhaus/Alex Stock: Bildtheologie und Bilddidaktik. Studien zur religiösen Bildwelt, Düsseldorf

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2005

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