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Ingo Baldermann: Wer hungrig ist, komme herzu
Ingo Baldermann erzählt die Geschichte des Jesus von Nazareth, Lesung auf drei CDs, EREV-RAV – Verein für biblische und politische Bildung e. V., Woltersburger Mühle 1, 29525 Uelzen,
Telefon 0581 / 77 666, Uelzen 2014, 19,80 Euro

 

„Wir selbst sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen“, schrieb Dietrich Bonhoeffer im Mai 1944 aus dem Gefängnis Berlin-Tegel zum Tauftag seines Patenkindes Dietrich Wilhelm Rüdiger Bethge. Über diese Anfänge sind wir auch 70 Jahre nach dieser Zeitansage Bonhoeffers längst nicht hinaus. Im Gegenteil: Immer noch und immer wieder heißt es: anfangen! Aber wie und womit anfangen? Darauf gibt es nur eine Antwort: mit den Anfängen anfangen! Ad fontes!

Genau zu diesen Anfängen führt die von Ingo Baldermann erzählte Geschichte des Jesus von Nazareth. Was hier im populären Genre des Hörbuchs daherkommt, ist mehr und anderes als bloß dies: Wer diesem von Zärtlichkeit und Kraft bestimmten Wort der Evangelien aufmerksam zuhört, hört die schon tausend- und tausendmal gehörte Geschichte Jesu wie zum ersten Mal. Es ist, als ginge er Seit` an Seite mit dem Erzähler in den Spuren des Nazareners und nähme Teil an dessen Begegnungen mit all den Hungrigen, Blinden, den Verirrten und Verwirrten und den schon vom Tode Gezeichneten und könnte mitansehen, wie sie satt und sehend und wieder klar und lebendig werden. Das an sich ist schon ein Anfang!

Aber die behutsame Genialität der Baldermannschen Erzählkunst geht darüber noch hinaus: Denn wem erzählt er die Geschichte Jesu? Er erzählt sie Jesus selbst: „Da gingst DU zu den Menschen. Da richtetest DU sie wieder auf. Da war DEINE Liebe stärker als die Verzweiflung!“ Es ist gerade so, als wollte Baldermann den Menschensohn an IHN SELBST erinnern: Das bist DU! So warst DU! Und unversehens wird ein Hör-Buch zum Gebet-Buch: „Jesus, fang noch einmal an! Fang mit uns noch einmal an!“ Der Anfang, von dem Bonhoeffer sprach – Baldermann wagt ihn hier. Und denen, die glauben, sich diesen Anfang ersparen zu können, denen mit den fetten Ohren dürfte dabei Hören und Sehen vergehen. Die anderen aber, die Anfänger – und wer wäre das nicht? – werden über dem Hören des Wortes hellhörig wie lange nicht!

Peter Neuhaus

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2015

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