Abendmahl inklusiv – Ideen auf dem Weg zu einer inklusiven Konfirmandenarbeit

von Christine Stoppig

 

Jugendliche lernen, wenn sie den Lerninhalt zu ihren eigenen Lebenserfahrungen in Beziehung setzen können. Jugendliche lernen das, was ihnen einleuchtet und sie unmittelbar anspricht. Sie lernen, wenn etwas erfahrbar, erlebbar und spürbar wird, wenn sie sich mit etwas identifizieren können. Das gilt für alle Jugendlichen – ob mit oder ohne Behinderung!
Dies ist seit Jahren die Grundlage der integrativen Konfirmandenarbeit, die Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Behinderungsgraden in eineinhalb Jahren Unterrichtszeit auf die Konfirmation vorbereitet. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass diese Form von Unterricht auch für nicht-behinderte Jugendliche immer attraktiver wird, so dass sich einzelne immer wieder ganz bewusst zu unserer Konfirmandengruppe anmeldet haben. Um diese Inklusionserfahrung für mehrere Jugendliche zugänglich zu machen, laufen derzeit konzeptionelle Gespräche mit der Kirchengemeinde vor Ort, um unsere Konfirmandenarbeit insgesamt inklusiv und damit mit gleichberechtigten Anteilen für alle Beteiligten aufzustellen.

Kinder im Kreis


Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Unterricht mit einer gemeinsamen Mahlzeit und einem kleinen Spaziergang zu beginnen. Die Jugendlichen haben erst einmal Zeit anzukommen, können miteinander ins Gespräch kommen und sich von der Schule erholen. Danach beginnt der Unterricht, der in einer großen Runde auf dem Boden des Gemeindesaals stattfindet. Immer zwei sitzen auf einer eigenen Decke, ein eigenes kleines Reich, das niemand streitig macht. Die Klarheit, die sich aus dieser Aufteilung ergibt, schafft eine große Klarheit und Ruhe für den Unterricht. Die Decken sind um eine gestaltete Mitte gelegt, was die Konzentration fördert. Die Orientierung auf diese äußere, die sichtbare Mitte bewirkt eine Konzentration auf die innere Mitte. Die Mitte selbst wird mit bunten Tüchern, Blumen und symbolischen Gegenständen entsprechend des Unterrichtthemas gestaltet, so dass das Thema bereits über die Mittengestaltung eingeführt wird.

Liegen Spannungen in der Luft oder eine Nervosität, die die Jugendlichen nicht zur Ruhe kommen lässt, beginnen wir mit Übungen aus der Körperarbeit (Massagen, Klopfübungen, gestalttherapeutische Übungen), damit sich die Jugendlichen gut auf den Unterricht einlassen können. Nach einem festen Ritual mit den drei Kerzen des Lebens, der Liebe und der Hoffnung, die von den Jugendlichen angezündet werden, beginnt die Bearbeitung des jeweiligen Themas. Am Ende des Unterrichts steht ebenfalls ein festes Schlussritual mit Vaterunser und Segenslied.

Die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts ist sehr vielfältig und kreativ. Es werden nicht-kognitive und sinnenhafte Zugänge zu den Themen geschaffen. Es ist wichtig, dass die Jugendliche über ihre eigenen Erfahrungen ins Gespräch kommen können. Ein wesentliches methodisches Element der Arbeit ist das Erzählen mit Bodenbildern, der sog. Religionspädagogischen Praxis nach Franz Kett. Das Erzählen der biblischen Geschichte und die eigene Gestaltung und damit auch Deutung des Erzählten greifen unmittelbar ineinander. Die Methode erlaubt eine große äußere und damit auch innere Beteiligung der Jugendlichen.

Kerzen


Klassische Unterrichtselemente wie das Erledigen von Arbeitsaufträgen in Kleingruppen, Textarbeit oder eine rein theoretische Annäherung an ein Thema kommen in unserer Unterrichtsgestaltung nicht vor. Viele Jugendliche können überhaupt nicht lesen oder tun sich zumindest schwer damit. Und für „nicht-behinderte“ Jugendliche mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche kann es eine große Entlastung sein, bei der Konfirmation nichts laut vorlesen zu müssen. Die einzelnen Themen werden in der Gesamtgruppe erarbeitet. Jeder Jugendliche hat einen (meist) ehrenamtlichen Mitarbeiter zur Seite, um ihn zu unterstützen: Das kann die Hilfe beim Toilettengang genauso wie ein erklärendes Wort zum Thema sein. Auch bei Konzentrationsschwierigkeiten hat sich die Eins-zu-eins-Situation bewährt. Der Mitarbeiter merkt schnell, wenn es zu einer Aufmerksamkeitsstörung kommt und kann im direkten Kontakt darauf reagieren, so dass die Großgruppe nicht davon gestört wird.

Sich in so kleinen und erfahrungsorientierten Schritten einem Thema zu nähern, bedeutet, dass man sich dafür viel Zeit nehmen muss. Es braucht Zeit, Ruhe und viel Geduld, jedem einem unmittelbaren Zugang zu eröffnen. Wir wählen deshalb aus dem klassischen Themenkatalog des Konfirmandenunterrichts nur einige, vergleichsweise wenige Themen aus, die wir dann intensiv bearbeiten. Über die Arbeit an diesen exemplarischen und zentralen Glaubensthemen erschließt sich eine tiefe geistliche Dimension, die den ganzen Unterricht und das Miteinander von allen Beteiligten trägt.


Thema: Abendmahl

Gut zu veranschaulichen ist dies an unserer Einheit zum Abendmahl. Der folgenden Abendmahlserzählung gehen voraus:

  • eine Rückengeschichte zum Wachsen des Korns,
  • eine sinnliche Erkundungsrunde von Samenkörnern (blind ertasten, riechen, kauen),
  • Mahlen der Körner mit einer Handmühle,
  • Gemeinsames Brotbacken,
  • Gemeinsames Essen eines Teils des Brots,
  • Sinnliche Erkundungsrunde zu den Trauben,
  • „Saft“ aus den Trauben pressen (Vorsicht: sehr matschig!),
  • Lieder zum Abendmahl einüben,
  • Gemeinsame Bildbetrachtung: Abendmahlsbild von Sieger Köder: Wer gehört dazu? Wer sitzt alles mit am Tisch? Wer lädt ein? Mit welcher Stimmung kommen die Gäste?
  • Essenerfahrungen zusammentragen,
  • Gespräch über Tischkärtchen und ihre Funktion: Jeder hat seinen Platz am Tisch. Jeder gehört dazu.
  • Beschriften der Teller mit goldenem Stift: Teller als besonders feierlicher Platzhalter am Tisch.


Abendmahlserzählung zum Abschluss der Einheit

Den Abschluss der Einheit zum Abendmahl bildet die folgende Abendmahlserzählung mit Hilfe eines Bodenbilds. (Die Regieanweisungen zum Legen des Bodenbildes sind mit einem > versehen.)

  • In der Mitte liegt ein großes, rundes Tuch in einer feierlich wirkenden Farbe. Bei uns war der Stoff dunkelblau, man kann aber auch gut eine weiße runde Tischdecke dazu nehmen. Gemeinsam mit allen wird der Tisch ganz feierlich gedeckt: mit Kerzen, Blumen, Goldschmuck etc. – so, wie man heute eine feierliche Tafel decken würde. Für jeden wird ein Teller mit seinem Namen in goldener Schrift an den Rand des Tuchs gestellt.

Ungefähr 2.000 Jahre ist es her, da hat Jesus seine Freunde auch zum Essen eingeladen.

  • Als Symbol für Jesus wird eine dickere Kerze angezündet und auf das Tuch gestellt.

Jesus war mit seinen Jüngern, den Freunden, nach Jerusalem gekommen. Er wollte dort das Passahfest feiern. Zu diesem Fest gehört es, dass man am ersten Abend zusammen isst und sich daran erinnert, wie Gott sein Volk aus Unterdrückung und Sklaverei befreit hat.
Auch Jesus und seine Freunde wollten das zusammen feiern.
Und wie es damals üblich war, stellte Jesus Brot und einen Krug mit dunklem Traubensaft auf den Tisch.

  • Brot und Saft werden auf das Tuch gestellt.

So saßen sie miteinander an dem festlich gedeckten Tisch. Jesus schaute in die Runde und schaute jeden einzelnen an. Er kannte seine Freunde gut: ihre Stärken und ihre Schwächen, ihre Fähigkeiten und ihre Schwierigkeiten. Er spürte die Kraft und Energie, die in ihnen steckt – aber auch die Ängste und Unsicherheiten, die zu ihnen gehörten.

  • Erzählung evtl. mit Details ergänzen, die den Jugendlichen eine Identifikation anbieten: z.B. Einer war eher draufgängerisch, ein anderer eher schüchtern. Einer war kaum zu bremsen, wenn er mal mit reden anfing, ein anderer war eher still und nachdenklich. Einer war sehr hilfsbereit … – persönlich ansprechen, aber nicht zu persönlich werden!

Jesus kannte seine Freunde gut und er fand es toll, dass sie so unterschiedlich waren.
Er war stolz, dass er solche Freunde hatte!

Kindermutmachlied: „Wenn einer sagt, ich mag Dich du…“ (Mein Liederbuch, C15)

Für Jesus war es wichtig, gute Freunde zu haben, weil er wusste, dass er noch einen schweren Weg vor sich hatte. „Liebe Freunde“, sagte er zu ihnen, „ich werde heute das letzte Mal mit euch zusammen essen können. Es tut mir leid, aber ich muss euch verlassen, weil ich sterben muss. Aber ich möchte trotzdem mit euch verbunden bleiben, ich möchte heute mit euch zusammen essen und trinken, damit Ihr mich immer in Erinnerung behaltet, damit Ihr an mich denkt und spürt, dass ich trotzdem noch für euch da bin. Lasst uns deshalb jetzt zusammen essen und trinken, lasst uns das miteinander teilen, was da ist.“

Da nahm Jesus das Brot in die Hand.
Er dankte Gott für das Brot und brach es auseinander.
Dann gab er es seinen Freunden und sagte:
Das ist wie mein eigener Leib,
der für euch gegeben wird.
Esst von diesem Brot und denkt an mich.
So bin ich bei Euch.

Und alle aßen gemeinsam von dem Brot.

Und Jesus nahm auch den Kelch.
Er füllte ihn und dankte Gott dafür.
Er gab den Kelch herum und sagte:
Das ist wie mein eigenes Blut.
Es verbindet uns miteinander und hebt alle Schuld auf.
Trinkt aus dem Kelch und denkt an mich.
So bin ich bei Euch.

Und jeder nahm einen Schluck aus dem Kelch.

Lied: „Du bist das Leben“, Strophe 2
(Menschens Kinder Lieder 2, Nr. 24)

Nach dem Essen sprach Jesus seinen Freunden Mut zu und sagte:
„Wann immer ihr so zusammen sitzt und Brot und Saft miteinander teilt, dann bin ich bei euch. Auch wenn ich bald sterbe: Wann immer ihr so zusammen seid und an mich denkt, bin ich da. Wann immer ihr in meinem Namen Gemeinschaft habt, bin ich mitten unter euch. Das ist mein Versprechen!“
Das, was Jesus seinen Freunden versprochen hat, das gilt natürlich auch für uns heute: Wann immer wir in seinem Namen das Brot miteinander teilen, wann immer gemeinsam aus dem Kelch trinken, dann ist Jesus bei uns, mit all seiner Kraft, seiner Güte und seiner Liebe.
Als äußeres Zeichen für diese Liebe holen wir uns das Licht von der Jesuskerze und zünden für jeden von uns ein Licht an.

  • Teelichter herumreichen, anzünden und rund um das Tischtuch stellen.

kerzenkreis


Beispielhafte Erzählung mit Bodenbild zum Thema Taufe

Die Gestaltung der Landschaft wird im Folgenden von den Jugendlichen selbst vorgenommen. Sie entscheiden, wo die Berge stehen, der Fluss fließt etc.

Ein weites Land liegt vor uns.

  • Rundes, braunes Tuch wird in die Mitte gelegt.

Das Land ist weit und flach. Es gibt aber auch Berge in diesem Land, mehrere Berge, …

  • Kleinere braune Tücher werden mit einer Spitze nach oben „aufgestellt“.

Ein Fluss fließt durch das Land. Er schlängelt sich durch das ganze Land und versorgt es mit Wasser.

  • Blaue längliche Tücher werden als Fluss gelegt.

Dort am Fluss, dort, wo das Wasser hinkommt, beginnt es zu grünen und zu blühen. Pflanzen wachsen dort: Gras, kleine Büsche, direkt am Wasser können sogar Bäume wachsen …

  • Kleine Zweige, Streublumen u.a. werden gelegt.

Dort, wo kein Wasser hinkommt, kann nichts wachsen und der Boden ist trocken und karg. Dort wo kein Wasser hinkommt, ist Wüste.

  • Sand wird ausgestreut.

Ich möchte Euch eine Geschichte aus diesem Land erzählen, das Israel heißt. Und der Fluss, den wir gerade gelegt haben, heißt Jordan. An diesem Fluss lebt Johannes, ein Mann Gottes, ein Prophet.

  • Eine kleine Holzfigur wird hingestellt.

Einer, der mit seinem Herzen ganz wach ist und Gottes Stimme im Herzen hört. Einer, der weiß, worauf es ankommt. Er ist hierher in die Einsamkeit gezogen, weil er das oberflächliche Leben in der Stadt satt hat. Er hat es satt, dass sich alles immer nur um Macht und Geld dreht. Er möchte auf das hören, was Gott ihm zu sagen hat, und das den Menschen weitersagen. Menschen von überall her kommen zu ihm hin …

  • Mehrere kleine Holzfiguren werden hingestellt.

… weil sie spüren, dass er ihnen etwas Wichtiges zu sagen hat: „Wacht doch endlich auf. Denn Gott kommt zu Euch und will etwas ganz Neues beginnen. Gott möchte Euch ein neues Leben schenken! Seid wachsam und achtsam und lasst euch von mir taufen.“ Und die Menschen fühlen sich von seinen Worten angesprochen und lassen sich von ihm taufen.
Heute werden bei der Taufe ein paar Tropfen Wasser auf die Stirn getropft. Damals war das anders: Die Menschen haben sich in den Fluss gestellt und wurden bei der Taufe ganz untergetaucht, mit dem ganzen Körper unter Wasser.

  • Die Holzfiguren werden in den Fluss gestellt.

Die Menschen werden ganz untergetaucht. Sie spüren das Wasser überall um sich herum, sie werden umhüllt vom Wasser, getragen vom Wasser. Deshalb ist das Wasser auch so ein gutes Symbol für die Liebe Gottes, in die wir eintauchen können, die uns umgibt, die uns trägt, die uns belebt. Wenn wir mit Wasser taufen, soll uns das daran erinnern.
Eines Tages kommt Jesus zu Johannes an den Jordan.

  • Eine größere weiße Kerze wird angezündet und an den Fluss gestellt.

Jesus sagt zu Johannes: „Johannes, ich möchte, dass Du mich taufst.“ Aber Johannes erwiderte ihm: „Was, ich soll Dich taufen? Ich bin es nicht wert, Dich zu taufen. Jeder weiß, was für ein besonderer Mensch Du bist. Eigentlich müsstest Du mich taufen!“ Aber Jesus bleibt dabei: „Nein, Du sollst mich taufen. Denn ich möchte wie die anderen Menschen in den Jordan steigen und von Dir getauft werden.“ Jesus geht zu Johannes ins Wasser.

  • Die Kerze in den Fluss stellen.

Er lässt sich von ihm taufen. Jesus taucht unter in den Fluss und steigt wieder heraus. Er spürt, wie das Wasser ihn erfrischt hat. Er spürt die Nähe Gottes, die ihn umgibt und er hört seine Stimme, Gottes Stimme: „Jesus, Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen, an Dir habe ich Freude.“ Jesus fühlt in diesem Moment ganz deutlich, dass Gott ihn lieb hat und spürt, wie viel Kraft in seinen Worten steckt.
„Du bist mein geliebtes Kind, an Dir habe ich Freude.“
Diese Worte trug Jesus sein Leben lang wie einen wertvollen Schatz in seinem Herzen.

Lied: „Gottes Liebe ist so wunderbar“
(Liederbuch zum Umhängen, Nr. 32)

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2011

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Pfarrerin Christine Stoppig ist Leiterin der Aktion Menschenstadt – Behindertenreferat des Evangelischen Kirchenkreises Essen.