Eine Lehrerin kann nicht zeitgleich Seelsorgerin und Lehrerin sein – Können Lehrerinnen und Lehrer zugleich Schulseelsorger sein? – contra

von Uwe Hobuß

 

Eine Lehrerin oder ein Lehrer kann keinesfalls zeitgleich professionelle Seelsorgerin und Lehrerin sein. Gäbe es ein solches „zugleich“, wäre das, was dabei herauskäme etwas Neues, weder ein Lehrer noch ein Seelsorger. Man kann im besten Fall nacheinander Seelsorger und professioneller Lehrer sein. Und auch das ist schwierig genug, denn es gilt, diese unterschiedlichen Rollen und das jeweils dazugehörige Selbstverständnis in der konkreten Situation immer wieder neu zu unterscheiden und zu trennen. Der Anspruch muss sein, immer zu wissen, was man gerade tut, in welchem Setting, mit welcher Haltung welche Zielsetzung angestrebt wird. Dies ist trotz und gerade wegen der vielen Gemeinsamkeiten und Überschneidungen zwischen Pädagogik und Seelsorge schwierig.

Eine pädagogische Haltung und ein pädagogisches Selbstverständnis sind nicht mit einer seelsorglichen Haltung und einem seelsorglichen Selbstverständnis identisch, sondern können in besonderen Fällen sogar konkurrieren und zu Rollenkonflikten in der Schulseelsorgerin oder im Schulseelsorger führen.

Darf die Lehrerin mit dem, was die Seelsorgerin weiß, etwas machen? Unter welchen bestimmten Bedingungen darf sie das?

Der Rolle und dem Selbstverständnis einer Lehrerin oder eines Lehrers kommt es näher als pädagogische Fachexpertin oder Fachexperte gesehen zu werden und sich selbst so zu verstehen. Bewertungen von Schülerinnen und Schülern im Kontext von Fördern und Fordern im Unterricht gehören zu den Kernaufgaben einer Lehrerin und eines Lehrers.

Der Rolle und dem Selbstverständnis einer professionellen Seelsorgerin oder eines Seelsorgers kommt es näher, sein Gegenüber als Fachexperte des eigenen Lebens zu sehen und sich selbst demgegenüber eher als Unwissenden. In der Seelsorge geht es ums Hinhören und Verstehen, ums Aushalten oder Konfrontieren, es geht um Begegnung, um Kontakt mit dem Nichtverstandenen und natürlich nicht um Bewertung dessen, was schwer zu verstehen ist. Professionelle Seelsorge geschieht im Kontext eines Konzeptes von Seelsorge und kann verstanden werden als ein strukturiertes und deutendes, auf Glauben bezogenes und emanzipatorisches Geschehen.

Im schulischen Alltag könnte das Miteinander von den Professionen der Lehrerin und der Seelsorgerin in ein und derselben Person bedeuten, dass in kurzer Zeit ein kompletter Rollenwechsel inklusive des oben genannten Paradigmenwechsels zu vollziehen ist. In der Pause wird z.B. die Lehrerin von einer Schülerin angesprochen; dann muss sie in die Rolle der Seelsorgerin wechseln und damit auch in ein anderes Selbstverständnis. Das Ganze, also dieser Übergang von der einen in die andere Identität muss in sehr kurzer Zeit vollzogen werden. Die Lehrerin wird dann temporär Seelsorgerin sein und muss am Ende der Pause wieder zurück, den Übergang in die Rolle und das Selbstverständnis der Lehrerin leisten.

Zur Lehrerin gehört, dass sie z.B. in Notenkonferenzen offen über die Leistungen einer Schülerin mit anderen Lehrern spricht. Über die Inhalte dessen, was sie im Seelsorgekontakt erfahren hat, darf sie nicht sprechen. Das Seelsorgegespräch ist durch das Seelsorgegeheimnis geschützt. Die Seelsorgerin oder der Seelsorger hat die Pflicht den Gesprächsuchenden zu schützen.

Die Frage, ob Lehrerinnen und Lehrer zugleich Schulseelsorger sein können, setzt einiges an Begriffsklärung und Bewusstsein im Lebensraum und Handlungsfeld Schule voraus: es muss geklärt sein, was eine professionelle Schulseelsorgerin ausmacht und von einer aus christlichem Selbstverständnis und christlicher Motivation heraus seelsorglich handelnden Lehrerin unterscheidet.