Manche aus Magdeburg haben mich gefragt, warum ich mich taufen ließ

Lena Sonnenburg im Gespräch mit der Immobilienfachwirtin Anja Philippeit

 

Lena Sonnenburg: Liebe Anja, danke, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Vielleicht magst du erst einmal von dir berichten?

Anja Philippeit: Ja, gern. Ich bin 32 Jahre alt, verheiratet, habe einen kleinen Sohn, Jannick, der ist fast zwei Jahre alt. Ich bin gelernte Immobilienfachwirtin und wohne mit meiner Familie in Schulenburg bei Han-nover.

Sonnenburg: Aber ursprünglich kommst du nicht aus der Nähe von Hannover?

Philippeit: Nein, ich bin in Magdeburg geboren und aufgewachsen. Dort bin ich auch zur Schule gegan-gen. Erst zu Beginn meiner Ausbildung wollte ich etwas Neues kennen lernen und bin nach Hannover-Stöcken gezogen.

Sonnenburg: Das Thema unserer Zeitschrift heißt ja „Ich bin nicht religiös, ich bin normal.“ Kannst du dazu etwas sagen?

Philippeit: Na klar (lacht)! Aufgewachsen bin ich nämlich komplett ohne Religion, aber heute gehöre ich der hiesigen Gemeinde an.

Sonnenburg: Magst du davon berichten?

Philippeit: In meiner Familie und auch in der Grundschule haben Religion oder Religionsunterricht nie eine Rolle gespielt. Meine Familie war dem Thema gegenüber nicht negativ eingestellt oder so, aber es war bei uns einfach überhaupt nicht dran. Auch in der Schule nicht, denn wir hatten in der Realschule gar nicht die Wahl, am Religionsunterricht teilzunehmen. Alle Kinder meiner Klasse besuchten den Ethikunterricht. Ich erinnere mich aber, dass wir einen Jungen in der Klasse hatten, dessen Eltern religiös waren. Der hat dann auch am Konfirmandenunterricht teilgenommen und wurde konfirmiert, war viele Jahre so auch ein biss-chen der Außenseiter der Klasse, denn wir hatten ja alle die Jugendweihe und er eben nicht.

Sonnenburg: Kannst du die Jugendweihe genauer erklären?

Philippeit: Eigentlich ähnelt die Jugendweihe der Konfirmation etwas, jedenfalls ist es auch ein sehr wichtiger Tag im Leben der Jugendlichen. Ich war 13 bei meiner Jugendweihe und erinnere mich, dass wir im Rathaus waren, eine Urkunde erhielten, dann mit der ganzen Familie essen gingen und anschließend bei uns zu Hause feierten. Es gab viele Geschenke, auch Geldgeschenke, eben so wie bei der Konfirmation auch und abends trafen sich die Jugendlichen, um das erste Mal gemeinsam zu trinken.
Von dort an wurden wir dann in der Schule auch gesiezt, wenn wir das wollten. Es war eben der Schritt, ab dem man als erwachsen galt.

Sonnenburg: Musstest du denn die Jugendweihe bekommen?

Philippeit: Das weiß ich gar nicht ganz genau – alle haben es halt einfach bekommen. Wie eben auch fast alle hier in Hannover zur Konfirmation gehen. Nur wir hatten vorher keinen Unterricht oder so. Und den Glaubensaustausch, den kannte ich auch gar nicht.
Darum habe ich auch nie daran gedacht, zur Konfirmation zu gehen oder mich taufen zu lassen. Mir hat es Spaß gemacht, mich im Ethikunterricht mit den Philosophen und dem Sonnensystem zu beschäftigen.

Sonnenburg: Aber dann kam es irgendwann doch anders?

Philippeit: Ja, ganz genau. Nachdem mein Freund mir 2014 einen Heiratsantrag gemacht hatte, besuchte uns der Pastor hier bei uns zu Hause. Kevin, mein Mann, wollte nämlich unbedingt kirchlich heiraten, in der Kirche, in der schon seine Großeltern und Eltern geheiratet hatten und er getauft worden war.

Sonnenburg: Aber das hättet ihr doch einfach machen können. Heute reicht es doch, wenn ein Partner der Kirche angehört.

Philippeit: Richtig, aber bei unserem Gespräch hat der Pastor mir von einem Glaubenskurs für Erwachse-ne erzählt. Und das fand ich sehr interessant. Er berichtete, dass dieser Kurs bald in der Gemeinde statt-finden würde und lud mich zum Schnuppern ein.

Sonnenburg: Und das hast du dann getan?

Philippeit: Genau. Der Kurs hieß „Spur 8“. Und da hat man viel über den Glauben und die Bibel erfahren. Ich fand das total spannend. Denn in den Kleingruppengesprächen konnte ich Neues erfahren, aber auch immer wieder überlegen: Wie verhalte ich mich in solchen Situationen eigentlich? Wie stehe ich mit meinen Gedanken und Gefühlen zu Gott?
Und die Lieder haben mir sehr gefallen. Ich fand es schön, sie auf Deutsch zu singen und sie so gut verstehen zu können und dadurch noch mehr über den Glauben zu erfahren.

Sonnenburg: Und dann?

Philippeit: Am Ende des Glaubenskurses habe ich mich taufen lassen. Das war Ostern 2015. Ein toller Tag. Es gab einen feierlichen Gottesdienst, in dem noch eine andere junge Frau getauft wurde, dann sind wir mit der Familie essen gegangen und schließlich habe ich von meinen Eltern sogar ein klassisches Taufgeschenk, eine Kette und Ohrringe, bekommen.

Sonnenburg: Das klingt ja toll! Und: Bist du nach der Taufe dabei geblieben?

Philippeit: Ja, denn kurz nach der Taufe stand dann unsere kirchliche Trauung an. Das fühlte sich toll an, denn nun konnte ich es so richtig mitmachen. Es war so ein bisschen das Gefühl von: Jetzt – aber ganz!
Ein Jahr später kam unser Sohn Jannick zur Welt, den wir Ostern 2017, zwei Jahre nach meiner Taufe, haben taufen lassen. Jannick besucht inzwischen eine kirchliche Krippe, in der ihm vieles, was ich erst später gelernt habe, schon vermittelt wird.

Sonnenburg: Und in deinem Alltag, spielt der Glauben da eine Rolle?

Philippeit: Ja, ich treffe mich regelmäßig mit meinem Hauskreis, Kreis 8, der aus dem Glaubenskurs ent-standen ist. Gemeinsam singen wir und tauschen uns über Bibeltexte aus. Dabei macht es mir Spaß zu hören, was die anderen schon so wissen. Und ich habe gemerkt, dass ich immer mehr Zusammenhänge besser interpretieren kann, z.B. in Filmen, wenn es da Anspielungen auf Bibelstellen gibt oder so.
Sonnenburg: Was findest du gut an deiner Entscheidung, dich taufen zu lassen?

Philippeit: Ich habe meinen Horizont erweitert, da ich mich heute mit Dingen auseinandersetze, an die ich früher nicht einmal gedacht habe. Außerdem mag ich die biblischen Geschichten, und ich mag es zu über-legen, was sie mit mir zu tun haben. Und eben die Lieder …

Sonnenburg: Gibt es auch Nachteile?

Philippeit: Nein, überhaupt nicht. Manche meiner Verwandten aus Magdeburg haben mich gefragt, warum ich das gemacht habe. Da hab ich es halt erklärt, aber richtige Nachteile gibt es nicht. Ach so, … naja, ich muss jetzt Steuern zahlen – aber das ist nicht so wild!

Sonnenburg: Vielen Dank für diesen persönlichen Einblick, liebe Anja.