Werte und Normen in der Grundschule - Ein Bericht aus der Erprobungsphase

Von Olga Giese

 

Die Grundschule Unter der Schaumburg liegt im Rintelner Ortsteil Deckbergen und wird in diesem Schuljahr von 156 Schülerinnen und Schülern besucht. Der Anteil der Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ist gering: Im Durchschnitt sind in jeder der neun Klassen zwei Kinder mit Migrationshintergrund. Seit Beginn des Schuljahres 2017/2018 ist unsere Schule eine von zehn Grundschulen in Niedersachsen 1, die an der Erprobung des Faches Werte und Normen teilnimmt. Zunächst war die Erprobungsphase auf ein Jahr angelegt. Diese wurde aber nun auf eine weitere, diesmal zweijährige, Phase verlängert.2 Dieses Erprobungsprojekt ist für die Jahrgangsstufe 3 gedacht.

Am Anfang des Schuljahres wurden die Eltern über das Erprobungsprojekt informiert und es wurde eine Abfrage durchgeführt. Das neue Fach wurde von den Eltern gut angenommen, von den 52 Kindern des dritten Jahrgangs wurden 18 für Werte und Normen angemeldet. So konnte bei der Erstellung des neuen Stundenplanes ein Unterrichtsband für die Fächer Religion und Werte und Normen integriert werden. Aufgrund der Erprobungsphase wurde an meiner Schule zunächst von einer Benotung in diesem Schuljahr abgesehen.

Am Werte und Normen-Unterricht nehmen Kinder teil, die aus unterschiedlichen Gründen vom Religionsunterricht abgemeldet wurden, z.B. Schülerinnen und Schüler, die einer anderen Religion bzw. keiner Konfession angehören. Aus dem dreizügigen Jahrgang wurden drei Lerngruppen gebildet: eine Werte und Normen- sowie zwei evangelische Religionsgruppen. Durch die gemischten Lerngruppen lernten sich auch Schülerinnen und Schüler besser kennen, die sonst in anderen Klassen beschult werden. Das hat einen positiven Effekt auf das Gemeinschaftsgefühl des Jahrgangs, welches sich z. B. in kooperativen Lernformen und in den Pausen zeigt.

Hinsichtlich der Inhalte in Werte und Normen lassen sich einige Parallelen zum Religionsunterricht erkennen, nur ohne direkten Bezug auf Geschichten aus der Bibel. Es werden lediglich zentrale religiöse Feste wie Ostern oder Weihnachten thematisiert. Des Weiteren werden Themen wie Freundschaft, Weltreligionen wie das Christentum oder der Islam, aber auch philosophische Themen, z.B. die Auseinandersetzung mit sich selbst, behandelt. Hierzu hat die Lehrkraft auch die Möglichkeit, ein Arbeitsheft 3 im Unterricht einzusetzen, in welchem die oben genannten Inhalte kindgerecht und altersentsprechend herausgearbeitet worden sind. Dieses Arbeitsheft erhalten auch die Schülerinnen und Schüler.

Sollte man das Fach Werte und Normen nun an Grundschulen flächendeckend einsetzen? Ich bin der Meinung, dass dieses Fach auch an Grundschulen notwendig ist:

Erstens wird durch die Erteilung des Faches Werte und Normen die Zeit, die die Kinder sonst z.B. in der Parallelklasse mit anderweitigen Beschäftigungen überbrückt haben, nun sinnvoller genutzt.

Zweitens trägt das Fach Werte und Normen neben dem bestehenden Religionsunterricht dazu bei, dass allen Kindern der Schule der Weg zu einer friedlichen und vorurteilsfreien Gesellschaft geebnet wird.

Die Eltern sollten am Schulanfang im Rahmen eines Elternabends über die Inhalte des Religionsunterrichts und des Faches Werte und Normen informiert werden. Wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass der Religionsunterricht keine Missionierung beabsichtigt, sondern einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen und religiösen Bildung unserer Gesellschaft leistet. So könnten möglicherweise auch religionskritischen Eltern ihre Bedenken bezüglich des Religionsunterrichtes genommen werden.

Zudem ist es wichtig, dass beide Fächer als gleichwertig angesehen werden und nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Dies setzt sowohl im Fach Religion als auch in Werte und Normen eine Benotung voraus, die gleichen Kriterien unterliegt. Ohne Benotung der Leistungen im Fach Werte und Normen würde man m. E. zu einer Abwanderung vom Religionsunterricht beitragen.

Den Initiatoren und Förderern dieses Erprobungsprojektes muss aber auch klar sein, dass die Einführung des Faches Werte und Normen für Lehrkräfte mit zusätzlichem Aufwand und Mehrarbeit verbunden ist (Fortbildungen, teilweise Mitentwicklung des Lehrplanes in Steuergruppen etc.). Ob eine Schule das neue Fach einführen kann, hängt einerseits von der Bereitschaft der Lehrkräfte, andererseits auch von der Unterstützung der Initiatoren ab: Wenn Lehrkräfte trotz des stressigen Schulalltags bereit sind, sich für ein sinnvolles Fach wie Werte und Normen weiterzubilden, sollten sie dafür mindestens zeitlich entlastet werden.
 

Anmerkungen: 

  1. www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pres seinformationen/land-will-werte-und-normen-an-grundschulen-erproben—einjaehrige-erprobungsphase-startet-zum-schuljahr-20172018-154338.html (Abrufdatum: 03.06.18).
  2. www.schure.de/36/82105-50-10.htm (Abrufdatum: 03.06.18).
  3. Lehrwerk von Birgit Groschupp (Hg.): Die Welt und ich mittendrin, Braunschweig 2016.