Die evangelische Kindertagesstätte nimmt eine wesentliche Verkündigungsaufgabe der Gemeinde wahr – Muslimische Erzieherinnen in Evangelischen Kindertagesstätten – contra

von Wolf-Peter Koech 

 

Die evangelischen Tageseinrichtungen haben einen sozial-diakonischen Auftrag und damit stehen unsere Kindertageseinrichtungen allen Familien und ihren Kindern offen. Das schließt somit sowohl nichtreligiös gebundene Kinder, als auch Kinder aus Familien mit einer anderen Religion ein. Aufgrund der Migration vieler Familien mit einer muslimischen Religionszugehörigkeit werden Plätze in evangelischen Kindertageseinrichtungen regional mehr oder weniger stark in Anspruch genommen. Die Kinder sind in unseren Einrichtungen willkommen. In vielen Fällen ist sogar zu beobachten, dass muslimische Familien evangelische Kindertageseinrichtungen für ihre eigenen Kinder vorziehen, weil sie eine grundsätzliche Toleranz und Würdigung ihres Glaubens in diesen Einrichtungen erleben. Das Miteinander der Kinder und die Begegnung mit einander und auch mit fremden Religionsformen bereichern die christlichen, nicht religiös gebundenen, wie auch muslimischen Kinder. Die Frage liegt damit auf der Hand, ob man, um den muslimischen Kindern und ihrer anderen Religiosität besser entsprechen zu können, nicht auch muslimische Erzieherinnen in evangelischen Kindertagesstätten in der Gruppenarbeit beschäftigen sollte.

Bei dieser Frage kommt für mich die wesentliche Aufgabe evangelischer Kindertagesstätten zum Tragen. Denn die sozial-diakonische Komponente beschreibt nur eine Seite. Für mich hat eine Kindertageseinrichtung in der Gemeinde eine geradezu unverzichtbare Wirkung. Frieder Harz, der mittlerweile Ausnahmeregelungen bei der Anstellungspraxis befürwortet, beschreibt das treffend in einem Artikel „Kindertagesstätten als Teil der Gemeinde“: „Zum Auftrag der Gemeinde gehört es, die Botschaft des christlichen Glaubens an die nächste Generation weiterzugeben. […] Sie (die evangelische Kindertagesstätte W.K.) ist ein Ort, an dem Kinder und auch Eltern erleben, wie sich der christliche Glaube im Leben auswirkt.“ Das Verhältnis einer Kirchengemeinde zu ihrer Tageseinrichtung muss daher von einer Wechselwirkung bestimmt sein. Die Kindertagesstätte nimmt mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine wesentliche Verkündigungsaufgabe der Gemeinde wahr, sie lebt und gestaltet das aber auch im Einklang mit der Verkündigung und dem Leben der Gemeinde.

Das Wirken unserer Erzieherinnen in der Einrichtung ermöglicht es, dass Kinder dem christlichen Glauben in biblischen Geschichten, im Gestalten des Tagesablaufes oder auch mit ihren eigenen Fragen, Hoffnungen und Wünschen begegnen können. Zudem eröffnet die Arbeit häufig den Eltern, den Erwachsenen, Menschen, die vielleicht seit langer Zeit nicht mehr mit Glaubensfragen in Kontakt gekommen sind, über ihre Kinder, über das, was die Kinder an erlebtem Glauben mit nach Hause bringen, einen eigenen neuen Zugang.

In diesem Maße kann das eine Erzieherin, die einer an­deren Religion angehört oder bewusst keiner Religion angehören möchte, nicht mitvollziehen. Ich möchte zudem nie­manden auf etwas verpflichten, das er oder sie aufgrund eines anderen Glaubens nicht erfüllen kann; und andererseits möchte ich den Anspruch als evangelische Kirchengemeinde, mit einer Kindertageseinrichtung das Evangelium weiterzusagen, nicht aufgeben.

Die Ausnahmeregelungen in den Kirchengesetzen lassen den Gemeinden ohnehin Freiheiten in begründeten Fällen, z.B. können, wenn es um Sprachförderkräfte geht, muslimische Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eingestellt werden. Ich sehe weitere sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für muslimische Erzieherinnen in den Beratungsstellen und Fortbildungseinrichtungen. Hier hätten Beraterinnen muslimischen Glaubens die Möglichkeit die Erzieherinnen und Erzieher unserer evangelischen Kindertagesstätten mit ihrem Glauben vertraut zu machen. Solche begründeten Ausnahmen bergen nicht die Gefahr, dass irgendwann jemand an dem verbrieften Recht der Kirchen ihre Personalauswahl selbst zu regeln, rührt. Versuche auf europäischer Ebene hat es dazu bereits gegeben.

Die Verschiedenheit unserer Religionen sollten wir nicht einfach unter den Teppich kehren. Jedoch sollten wir den Grundsatz nach Römer 12,18 wahren: „Ist es möglich, so viel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2011

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