Unterrichtsbausteine zum Glaubensbekenntnis

von Michael Künne

 

Wenn wir im Unterricht, sei es mit Schülern oder mit Konfirmanden, am Glaubensbekenntnis arbeiten, dann kann ein wichtiges Element die Form des Credos sein. In der Regel stellt sich zwar bei solcher Arbeit als erstes die Frage: „Kann man das denn heute noch glauben?“ oder: „Wie soll man das denn verstehen?“ oder: „Was sollen wir heute denn damit?“ Um sowohl auf solche Fragen angemessen zu antworten wie auch um bestimmte Elemente des Credos besser zu verstehen, will der vorliegende Vorschlag einen anderen Weg gehen.

Die Glaubensbekenntnisse wie das Nicänum oder das Apostolikum sind nicht Ausdruck persönlicher Betroffenheit, individuellen Glaubens oder persönlicher Ergriffenheit, die gleichsam in einem geschichtslosen Raum existieren, sondern sie sind geschichtlich geprägte Sonderformen der christlichen Lehre. Da die Glaubensbekenntnisse Ausdruck eines Gruppenkonsens sind, ist das Ich des Sprechers immer auf ein gemeinsames Wir bezogen.

Hier soll ein Zugang dargestellt werden, der die geschichtliche Bindung und die besondere sprachliche Eigenart aufnimmt. Diese Eigenart besteht unter anderem darin, dass es sich bei der Sprachform um eine deklamatorische Sprache handelt, die sich aus einem Konsens von Interessen und Positionen einst ergab, und die durch bestimmte Eigentätigkeiten der Schüler gut nachvollzogen werden kann.

Ein solcher Gruppenkonsens, wie er mit einem Glaubensbekenntnis vorliegt, steht immer für etwas und gegen etwas, er grenzt die eigenen Meinung gegen die Überzeugungen anderer ab und wandelt sich zudem mit der Änderung der jeweiligen Situation, in der er entsteht, und für die er gedacht ist. Er hängt von einer bestimmten Zeit und Diskussionslage und in der Regel, damit verbunden, von einer bestimmten geographischen Situation und deren Überlieferungsstoffen und Überlieferungsregeln ab.

Die dogmatischen Entwicklungen, Konstellationen und Probleme der werdenden christlichen Kirche können dabei, schon aufgrund ihrer Komplexität, kaum Gegenstand des Unterrichts ein. Doch auf einer auch für Schülerinnen und Schüler nachvollziehbaren Ebene lassen sich allein durch die Darstellung verschiedener Formeln und Formen des Glaubensbekenntnisses und durch entsprechende Vergleiche Gründe der Veränderung der Textform erkennen. Ein Vergleich relativiert zudem die einmal fixierten Aussagen und zeigt zugleich, wie schwierig und auch vorläufig es für die Kirche selbst ist, ihren Glauben angemessen zu artikulieren.

Diese Weitung gegenüber einer als festgelegt erfahrenen Form gibt dem eigenen Glauben der Jugendlichen deutlich sichtbar und für diese auch nachvollziehbar sein Recht und lässt sie dies im optimalen Fall auch erkennen. Insofern kann das unterrichtliche Geschehen dann auch für die Schülerinnen und Schüler befreiend wirken.

Die vorliegende, mehrfach erprobte Ideenskizze setzt sich zum Ziel, Verständnis für die Struktur und die Sprache des Apostolikums zu wecken und Mut zu eigenen Formulierungsversuchen zu machen. Wie viel an jeweiligem historischen und dogmengeschichtlichem Hintergrundwissen dabei im Unterricht eingesetzt werden soll und zum Tragen kommt, das muss sich allerdings durch die jeweilige Situation er Gruppe ergeben.

Ich nenne dafür im folgenden in aller Kürze die dafür notwendigen Schritte. Dabei sollte die Reihenfolge beibehalten werden, die Arbeitsformen können und müssen der Situation angepasst werden. Das gilt auch für die  jeweils dafür benötigte Zeit.

  1. Alle Teilnehmer erhalten die Aufgabe, das für sie und ihr Leben Wichtigste auf einem Zettel zu notieren.
  2. In Kleingruppen (Mindesteil­nehmerzahl 4) erfolgt eine gegenseitige Information über die gemachten Notizen und entsprechende Erläuterungen. Aufgabe ist es nun, aus den Beiträgen der Teilnehmer die für die Gruppe wichtigsten Aussagen herauszufiltern, also eine Auswahl zu treffen.
  3. Nun erhält die Gruppe die Aufgabe, ein „Manifest“ zu erarbeiten, (evtl. gedacht als Veröffentlichung in einer Zeitung als Ankündigung vor der Wahl) (vgl. M1), das die Gruppenposition zu den erarbeiteten wichtigsten Punkten kurz darlegt. Dabei soll deutlich definiert werden, wofür und wogegen man Stellung bezieht. Gründe müssen dabei mit benannt werden.
  4. Die so hergestellten Gruppentexte werden nun sprachlich mit den ersten Notizen verglichen, um die Differenz persönlicher und verobjektivierender Sprache zu erkennen und zu benennen.
  5. In einem weiteren Schritt sollen die einzelnen Gruppen ihren selbst hergestellten Test mit einem Glaubensbekenntnis (M2, M3, M4) vergleichen, um Positionen und evtl. Gegenpositionen im Text des Glaubensbekenntnisses ausfindig zu machen. Hierbei kann gruppenspezifisch differenziert werden:

    -      Gruppe a vergleicht mit dem Romanum,
    -      Gruppe b vergleicht mit dem Apostolikum,
    -      Gruppe c vergleicht mit dem Nicämun.
    -      Der Auftrag könnte lauten: Findet heraus, welche Aussagen besonders betont werden! nennt mögliche Gründe!
     
  6. Vorstellung der Ergebnisse, evtl. vertiefendes Arbeiten durch auf der Basis von weiterem Hintergrundmaterial zur Entstehungssituation der einzelnen Symbole.
  7. Formulieren eines eigenen Bekenntnisses in den Kleingruppen.

 

M 1
„Bildung fängt im Kindergarten an: Kindergärten sollen für unsere Gemeinen aber auch finanzierbar bleiben.

Unsere Kinder sind unsere Zukunft!
Für junge Familien sind Kindergartenplätze heute ein kaum verzichtbarer Bestandteil der Lebensplanung, auch im ländlichen Raum.
Kindergärten vermitteln unseren Kindern Gemeinschaftsgefühl, soziales Verhalten und wichtige erste Bildungsinhalte.
Um so wichtiger ist es, durch vernünftige Rahmenbedingungen und realistische Zielsetzungen Kindergärten auch für kleinere Kommunen  finanzierbar zu machen.“
(Beispiel einer durch die Gruppen herzustellenden Zeitungsanzeige)

 

M 2
Ich glaube
an den Vater, den Herrscher der ganzen Welt,
und an Jesus Christus, unsern Heiland,
und an den Heiligen Giest,
und an die heilige Kirche
und an die Vergebung der Sünden.
(fünfgliedrige Formel aus der Epistula Epistulorum, Kleinasien um 150/160 n. Ch.)

 

M 3
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Der geboren ist aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria.
der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde und begraben,
am dritten Tag auferstand von den Toten, auffuhr in den Himmel,
sitzt zur Rechten des Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.
Und an den Heiligen Giest, die heilige, Kirche, die Vergebung der Sünden, des Fleisches Auferstehung.
(„Romanum“, Vorform des Apostolicums, s. Gesangbuch, im 3. Jhdt. in Rom aus älteren Vorformen entwickelt, bei der Taufe zu sprechen)

 

M 4
Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet wird und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.

(„Nicämun“, es wird wegen der feierlicheren Form an Festtagen im Gottesdienst gesprochen, im 6. Jhdt. vor allem in Rom verwendet.)

Text erschienen im Loccumer Pelikan 2/1998

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