Bibeltag an der Grundschule in Echte

von Margit Beubler und Lena Kuhl

 

In diesem Beitrag wird von einer Inititative berichtet, die Frau Beubler, eine im Ehrenamt ordinierte Theologin und Ehefrau des Gemeindepastors, in Gang gebracht und gemeinsam mit den Lehrkräften der Grundschule durchgeführt hat.

"Als ich mich Anfang des Jahres hinsetzte,um die kirchlichen Aktivitäten mit Kindern für das ganze Jahr zu planen, war natürlich auch der Reformationstag mit in meinen Überlegungen. In diesem Jahr fiel er ja einmal nicht in die Ferien, also wollten wir - evtl. mit dem Kindergottesdienstteam gemeinsam - ein entsprechendes Angebot für die Schulkinder machen. Gute Erfahrungen hatten wir in unserer Gemeinde mit einigen vorliegenden Ausarbeitungen zu Kinderbibelwochen. Daher entstand bei mir die Idee, diese Anregungen für einen Kinderbibeltag in der Schule zu nutzen, an dem die unterschiedlichen Arbeitseinheiten nicht nacheinander in derselben Gruppe, sondern parallel in verschiedenen Klassen durchgeführt würden. Es musste dazu nur ein Angebot gefunden werden, bei dem die Planungseinheiten nicht aufeinander aufbauen, sondern unabhängig sind."

Ein erstes Gespräch zwischen Frau Beubler und dem Schulleiter der Grundschule, Herrn Wöllm fand bald darauf statt. Der Gedanke, mit allen Kindern der Schule einen Bibeltag durchzuführen, wurde positiv aufgenommen auch mit dem Hinweis auf andere Schwerpunktsetzungen innerhalb eines Schuljahres wie Bundesjugendspiele, Zahnarzttag u.a.

Bei der Terminplanung wurde dann nicht der Reformationstag selbst ins Auge gefasst, sondern der darauffolgende Tag, Freitag, der 30. Oktober, da die gesetzlichen Bestimmungen eine verpflichtende Teilnahme aller Kinder am Reformationstag nicht zulassen.

Zunächst wurde die Frage der Gruppenleitung an diesem Tag noch offen gelassen; Frau Beubler bot aber an, einige Kindergottesdienstmitarbeiterinnen mit einzuschalten.

Auf die Frage nach Kindern anderer Konfessionen bzw. Konfessionslosen antwortete Frau Beubler:

"Zum hiesigen katholischen Pfarrer haben wir glücklicherweise ausgesprochen gute, freundschaftliche Beziehungen, so dass der unsere Unternehmung nur begrüßte und auf jeden Fall unterstützen wollte. So war uns die Beteiligung katholischer Kinder und Lehrkräfte selbstverständlich. Auch mit den wenigen Kindern, die keiner Konfession angehören, und mit den Muslimen gab es keine Probleme. Ihnen war die Teilnahme freigestellt; es wurde jedoch kein eigenes Programm für sie angeboten. Es waren dann aber auch alle Kinder am Bibeltag dabei. Uns kam unsere gute Gemeinschaft hier am Ort zugute; alle Eltern kennen mich von meiner Mitarbeit im Elternrat. Ich muss aber zugeben, dass wir uns mit dieser Frage wirklich nicht genügend auseinandergesetzt haben. Zumindest in Orten mit einem größeren Anteil nichtchristlicher Kinder müsste man doch darauf mehr Rücksicht nehmen und anders planen."

Vor den Sommerferien wurde Frau Beubler dann zu einer Dienstbesprechung in die Schule eingeladen, um ihre Vorstellungen dem 8köpfigen Kollegium vorzutragen. Auch hier wurde die Idee positiv aufgenommen, was natürlich auch mit den guten persönlichen Beziehungen und der Fürsprache des Schulleiters zu tun hatte. Überraschenderweise erklärten sich alle Lehrerinnen und Lehrer bereit, ihre Gruppe bzw. Klasse an diesem Tag selbst zu leiten, auch diejenigen, die nicht zur Kirche gehören und die, die nie Religion unterrichtet haben. Der Wunsch des Kollegiums war es, dass Frau Beubler mit einer Religionslehrerin zusammen die Planung übernahm, so dass in dieser Beziehung keine große Belastung auf die einzelnen Lehrkräfte zukam.

 

Frau Beubler erinnert sich:

"Wir haben dann zu zweit nach dem entsprechenden Vorschlag einer Kinderbibelwoche gesucht und uns dann entschieden für: Inge Heck "Was Lena in den Häusern sah" Agentur des Rauhen Hauses Hamburg. Darin werden vier biblische Geschichten in kindgemäßer Weise dargeboten und aufgearbeitet:

In meinem Haus, da wohne ich - wie wohnen und leben wir?
Das Leben im Glauben an einen Gott, der Gemeinschaft schenkt und Teilen er möglicht. (Apostelgeschichte 2.42)

Ich kann dich gut riechen
Eine Frau salbt Jesus
Sprache - das sind nicht nur Worte. (Lukas 7, 36-50)

Was Leute klein macht und was groß
Heilung der gekrümmten Frau
Ermutigung zum Glauben an Jesus, der aufrichtet, heilt und aufrechte Menschen möchte. (Lukas 13, 10-13)

Kleine werden groß geschrieben
Jesus segnet die Kinder. (Markus 10, 13-16)

In den Parallelklassen - es handelt sich hier um eine zweizügige Grundschule - sollte jeweils derselbe Text erarbeitet werden. Wir haben die Vorschläge so übernommen, wie sie in der Arbeitsmappe enthalten sind. Dadurch war der Aufwand an Zeit und Arbeit auch für uns begrenzt. Obwohl ich dem Kollegium weitere Hilfe und auch Gespräche über die jeweiligen Texte angeboten hatte, erübrigte sich eine weitere Vorarbeit, weil die Lehrkräfte sich mit den Angeboten und den Ausarbeitungen der Mappe gut ausgestattet fühlten."


Hier ein Ausschnitt aus der Einleitung in das Thema, der die Intention der gesamten Arbeitsmappe aufzeigt:

Es ist "Lena" - dargestellt mit einer selbstgemachten Puppe -, ein etwa zehnjähriges Mädchen aus Galiläa, die durch die Einheit führt. Dank ihrer Neugier konnte sie zur Zeit Jesu beobachten, was sich in ihrer Umgebung zugetragen hatte. Sie verbindet das "Damals" neutestamentlicher Geschichten mit dem "Heute". Sie lädt Sie und die Kinder ein, mit ihr die Geschehnisse aufmerksam zu verfolgen, sich zu wundern, zu fragen, zu spielen und zu staunen. In der zweiten und dritten Stunde spielen Frauen in den ausgewählten Texten eine wichtige Rolle. Wer Interesse daran findet, kann als Ergänzung zur dritten Stunde "Was Leute klein macht und was groß" Vorurteile gegenüber Jungen und Mädchen thematisieren.


Bei allen Themen geht es darum, die Kinder zu ermutigen:

  • zum Miteinanderleben und Teilen
  • zum Ausdrücken von Gefühlen
  • zum Erkennen von Vorurteilen und Verhaltensweisen, die andere unterdrücken oder aufrichten können. (Siehe die Einleitungen zu den einzelnen Themen.)
  • Es geht um die Stärkung des Rückgrats, das jede und jeder braucht, die Erwachsenen und die Kinder - um das "Ja" zur eigenen Person, zum Du, zu Gott.

Dies sollen die Kinder durch Spielen, durch Anregungen zum Basteln und zum

Erzählen, durch das Mit- und Nacherleben der biblischen und anderer Geschichten erfahren.

Alles fand am 30.10.1992 so statt, wie es geplant war. Von der 1. bis zur 3. Stunde waren die Kinder in ihren Klassenräumen, um den von ihnen übernommenen Teil zu erarbeiten, zu basteln, zu singen und zu spielen.


Das sah im Verlauf in allen Klassen ähnlich aus, und zwar folgendermaßen:

Zeit: 8.10 - 11.45 Uhr

  1. Lied: "Danke für diesen guten Morgen"
  2. Lena, die Puppe, stellt sich vor
  3. Die Geschichte wird erzählt und anschließend in altersentsprechender Weise aufgearbeitet
  4. Gemeinsames Frühstück
    (vorher Gebet oder Lied)
  5. Spiele im Freien
  6. Arbeit in der Klasse
    (Spiele, Lieder, basteln usw.)
    Vorbereitung für die Vorstellung in der Kirche

In der 4. Stunde sollten vorstellbare Einheiten, Spielszenen, Lieder, Lesetexte und Gebasteltes im Plenum eingebracht werden. So sollten alle Kinder der Schule und auch alle Lehrkräfte teilhaben an der Arbeit der anderen und ein Gesamtbild von dem entstehen, "was Lena in den "Häusern sah". Die Eltern waren zu dieser Schlussrunde eingeladen worden.

Bei der Frage nach dem Raum für die gemeinsame Abschlussveranstaltung gab es die Alternative: Turnhalle oder Kirche? Eine Aula wäre sicher eine gute Möglichkeit gewesen, ist aber - wie an vielen Grundschulen - leider nicht vorhanden.

Trotz aller Bedenken entschied man sich einhellig für die Kirche, die dem Thema und der Arbeit des Tages einen angemesseneren Raum geben konnte als die Turnhalle. Was dort geschah, ist dem folgenden Programm zu entnehmen:

 

Schlussrunde in der Kirche

  1. Lied: "Danke für diesen guten Morgen."
  2. Lesung: "Wo wohnt Gott? (Eine Erzählung aus dem Judentum)
  3. Lied: "Komm, bau ein Haus" (Vers 1)
    dazu Bewegungen von Klasse 1
  4. Geschichte: "Die kleine Schwester und das Päckchen"
  5. Lied: "Wenn einer sagt, ich mag dich, du" (Vers 1 u. 2)
  6. Geschichte der 2. Klassen: "Eine Frau salbt Jesus"
    (Duftfläschchen zeigen)
  7. Lied: Wenn einer sagt, ich mag dich, du (Vers 3 u. 4)
  8. Geschichte der 3. Klassen und Darstellung:
    "Die Heilung der gekrümmten Frau"
  9. Lied: "Lieber Gott, ich danke dir" (alle Verse)
  10. Geschichte der 4. Klassen vorlesen:
    "Jesus und die Kinder"
  11. Vorstellen: Mein Wunschtag"
    3 Gruppen: Familie, Schule, Dorf
  12. Lied: "Komm, bau ein Haus" (Verse 2-4)
    dazu Bewegungen von Klasse 1
  13. Kurzes Gebet
    Vater Unser
  14. Segen

 
Dazu äußert sich Frau Beubler, die die Leitung für diese Abschlussrunde übernommen hatte:

"Es ist mir klar, dass bei einer solchen für alle Kinder der Schule verpflichtenden Veranstaltung der Raum "Kirche" als solcher und insbesondere Elemente wie Gebet und Segen problematisch sind. Aber da wir nun aus mehreren Gründen die Raumfrage so entschieden hatten, wäre es mir schwer gefallen, die Kinder ohne Vaterunser und Segen aus der Kirche zu entlassen."

Nachträglich waren von Kindern, Lehrkräften und Eltern viele positive Rückmeldungen zu hören; offensichtlich haben sich die Kinder sehr wohl an diesem Tag gefühlt. Eine Nachfrage im Kollegium ergab, dass so ein Bibeltag durchaus einmal Wiederholung finden kann. Die persönliche Belastung wurde jedoch trotz aller Hilfen und Vorgaben als relativ hoch angegeben, so dass eine regelmäßige Wiederholung jedes Jahr oder alle 2 Jahre nicht gewünscht wurde. Ein Rhythmus von 4 Jahren schien dem Kollegium angemessen, so dass jedes Schulkind einmal solch einen Bibeltag im Laufe seiner Grundschulzeit in Echte erleben kann.

Frau Beubler meint dazu:

"Ich nehme an, dass einige Lehrkräfte das, was sie persönlich an diesem Tag einbringen mussten, unterschätzt hatten. Insbesondere diejenigen, die keinen Religionsunterricht erteilen, sind wahrscheinlich davon ausgegangen, einen biblischen Text wie einen Lesebuchtext erschließen zu können. Die persönliche Beteiligung dabei wurde sicher zunächst nicht gesehen. Unter Umständen werden vorbereitende Gespräche in einem Wiederholungsfall doch eine größere Rolle spielen müssen."

Trotz aller Selbstkritik und aller aufkommenden Fragen scheint dieser Bibeltag in Echte eine gelungene Unternehmung gewesen zu sein, die nachhaltige Eindrücke bei den Kindern hinterlassen hat.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/1994

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