Berufe – Impulse für einen Nachmittag mit Seniorinnen und Senioren

Von Oliver Friedrich

 

Zur Situation im Seniorenkreis

Seniorenkreise, die ich vor Augen habe, sind überwiegend Gruppen von älteren Menschen, die sich meist einmal im Monat im Gemeindehaus versammeln. Größtenteils sind es Damen, die da kommen. Herren habe ich nur vereinzelt angetroffen. Und wenn, dann in Begleitung ihrer Ehefrau. Oft gibt es eine ehrenamtliche Leitung, die die alten Herrschaften schon lange kennt und im Blick hat, wer Geburtstag hatte, wer im Krankenhaus ist, wer abgeholt werden muss, weil der Weg ins Gemeindehaus nicht mehr alleine zu bewältigen ist. Die Ehrenamtlichen sorgen auch für die Vorbereitung des Nachmittags: Sie decken die Tische, kaufen Kuchen, kochen Kaffee und kümmern sich um das Programm. Pastorinnen und Pastoren kommen oft nur zur Andacht vorbei, um dann schnell zum nächsten Termin zu eilen. Das Programm ist vielerorts geprägt von Vorträgen und Präsentationen, Geburtstags- und Volksliedern, Gedichten und kurzen Geschichten, die vorgelesen werden. Die so gestalteten Nachmittage bringen die Seniorinnen und Senioren in eine passive Haltung. Lediglich die Phase des Kaffeetrinkens bietet Raum für Gespräche und Austausch.

Im Gegensatz zu diesen klassischen Seniorenrunden plädiere ich für thematisch gebundene Nachmittage, die vor allem dazu dienen, die Damen und Herren miteinander ins Gespräch zu bringen. Seniorinnen und Senioren bringen Lebenserfahrung mit und nehmen wahr, was um sie herum geschieht. Viele sind im Kontakt mit ihren Kindern und Enkeln, lesen Zeitung oder schauen die Tagesschau. Manche gehen regelmäßig auf Reisen und haben noch andere Gruppen, in denen sie aktiv sind. Sie sind also ein Teil der Gesellschaft und leben nicht im Abseits – selbst dann nicht, wenn sie in Altenheimen oder anderen seniorengerechten Einrichtungen wohnen.

Die Umstände des Alt-Werdens und Alt-Seins haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in unserem Land deutlich verändert. So stellt Hedtmann zu Recht fest: „Die gestiegene Lebenserwartung und der gesellschaftliche Wandel haben den Raum für individuelle Lebensvorstellungen und Gestaltungsmöglichkeiten für die ältere Generation immens erweitert. Die aktuellen Orientierungen in der Generation ,60 plus‘ entsprechen nicht mehr dem bisherigen Bild“.1 Und sie ergänzt im Blick auf religiöse Gepflogenheiten, dass die Älteren weder besonders glaubensstark noch kirchennah seien. 2 Alte Menschen sind keine Randgruppe mehr. Sie machen stattdessen einen wesentlichen Teil der Gesellschaft aus und haben durch die erhöhte Lebenserwartung eine ganze Lebensphase hinzugewonnen. „Der klassische Seniorennachmittag, wie er vielerorts stattfindet, ist ein bewährtes Angebot für Menschen im höheren Alter. Heutzutage ist man offenbar ab Ende 70 ansprechbar für den Seniorenkreis.“3 So befinden sich viele Menschen, die Seniorenkreise regelmäßig besuchen, im sog. vierten Lebensalter. Dieses Lebensalter wird heute als „Lebensalter verstärkter Fragilisierung“ bezeichnet, in dem „die Differenz zwischen der oftmals guten geistig-kognitiven Verfassung und den zunehmend deutlich werdenden körperlichen Grenzen“ bewältigt werden muss.4 Kognitive Leistungsfähigkeit und körperliche Gebrechlichkeit laufen also in gewisser Weise gegeneinander: Während die körperlichen Fähigkeiten deutlich abnehmen, bleibt der Geist wach und aufnahmebereit. Und ein Zweites verbindet die Teilnehmenden am Seniorenkreis: Nach meiner Wahrnehmung sind sie eher nicht akademisch gebildet, sondern gehören zu sozial unteren und bildungsferneren Milieus.


Das Thema „Beruf“ im Seniorenkreis

Von diesen Voraussetzungen ausgehend dürfte vielerorts die typische Besucherin eines Seniorenkreises über siebzig Jahre alt sein; sie wird nicht studiert haben, war aber möglicherweise ihr ganzes Leben lang berufstätig und befindet sich nun in einer Lebensphase, in der sie (wieder) alleine lebt und in der es Stück für Stück schwieriger wird, das eigene Leben unabhängig von anderen zu gestalten.

Seniorinnen und Senioren, die heute zwischen 70 und 80 Jahre alt sind, wurden zwischen 1937 und 1948 geboren. Den Zweiten Weltkrieg werden sie, wenn überhaupt, nur noch aus Kindertagen erinnern. Auch wenn sie noch während oder in zeitlicher Nähe zum Zweiten Weltkrieg geboren wurden, sind sie doch eigentlich keine Kriegskinder mehr. Sie sind eher Nachkriegs-Kinder, jedenfalls waren sie nach dem Krieg Jugendliche und haben als junge Erwachsene am Wiederaufbau Deutschlands mitgewirkt. Sie kennen die Goldenen 50er-Jahre aus eigenem Erleben und haben beobachten können, wie der Wohlstand in den Familien stets wuchs: Die Anschaffung des ersten Autos, erste Reisen ins Ausland, Fernseher und Telefon für alle. Wenn diese Altersgruppe berufstätig war, lag ihr Renteneintritt deutlich nach der Jahrtausendwende – zwischen 2002 und 2012.

Das berufliche Umfeld hat sich während der aktiven Zeit ihres Erwerbslebens massiv verändert: Schrieb man in den 1960er Jahren noch Karteikarten, wurde diese in den 1990er Jahren durch elektronische Datenverarbeitung und Computer abgelöst; die E-Mail ersetzte in weiten Teilen den Geschäftsbrief; Staubsauger, Geschirrspülmaschine und Wäschetrockner veränderten die Tätigkeiten im Haushalt; das Flugzeug als Transportmittel wurde so selbstverständlich wie die Eisenbahn; zu zweispurigen Autobahnen gesellte sich eine dritte und vierte Spur. Aber es gab auch Brüche: In den 1980er Jahren waren gerade schlecht ausgebildete Personen von steigender Arbeitslosigkeit betroffen. Manche der heutigen Seniorinnen und Senioren konnten zeitweise nicht arbeiten, was sich auf ihre Rente negativ ausgewirkt hat.

Diejenigen älteren Damen, die gearbeitet haben, dürften sich grundsätzlich darin unterscheiden, ob sie einen Beruf gelernt haben oder ob sie ohne Ausbildung (z. B. am Fließband, als Putzhilfe oder im Hotelfach) tätig waren. Viele der heute 70- bis 80-Jährigen werden aber auch noch die klassische Hausfrauenrolle übernommen haben und mit dem Berufsleben vor allem durch den arbeitenden Ehemann indirekt in Kontakt gekommen sein. Kommt man mit den alten Menschen über ihre Berufsbiografien ins Gespräch, wird schnell deutlich, dass sowohl die Ausübung eines Ausbildungsberufes als auch die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit oder die Wahrnehmung der Hausfrauenrolle immer auch die Frage auslösen, was man eigentlich gerne oder viel lieber gemacht hätte, wenn Zeit und Umstände es zugelassen hätten. Manche Berufsbiografie dieser Generation ist der Pragmatik historischer wie sozialer Gegebenheiten entsprungen und hat nicht immer etwas mit beruflicher Selbstverwirklichung zu tun.

Die folgenden methodischen Ideen sollen die Besucherinnen und Besucher des Seniorenkreises dazu motivieren, über ihre eigenen Berufsgeschichten ins Gespräch zu kommen. Die Methoden sind gegliedert nach biografischen, spielerischen und an Berufen orientierten Zugängen. Welche Ideen in einem Seniorennachmittag umgesetzt werden können, muss die Leitung des Kreises jeweils nach Zusammensetzung und Fähigkeit der Gruppenmitglieder entscheiden. Es empfiehlt sich, eine Kombination aus zwei Zugängen (z. B. spielerisch-biografisch oder berufsorientiert- spielerisch etc.) zu wählen, damit unterschiedliche Beteiligungsformen ermöglicht werden. Wichtig zu bedenken ist darüber hinaus, wie die Seniorinnen und Senioren sitzen: Gruppentische ermöglichen andere Arbeitsformen als das Sitzen an Tischen, die in U-Form gestellt sind. Der inhaltlichen Arbeit sollte eine Andacht vorausgehen (M 1), die das Thema Beruf und Berufsbiografien bereits aufnimmt. So ergibt sich für einen Nachmittag von ca. zwei Stunden folgender Aufbau:

  • Andacht (20 Minuten),
  • Kaffee trinken (40 Minuten),
  • Arbeit am Thema (45 Minuten),
  • Abschluss: Verabredungen,
  • Vaterunser,
  • Segen (5 bis 15 Minuten).
     


Methodische Ideen zum Thema „Beruf“ im Seniorenkreis

A. Biografische Methoden

Lebensweg und Berufe
Jede Person erhält ein Arbeitsblatt mit einem aufgezeichneten Weg (M 2). In den Weg hinein sind die Begriffe Kindheit, Jugend, Jahre des Erwachsenseins, späte Jahre geschrieben. Jede Person erhält außerdem verschiedenfarbige Stifte.
Impuls: Schreiben Sie an den Weg die Tätigkeiten bzw. Berufe, die Sie in dieser Lebensphase ausgeübt haben oder die Sie als Kind in der Familie kennen gelernt haben. Machen Sie z. B. durch Farbe oder Symbole deutlich, ob Sie daran eine gute Erinnerung oder eine schlechte Erinnerung haben. Tauschen Sie sich anschließend zu zweit oder dritt über Ihre Wege aus.
 

Gegenstand aus der Zeit des Berufslebens
Die Leitung bittet die Seniorinnen und Senioren zum Seniorennachmittag zum Thema „Berufe“ einen Gegenstand mitzubringen, mit dem sie eine besondere Erinnerung an ihre (berufliche) Tätigkeit verbinden. Lassen Sie dann die Senioren und Seniorinnen anhand des von ihnen mitgebrachten Gegenstandes etwas aus ihrem Berufsleben erzählen. Es werden sich recht schnell Gespräche ergeben, die mit dem Arbeitsplatz, mit der Veränderung am Arbeitsplatz, mit Gemeinschaft und Kollegen, aber auch mit negativen Erinnerungen an Tätigkeiten zu tun haben.
 

Berufe-Stammbaum
Jede Person erhält einen unausgefüllten Stammbaum (M 3). Die Anwesenden werden gebeten, den Stammbaum mit den Namen und den Berufen der Vorfahren und der Nachfahren auszufüllen.
Einige können ihre Ergebnisse in der großen Gruppe dann vorstellen.

Es wird sich zeigen, dass es eine Bewegung weg von den traditionellen hin zu den modernen Berufen („Mein Enkel macht irgendwas mit Computern“) gibt. Außerdem wird erkennbar, dass viele Berufe heute längere Ausbildungszeiten und ein höheres Qualifikationsniveau haben. Ein Gespräch über die sich wandelnde Berufswelt, neue Berufe und aussterbende Berufe kann sich anschließen.
 


B. Berufsorientierte Methoden

Veränderungen in der Berufswelt
Die Leitung bringt Fotos mit, die Berufe in unterschiedlichen Zeiten zeigen. Es kann sich jeweils ein Gespräch über die Frage anschließen: Was musste man damals können, um den Beruf bzw. die Tätigkeit auszuüben? Wie ist das heute? Gibt es den Beruf noch? Persönliche Erfahrungen der Teilnehmenden lassen sich im Gespräch anschließen.

Fotos könnten sein: Lokführer (Dampflock / ICE); KFZ-Mechaniker (VW-Käfer / Volvo), Telefonistin – Schaltkasten, Sekretärin (mechanische Schreibmaschine/Computer), Böttcher, Hausfrau damals / heute, Krankenpflegerin damals / heute. Idealerweise werden die Fotos mit dem Tageslichtprojektor projiziert oder mit einem Beamer vergrößert.

Bilder zu aktuellen und alten Berufen findet man schnell über die Suchmaschinen im Netz.
 

Woran du dein Herz hängst
Das Filmprojekt „Woran du dein Herz hängst“ porträtiert junge Leute und ihre Berufe. Die Jugendlichen erzählen davon, was ihnen ihr Beruf bedeutet und was ihnen im Leben sonst noch wichtig ist. Die Filme habe eine Länge von acht bis zehn Minuten.
Die Filme sind im Internet verfügbar (www. woran-du-dein-herz-haengst.de). Um Filmbeispiele zeigen zu können, braucht man einen Internetanschluss, einen Beamer, eine Leinwand und Lautsprecherboxen.

Die Seniorinnen und Senioren begegnen in den Filmbeispielen der Enkelgeneration. Die Leitung bittet die Seniorinnen und Senioren, einen Film oder mehrere Filme unter einer besonderen Fragestellung anzusehen (z. B. Warum hat sich der Jugendliche für den Beruf entschieden? Was erfährt man von dem Jugendlichen sonst noch? Welche Hoffnungen haben die jungen Leute? etc.). Anschließend werden die Fragen besprochen – und mit eigenen Erfahrungen ins Gespräch gebracht.

Alternativ kann ein Filmzusammenschnitt z. B. „Das erste Mal – Anfangserfahrungen im Beruf“ gezeigt werden. Es schließt sich ein Gespräch im Seniorenkreis über ähnliche „Anfangserfahrungen“ an.
 


C. Spielerische Methoden

Berufe raten
Viele Seniorinnen und Senioren kennen noch die Fernsehsendung: „Was bin ich?“ mit Robert Lembke. Diese Ratesendung kann leicht nachgespielt werden:

Eine teilnehmende Person verabredet mit der Leitung einen Beruf, den sie gerne mit einer Handbewegung darstellen möchte. Das kann ein Beruf sein, den die Person tatsächlich ausgeübt hat, es kann aber auch ein anderer sein.
Die Handbewegung wird in der Gruppe vorgemacht, ohne dass der Beruf genannt wird.

Die Gruppe stellt nun Fragen, um den Beruf zu erraten. Die Fragen dürfen nur so gestellt werden, dass mit „Nein“ oder „Ja“ geantwortet werden kann. Wenn nach dem zehnten „Nein” die Gruppe den Beruf nicht erraten hat, erhält die Einzelperson einen kleinen Preis. Anschließend kann über den Beruf und die Handbewegung gesprochen werden.
 

Der große Preis – in der Berufsvariante
Das Spiel funktioniert wie die alte Fernsehsendung „Der große Preis“ und kann in zwei bis vier Gruppen gespielt werden. Auf einen Tageslichtprojektor wird eine Folie gelegt (M 4), auf der sich jeweils Begriffe und Zahlen finden.

Die Senioren und Seniorinnen wählen abwechselnd gruppenweise eine Begriff-Zahlenkombination und beantworten die dazugehörige Frage (M 5). Ist die Frage richtig beantwortet, gibt es die Zahl als Punkte. Ist die Frage falsch beantwortet, kann die nächste Gruppe ihr Glück versuchen, bekommt aber nur noch die Hälfte der Punkte. Gewonnen hat die Gruppe, die die meisten Punkte sammeln konnte. Spieldauer ca. 45 Minuten.

 

Anmerkungen

  1. Fröhlich/Hedtmann, Biografiearbeit, 9.
  2. Vgl. Frölich/Hedtmann, Biografiearbeit, 9.
  3. Müller, Praxis Gemeindepädagogik, 15.
  4. Schulz, Faltenriss (Didaktik), 5.
     

Literatur

  • Müller, Petra: Alt ist anders. Das „neue LebensAlter“ in der kirchlichen Arbeit. Interview mit Petra Müller, Referentin und Teamkoordinatorin in der Fachstelle Alter der Nordkirche, in: Praxis Gemeindepädagogik 1/2016
  • Frölich, Michaela / Hedtmann, Barbara: Biografiearbeit mit Glaubensschätzen, Göttingen 2013
  • Legatis, Gerd: Artikel Gerontologie, in: TRE Bd. 12, Berlin/New York 1984
  • Schulz, Petra: FaltenRiss – Alter neu sehen. Didaktik und Praxisvorschläge, Gera 2017