Betrachtet: Zahras Gesicht

Von Oliver Friedrich

 

Das Gesicht von Zahra ist das UNICEF-Foto des Jahres 2017. Zahra ist ein syrisches Mädchen, das der Fotograf Muhammed Muheisen in einem Flüchtlingslager in Jordanien fotografiert hat. Dieses Foto, so UNICEF, zeige „die Verstörung, die Krieg und Flucht in den Augen eines Kindes hinterlassen. (…) In Zahras Gesicht begegnet dem Betrachter stellvertretend das stille Leid von Millionen Kindern in den Krisenländern der Erde.“

Das stille Leid von Millionen Kindern – es besteht nicht nur darin, dass sie ihre Heimat verlassen müssen, dass ihre Häuser zerstört sind, dass sie vielleicht sogar alleine auf der Flucht oder kriegsversehrt an Körper und Seele sind. Das stille Leid besteht auch darin, dass Millionen Jungen und Mädchen keine Möglichkeit haben, Lesen und Schreiben zu lernen, ihre Fähigkeiten zu entdecken, heranzuwachsen in einer Umgebung, die ihnen Raum bietet, sich zu entfalten. Das Gesicht von Zahra erzählt nicht nur von Verstörung, Krieg und Flucht, es erzählt auch von Hoffnungslosigkeit, von Hunger, von der Sehnsucht nach Geborgenheit und einer friedlichen Zukunft.

Der Gedanke, dass ungezählte Kinder auf der Welt in eine hoffnungslose Zukunft hineingehen, beschäftigt mich. Was wird aus ihnen werden, wenn sie Erwachsene sind, wenn Sie Krieg und Terror überstanden haben, wenn es für sie wieder einen Ort auf der Welt gibt, an dem sie bleiben und in Frieden leben können? Wozu werden sie sich berufen fühlen? Werden sie zu Friedensboten oder zu Terroristen? Werden sie Berufe lernen und irgendwann von ihrer Hände Arbeit leben können oder wird ihr Leben weitergehen, wie es begonnen hat und in Armut und Angst enden?

Für Zahra hat sich im Flüchtlingslager seit zwei Jahren nicht viel verändert. Muhammed Muheisen, der Zahra und ihre Familie über diesen Zeitraum besucht hat, sagt: „Noch immer können Zahra und ihre Geschwister nicht zur Schule gehen, da sich ihre Eltern dies finanziell nicht leisten können. Noch immer leben sie alle in einem einfachen Zelt. Zahras Mutter sagte zu mir: Wir sind verzweifelt, hoffnungslos und kraftlos und all unsere Träume bleiben einfach nur Träume.“