„Manchmal geht es mir wie Jona“ - Die Jonageschichte musikalisch umsetzen und Gefühle entdecken …

Von Almut Volkers 

 

Wie können Methoden aus dem musisch-ästhetischen Bereich Kinder beim Erlangen emotionaler Kompetenzen unterstützen? Dies soll im Folgenden an einer Unterrichtseinheit zur Jonageschichte aufgezeigt werden.
Das Jona Buch wird im Kanon des Alten Testaments dem so genannten Zwölfprophetenbuch zugeordnet. Es unterscheidet sich jedoch von anderen prophetischen Büchern in dreierlei Hinsicht:

Zum ersten soll das prophetische Wort nicht an Israel ergehen, sondern an Ninive, also den Feind, dem Gericht angedroht wird.

Zum zweiten handelt es sich nicht um eine Sammlung prophetischer Sprüche oder ein erst redaktionell zusammengefasstes Buch, sondern auch nach moderner literarkritischer Forschung um eine in sich geschlossene, eigenständige und kunstvolle aufgebaute Erzählung.1 Sie besteht aus zwei in sich geschlossenen Geschichten, deren Aufbau vollkommen parallel ist:

Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist! (Victor Hugo). Musik stellt, folgt man Victor Hugo, vielfach die Brücke zwischen Sprache und Empfindung dar, die gerade in solch existentiellen Momenten wie dem Tod Trost und Hoffnung ausspricht, ohne sich anzubiedern oder unpassend zu wirken.
 

Gliederung des Jonabuches 2

  1. Jon 1,1-3: Erste Berufung zur Predigt in Ninive.
  2. Jon 1,4-16: Jona und die Seeleute: Seesturm und Wurf ins Meer.
  3. Jon 2,1-11: Jona mit Jahwe allein: Rettung durch den großen Fisch und Psalmgebet.
  4. Jon 3,1-3a: Zweite Berufung zur Predigt in Ninive.
  5. Jon 3,3b-10: Jona und die Niniviten: Predigt in Ninive und Buße.
  6. Jon 4,1-11: Jona mit Jahwe allein: Jonas Verzweiflung und Jahwes Begründung seines Mitleids mit Ninive.
     

Der dritte Unterschied zwischen dem Buch Jona und den anderen prophetischen Büchern: In beiden Teilen der Erzählung findet sich eine göttliche Beauftragung (Jon1,1f, bzw. Jon 3,1f.), die restlichen Teile behandeln Jonas Geschichte mit den Seeleuten bzw. mit der Stadt Ninive und seiner Auseinandersetzung mit Gott. Es geht also in diesem Buch in erster Linie nicht um eine prophetische Weissagung, sondern um ein Prophetenschicksal: Zum einen wird gerechtfertigt, dass Gott Weissagung an ein fremdes Volk verkündet und ihnen Gnade widerfahren lässt. Zum andern wird erzählt, wie der Prophet Jona mit Gottes umfassender Barmherzigkeit konfrontiert wird und sich an ihr abarbeitet. Das Buch endet mit einer Frage Gottes. Jonas Reaktion wird nicht berichtet und dadurch wird die Frage direkt an die Leserinnen und Leser weiter gegeben. Alttestamentler kommen so zu dem Schluss, das Jonabuch gattungsgeschichtlich der Lehrerzählung zuzuordnen.3

Wenn also der Sinn dieses Buch ursprünglich darin lag, anhand der Figur des Jona die Größe und Unfassbarkeit göttlichen Handelns an sich selbst und sogar an den „Heiden“ zum Ausdruck zu bringen, erklärt dies die starke Anhäufung von Anspielungen auf Gefühle und Empfindungen, die sich, auch wenn sie nicht immer explizit benannt werden, doch aus der Handlung erahnen lassen:


Gefühle und Empfindungen, die sich in der Jonageschichte entdecken lassen

Da ist zum einen Jona:

  • Er bekommt von Gott einen Auftrag: Er ist überfordert, erschrocken, ängstlich. Da scheint das Schiff ans Ende der Welt der einzige Ausweg.
  • Auf dem Schiff fühlt er sich erleichtert und sicher, vielleicht auch überlegen und als Gewinner.
  • Im Sturm hat Jona Angst, aber auch ein schlechtes Gewissen, er ist schicksalergeben und mutig zugleich.
  • Im Fisch spricht Jona von seiner Todesangst, seiner Verlassenheit, aber auch seinem Gottvertrauen und seiner Dankbarkeit. Nach der überwältigenden Verzweiflung überkommt ihn ein Gefühl der Geborgenheit und Ruhe.
  • In Ninive zeigt sich Jona zielstrebig, gehorsam, mutig und entschlossen.
  • Das Ende des Buches zeigt einen zornigen, rachsüchtigen, beleidigten, neidischen und wütenden Jona, der sogar lieber tot sein möchte als zu leben.
     

Doch auch von Gott erfahren wir, dass er fühlt – interessanterweise aber nicht in Bezug auf Jona. Gott handelt an Jona (er gibt Jona einen Auftrag, lässt einen großen Wind kommen, lässt einen Fisch kommen, befiehlt dem Fisch, Jona auszuspucken, wiederholt den Auftrag, …). Aber in Bezug auf die Stadt Ninive benennt der Erzähler Gefühle Gottes:

  • Aus Enttäuschung und Zorn urteilt er über Ninive.
  • Er ist überrascht von deren Bußverhalten.
  • Er hat Mitleid mit den Menschen und den Tieren.
  • Er bereut sein Gerichtsvorhaben.
  • Er ist „gnädig, geduldig und von großer Güte“.


Eigene Gefühle und Erfahrungen wiedererkennen

So bietet die Beschäftigung mit der Jona-Erzählung neben dem Zugewinn an Gotteserkenntnis (Gottes Gnade reicht über das menschliche Verstehen) auch die Möglichkeit, menschliche Gefühle und Erfahrungen wiederzuerkennen und bei sich und anderen bewusster wahrzunehmen.

Viele dieser Gefühle und der daraus resultierenden Handlungen werden Kindern bekannt vorkommen. Sie kennen es, etwas nicht machen zu wollen, was andere ihnen aufgetragen haben, sei es aus Angst, Überforderung oder Unlust. Wegzulaufen und sich zu verstecken, scheint da eine gute Idee und zunächst Erleichterung zu bringen. Vielleicht hat der eine oder die andere auch schon mal den Mut aufgebracht, zu seinen Fehlern zu stehen, wenn andere dadurch Schaden erleiden. Auch die Angst in Einsamkeit, Dunkelheit und Sturm – das Gefühl, einer fremden Macht ausgeliefert zu sein, wird ebenso nachvollziehbar sein wie das Gefühl der Geborgenheit und Dankbarkeit. Ebenso kennen sie den Stolz über eine erbrachte Leistung und die Enttäuschung, wenn die entsprechende Würdigung ausbleibt. Und nicht zuletzt wird es ihnen vertraut sein, Gnade, Großzügigkeit und Vergebung als ungerecht zu empfinden. Vielleicht haben sie aber auch schon einmal selbst von dieser ungerechten Gnade profitiert und so eine Ahnung von der anderen, göttlichen Gerechtigkeit erlangt.


Mit der Jonageschichte die Empathiefähigkeit fördern

Doch auch wenn das Erzählte vertraut wirkt, so fällt es vielen Kindern im Grundschulalter noch schwer, Worte für all diese Gefühle zu finden. Gefühle sind da und lassen sich fühlen, oft aber nur schwer beschreiben. Häufig nutzen Kinder lediglich die Kategorien „gut oder nicht gut“, „schön oder schlecht“ – obwohl die Gefühlslage durchaus differenzierter sein kann. Dies gilt auch, wenn sie die Gefühle anderer beschreiben sollen.

Hier setzt das pädagogische Bemühen an, die Empathiefähigkeit der Kinder zu fördern und dazu beizutragen, dass sie lernen, sich selbst wahrzunehmen und anderen mit Mitgefühl zu begegnen, um verantwortlich ihr Leben zu gestalten. Nicht zuletzt die Hirnforschung hat deutlich gemacht, dass Gefühle für das Denken, Urteilen und Handeln von grundlegender Bedeutung sind. Deshalb gilt es, schulisches und auch religiöses Lernen nicht auf kognitive Lernformen zu beschränken, sondern die Möglichkeiten des emotionalen Lernens zu nutzen und dies bewusst in die Unterrichtsplanung einzubeziehen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass nicht bestimmte Gefühle und daraus resultierende Wertungen provoziert werden. Vielmehr soll das einzelne Kind mit seinen je eigenen Gefühlen wertgeschätzt und in einem wertschätzenden Umgang mit den Kindern seiner Umgebung unterstützt werden.

Durch Übungen zur Empathie (z. B. Spiele mit Mimik und Gestik, Standbildbau und Doppeln, …), in denen auch Gefühlslagen anderer Menschen betrachtet werden, kann die Wahrnehmung der eigenen Situation sowie der Situation anderer gefördert werden. Es kann unterstützt werden, verschiedene Worte für das Wahrgenommene zu finden und dadurch den Bewusstseinsprozess und das Einfühlungsvermögen zu entwickeln.


Motive der Jonageschichte musikalisch gestalten

Auch Musik wirkt auf die Gefühle von Menschen und lässt sich in unterschiedlicher Weise wahrnehmen. Kinder können darin geschult werden, der Wirkung der Musik nachzuspüren und musikalische Elemente selbst einzusetzen, um eigene Gefühle und Stimmungen auszudrücken.
Musik berührt den Menschen anders als Worte und kann eine große Ausdrucks- und Wirkkraft haben. Deshalb kann das „Gut- oder nicht gut“-Fühlen in unterschiedlichen Klängen differenzierter ausgedrückt werden: Für Angst lassen sich andere Klänge finden als für Traurigkeit oder Wut. Freude hört sich anders an als sich geborgen zu fühlen oder ausgelassen zu sein. Stimmungen und die Atmosphäre können in der Musik in einer Weise ausgedrückt werden, die über sprachliche Möglichkeiten hinausgeht (z. B. das Thema in der romantischen Musik Peer Gynt „Morgenstimmung“ von Edvard Grieg). Ebenso können Gefühle und Stimmungen in der Musik in besonderer Weise wahrgenommen werden, an bereits erlebte Momente erinnern und diese bewusst zu machen und ggf. zu verarbeiten helfen.
Im Folgenden werden auszugsweise Bausteine einer Unterrichtseinheit zur Jonageschichte vorgestellt, in denen musikalische Elemente eine besondere Rolle spielen. Diese übernehmen folgende Funktionen:

  • Sie unterstützen das Eintauchen in die Ebene der Geschichte;
  • sie drücken Gefühle aus;
  • sie machen verschiedene Gefühlslagen hörbar.


Ablauf der Unterrichtssequenz

Der Aufbau der Einheit folgt im Wesentlichen der Chronologie der Geschichte und ist geprägt von einer Lehrerinnenerzählung (M 1; vier Bausteine für die Lehrerinnenerzählung finden Sie im Internet als Download), die die Kinder in Jonas Welt einsteigen lässt. Lediglich die ersten Stunden der Einheit weichen davon ab:

Bevor die Kinder mit der Geschichte konfrontiert werden, wird eine Stunde vorangestellt, die sie an die Aufgabe heranführt, Gefühle bei sich und anderen wahrzunehmen und zu benennen. Als Einstieg wähle ich eine Auswahl der auch schon bei den Kindern bekannten Smileys und Emoticons, die wortlos Auskunft über die Gefühlslagen des Absenders vermitteln oder verdeutlichen sollen, in welcher Stimmung die Information gesagt ist.

Nachdem die Kinder die Bilder beschrieben und erklärt haben, folgt eine Gruppenarbeit, in der sie sechs Gefühlslagen (z. B. fröhlich, ängstlich, stolz, erschrocken, wütend, zufrieden) unterschiedlich darstellen sollen. Die Kinder können wählen, ob sie mit Instrumenten, pantomimisch oder an Elfchen arbeiten bzw. eigene Smileys erfinden wollen. Dabei können die Gruppen entweder nach dem zu bearbeitenden Gefühl oder nach der Methode eingeteilt werden. Geht man nach den Methoden vor, kann bei der Präsentation eine Art Quiz entstehen: Welcher Klang, welches Gedicht, welche Statue und welcher Smiley stellt welches Gefühl dar? Oder aber man gestaltet für jedes Gefühl eine Art Theaterstück mit Musik, Bühnenbild, Pantomime und Gedichtvortrag. Für den Abschluss eignet sich das Lied „Wenn du glücklich bist …“.

Eine Stadt im Wohlstand musikalisch darstellen

Die zweite Stunde (nach Möglichkeit eine Doppelstunde) stellt den Kindern Ninive vor als eine Stadt, die wirtschaftlich blüht und in der Wohlstand regiert. Verschiedene orientalische Gewürze, Pfefferminztee, feine Stoffe, glitzernde „Edelsteine“ und Früchte wie Granatapfel und Datteln in einer gestalteten Mitte helfen den Kindern, sich auf einer Phantasiereise in diese fremde Welt und Zeit einzufinden. Um das Bild der harmonischen und reichen Stadt zu verstärken, erhalten die Kinder nun Glockenspiele, Metall- und Xylophone sowie Bassklangstäbe, die pentatonisch gestimmt sind.4 Zunächst probiert nur ein Kind eine Melodie mit den fünf Tönen auf dem Glockenspiel zu spielen, ein anderes Kind antwortet darauf, das nächste spinnt die Melodie weiter. Die Bassklangstäbe kommen dazu und geben den hohen Tönen einen Grundschlag, die mit den Metallophonen in Quintklängen gefüllt werden. Schließlich stimmen die Xylophone hintereinander als eine zweite Melodie mit ein. Dazu kann ein Dirigent oder eine Dirigentin gewählt werden, die den einzelnen Musikerinnen, Musikern und Instrumentengruppen die Einsätze gibt. Im Anschluss wird aus gleich großen Schuhkartons eine Stadtmauer errichtet. Auf jeden Deckel wird mit gelben, orangenen, goldenen Farben Ninives Reichtum für alle sichtbar gemalt und vor einer zuvor aufgemalten Stadtsilhouette aufgebaut.5

Das Unrecht in der Stadt hörbar machen

In der dritten Stunde wird die Ninive-Symphonie noch einmal gespielt. Dabei erhalten einige Kinder jedoch kein Instrument, sondern vorbereitete Rollenkarten, die sie auf Einsatz laut lesen sollen. Hier werden Szenen angedeutet, die das harmonische Bild der Stadt in Frage stellen sollen: Eine Frau bettelt um Brot für ihre Kinder, ein Händler schimpft über ungerechte Steuern, ein Sklave beklagt sein Schicksal, ein Richter wird korrupt genannt. Mit den Kindern wird erarbeitet, was in Ninive alles schief gehen kann und wo die goldene Fassade bröckelt. Die Lesekinder erhalten nun einen Halbton, der die Harmonie der Pentatonik stört. So wird aus der mittlerweile vertrauten Symphonie eine Kakophonie,6 die das Unrecht in der Stadt hörbar macht. Mit Kohlestiften oder weichen Bleistiften gestalten die Kinder eine Szene in der „bösen“ reichen Stadt und kleben sie auf die Rückseite der Stadtmauer. Zum Schluss der Stunde kann das Lied vom Streit7 gesungen werden.


Gefühle von Gott und Menschen musikalisch darstellen

In der vierten Stunde erfahren die Kinder von Gottes Urteil über die Stadt. Ist Gott traurig, ist er wütend, enttäuscht? Kann man Gottes Gefühle in Klänge verwandeln? Wie klingt seine Reaktion, wenn er wütend, enttäuscht oder wenn er traurig ist? Mit Metall-Klangstäben werden moll- Dreiklänge zu einer Kadenz moduliert und mit unterschiedlichen Rhythmusinstrumenten begleitet (Congas und Shaker für das Gefühl „traurig“, Becken,

Rasseln für „zornig“, Triangeln, Klanghölzer für „enttäuscht“).
Nun beginnt Jonas Geschichte. Ich erzähle mit Unterstützung einer Egli-Figur, die einen erschrockenen Jona zeigt. Aus der Retrospektive hören die Kinder von seiner Beauftragung und deuten nun seine Körperhaltung. Welche Gedanken gehen in jemandem herum, der so dasteht? Was fühlt er, was könnte er tun? Die Kinder sammeln mögliche Antworten auf einem Arbeitsblatt. Das Nein-Lied8 wird gesungen.

Nun wird das Nein des Liedes aufgegriffen und mit den zuvor gefundenen Gefühlen in einem Protestruf begründet, der mit den passenden Instrumenten der ersten Stunde unterstützt wird, z. B. „Nein – weil ich Angst habe“ (Trommeln), „nein – weil es gefährlich ist“ (Schellenkranz, Gong). Als Übertragung auf ihre Lebensbezüge sollen sie sich eine Aufgabe denken, vor der sie weglaufen wollen und wie ihr Gesicht dann aussieht. Dieser Gesichtsausdruck wird auf einem Foto festgehalten, das sie in der nächsten Stunde auf das Arbeitsblatt kleben. Darunter schreiben sie den Satz: Manchmal geht es mir wie Jona, wenn …

Psalmworte zu (klassischer) Musik intonieren

In der fünften Stunde sehen die Kinder einen schlafenden Jona als Egli-Figur. Die Erzählung berichtet von seiner Flucht bis ans Ende der Welt und von seiner Erleichterung, die ihn ruhig schlafen lässt.
Nicht so die Matrosen, denn der Sturm beschäftigt sie. Wir hören den vierten Satz der 6. Sinfonie (Pastorale) von Beethoven. Was geht in den Matrosen vor? Was können sie gegen ihre Angst tun? Sie rufen nicht nur ihre Götter an, sondern auch Jonas Gott. Die Kinder erhalten Psalmworte gegen die Angst, die sie in die Musik hineinrufen.

Die sechste Sequenz (auch hier wäre eine Doppelstunde von Vorteil) beginnt mit einer Bildbetrachtung eines der Jona-Holzschnitte von Walter Habdank, von dem zunächst aber nur der schlafende Jona zu sehen ist (M 2). Die Kinder erinnern sich an den schlafenden Jona der letzten Stunde und erzählen von seinem Sicherheitsgefühl und dem Sturm, den er verschläft. Dann wird um den Jona herum der Fisch gelegt. Wie verändert sich damit das Bild von Jona? Und was könnte in der Geschichte passiert sein? Die Erzählung wird mit den Kindern gemeinsam entwickelt.

In die Kreismitte wird ein Bettlaken gelegt, das in Form eines Fisches genäht wurde. Ein Kind darf hineinkriechen, die anderen Kinder formulieren Jonas Gefühle und Gedanken.
Der gekürzte Jona-Psalm wird als möglicher Gedanke vorgelesen. Einzelne Verse werden in großer Schrift um den Fisch herum gelegt. Die Kinder sollen nun von Vers zu Vers wandern und bei einem stehen bleiben, der ihnen besonders gefällt. Was hören sie, wenn sie diesen Vers noch einmal für sich sprechen? Welche Wörter sind besonders wichtig, welche klingen tief, welche schwer, laut oder leise? Gibt es Töne, die mitschwingen, entstehen Geräusche, ein Echo oder Melodien? In Kleingruppen (drei Kinder) sollen die Kinder ihren Vers nun hörbar machen: Ein Kind spricht den Text mit den erarbeiteten Nuancen vor, während ein bis zwei andere die Worte instrumental verstärken oder durch eine Art Kadenz interpretieren. Dabei können Kinder, die ein Instrument spielen (Klavier, Flöte, Gitarre, Geige …) zum Zuge kommen und erstes freies Improvisieren, wie wir es pentatonisch schon probiert haben, auf ihren Instrumenten wagen.

Die Kinder erhalten abschließend Tonpapier-Streifen in Meeresfarben, die sie in Wellenform ausschneiden. Sie sollen sie mit Versen des Jona-Psalms beschriften, die ihnen zusagen. Dann erhalten sie eine Kopie des Habdank-Fisches, den sie ausschneiden. Aus den Wellen und dem Fisch wird ein Jona-Mobile gebastelt. Dabei können Meeresklänge als Hintergrundmusik laufen, die eine entspannte Atmosphäre vermitteln.

Eine Verwandlung durch Kakophonie und Symphonie ausdrücken

Auch die siebte Stunde beginnt mit einem Bild. Auf der Darstellung von Sekiya Miyoschi (M 3) ist zu sehen, wie der Fisch Jona durch einen Regenbogen hindurch an Land spuckt. In der Bildbetrachtung wird in Erinnerung an die Arche-Geschichte der Inhalt des Bundes erarbeitet, den Gott mit Noah schließt: Ich will nicht vernichten, sondern gnädig sein. Hier wird bereits das Ende der Ninive-Geschichte an Jona durchexerziert. Die Rettung und Bewahrung, die Jona schon im Fisch gespürt hat und in seinem Psalm anklingen lässt9, wird nun mit dem Zurückkommen an Land vollendet.

Der Bildbetrachtung folgt eine Erzählung wieder aus der Ich-Perspektive. Jona beginnt wieder von vorne. Er erhält erneut den Auftrag und läuft los in diese bereits bekannte, riesige Stadt. Er beschreibt noch einmal, was die Kinder bereits in der dritten Sequenz erfahren haben. Sie erhalten wieder das Instrumentarium, um die „Ninive-Kakophonie“ zu spielen – bis Jona Gottes Botschaft übermittelt. Das lässt alle innehalten und schweigen. Jona beobachtet, wie der König ein Bußgewand anzieht. Das Bußgewand wird aus einem Bogen Packpapier geschnitten. Die Kinder erhalten Zettel, auf die sie Möglichkeiten eines gerechten und friedfertigen Miteinander-Lebens aufschreiben. Mit diesen Zetteln wird das Bußgewand beklebt. Danach verwandelt sich die Kakophonie wieder zu einer Symphonie10, indem die Halbtöne verstummen und nur noch pentatonische Klänge zu hören sind. Als Lied zum Abschluss eignet sich „Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehn“ 11 oder die vierte Strophe des Streit-Liedes.

Wut und Gnade musikalisch ausdrücken

Die achte Stunde beginnt mit einer Mindmap: In der Mitte eines Plakates, das auf jeden Gruppentisch gelegt wird, ist die Darstellung des Jona vor der Stadt, z. B. von Kees de Kort, zu sehen. Sie lässt Jonas Wut sichtbar werden und regt zur Assoziation an. Auf dem Plakat sollen spontane Einfälle gesammelt werden, die dieses Bild wecken. Nach einem kurzen Austausch soll das Augenmerk auf Jonas Gefühlslage gelenkt werden: Was fühlt er und warum? Findet ihr eine Überschrift zu dem Bild? Nun sollen die Kinder aus ihren Einfällen einen Sprechgesang entwickeln 12, der mit einem Rhythmus-Pattern durch Trommeln, Klanghölzer, Schellen und ähnliche Instrumente unterstützt wird.

Die folgende Lehrerinnenerzählung zum Rizinus-Gleichnis bis zu Gottes Antwort zeigt Gründe auf und bietet Identifikation an für alle, die Gnade schon als ungerecht erlebt haben. An dieser Stelle bietet es sich an, die Kinder Gottes Antwort an Jona formulieren zu lassen, bevor das offene Ende der biblischen Geschichte erzählt wird.

In einem gemeinsamen Gespräch kann über Gottes Verhalten am Ende nachgedacht werden. Die Frage „Wie klingt eigentlich Gnade?“ leitet zur musikalischen Umsetzung: Kann Gnade auch gerappt werden, oder brauchen wir dafür andere Ausdrucksformen? Dabei wird noch einmal an den Regenbogen erinnert. Gibt es für dieses Bild ein klangliches Äquivalent? Und wie klingt das im Gegenüber zu Jonas Wut?
Zum Abschluss der Sequenz können die Kinder dann Jona eine Antwort formulieren lassen. Hat sich durch Gottes Erklärung Jonas Stimmung geändert? Kann er es zulassen, dass der Regenbogen auch nach Ninive gespannt wird? Wie geht Jona zurück? Kann er das Regenbogen-Lied 13 mitsingen?

 

Anmerkungen

  1. Dietrich/Mathys/Römer/Smend: Die Entstehung des Alten Testaments, Stuttgart 2014. S.435ff. Es besteht lediglich Uneinigkeit, ob der sog. Jonapsalm redaktionell eingearbeitet wurde. Ausführliche Diskussion S.437f.
  2. Aus Meik Gerhards, Jona/Jonabuch.
  3. Ebd.
  4. Mir ist bewusst, dass pentatonische Klänge eher in der asiatischen Musik beheimatet sind, mir liegt aber nicht daran, den Kindern ein historisch korrektes Bild von Ninive im 5. Jhd. v. Chr. zu vermitteln, sondern ihnen zu ermöglichen, den Reichtum und die Schönheit einer „goldenen Stadt“ als ganze Klasse zu verklanglichen und symphonisch zu beschreiben. Dazu eignet sich die Pentatonik hervorragend – auch um dann mit ganz wenigen „Störtönen“ eine Disharmonie zu erzeugen und die Fragilität der goldenen Fassade Ninives zu verdeutlichen (s. Folgestunde).
  5. Alternativ kann auch eine Stadtsilhouette im Din-A-5-Format angemalt, in der Mitte geteilt und an den Außenrändern auf ein Din-A-4-Blatt geklebt werden, so dass es an den Schnittstellen aufgeklappt und dann in der Folgestunde mit einer Unrechtsszene mit Kohle-oder Bleistift gestaltet wird (s. Folgestunde).
  6. Während die Symphonie (griechisch: syn = zusammen, phonos = Klang) den Wohlklang verschiedener Töne und Instrumente beschreibt, meint die Kakophonie (kakos = schlecht) disharmonische Klänge.
  7. R. Krenzer, L. Edelkötter: Streit, Streit, Streit in: Lieder zum Versöhnen.
  8. Netz, H. J. / Baltruweit, F.: Nein, nein, nein, aus: Hannoversche Arbeitsstelle, Komm mit Jona nach Ninive, Lieder zum Kinderkirchentag, Hannover 1983, S. 7.
  9. So auch Gerhards, Jona/Jonabuch.
  10. Kakophonie = schlecht klingende Folge von Lauten, Missklang, Dissonanz. Symphonie = Zusammenklingen (s. www.duden.de).
  11. Z. B. in: Spurensuche: Lieder zum Kirchentag, Stuttgart 1997.
  12. Vielleicht haben die Kinder im Musikunterricht bereits das Rap-Huhn kennengelernt oder Erfahrungen mit Rhythmicals gesammelt, auf die hier hingewiesen werden kann.
  13. „Unter Gottes Regenbogen Schutz und Schirm zu jeder Zeit“, in: Schönhals-Schlaudt / Schlaudt: Unter Gottes Regenbogen.
     

Literatur

  • Dietrich, Walter / Mathys, Hans-Peter / Römer, Thomas / Smend, Rudolf: Die Entstehung des Alten Testaments, Stuttgart 2014
  • Freudenberg, Hans: Religionsunterricht praktisch 4, 6. Auflage Göttingen 1998.
  • Gerhards, Meik: Artikel: Jona / Jonabuch, in: http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/jona-jonabuch/ch/d96db0c365527d5bc0e 7f92a0addc9a0/ letzter Zugriff 15.01.2016, 11.00 Uhr.
  • Krenzer, Rolf; Edelkötter Ludger: Lieder zum Versöhnen, Pulheim 2009
  • Miyoschi, Sekiya: Jona. Ein Bilderbuch, Hamburg 1991
  • Netz, Hans-Jürgen / Baltruweit, Fritz: Komm mit Jona nach Ninive, Lieder zum Kinderkirchentag, Hannover 1983
  • Schöne, Gerhard (Hg): Spurensuche: Lieder zum Kirchentag, Stuttgart 1997
  • Schönhals-Schlaudt, Dorothea / Schlaudt, Bernd: Unter Gottes Regenbogen, Menschenskinderlieder Bd. 2, Frankfurt a. M. 3. Auflage 2006