Die närrische Zeit – ab heute wird gefreut?! - Fasching feiern? – contra

von Felix Emrich

 

Warum um alles in der Welt bekomme ich nur eine solche sms? „Tätää, tätää, tätäää. Grüßt euch ihr Leut, der Karneval beginnt heut, ab jetzt wird gefreut. Tätää, tätää, tätäää. Türkischer Karnevalsverein 1911 e.V.“ – Ist Gökay, mein alter Freund aus dem Ruhrpott, unter die Karnevalisten geraten? Wahrscheinlich war seine Nachricht, gesandt am 11.11., doch nicht so ernst gemeint …

Angenommen, er meint es mit dem Feiern ernst (wie Millionen es ja tun, im Rheinland und anderswo) – ist es nicht abstrus, mitten im November diese fünfte Jahreszeit auszurufen, die dann im Februar ihren närrischen Abschluss und Höhepunkt findet? Also: „Ab jetzt wird gefreut – die nächsten vier Monate?!“ Davon mal ganz abgesehen; aus welchem Grund wird denn gefeiert? Weihnachten, Ostern, Sylvester, auch jede private Party hat ihren Anlass, nur dieser kollektive Freudentaumel Karneval hat eigentlich gar keinen Anlass mehr.

Sicher, historisch gesehen gab es den wohl mal. Damals, als es noch bei Strafe verboten war, in der Passionszeit vor Ostern ein Bier zu trinken. Der Name des Festes deutet den Anlass an: „carni vale (dicere)“ – „Dem Fleisch leb wohl (sagen)“. Noch mal so richtig die Sau raus lassen, bevor ich in der Bußzeit allen fleischlichen Freuden entsagen muss – ob aus tiefer Religiosität heraus oder aus purer Konvention. Damals, als die Buße noch so eingeübt wurde, dass man gewissermaßen mit seinem Herrn Jesus der Welt abstarb, hatte das vielleicht noch einen Sinn nach dem Motto: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ (auch wenn Paulus das etwas anders gemeint hat, vgl. 1.Kor 15,32).

Aber heute, in unserer Spaßgesellschaft, hat sich dieser alte Brauch doch überlebt. Noch weniger als bei Ostern z.B. wissen die Leute überhaupt, warum gefeiert wird. Wir feiern eh viele Feste, und die Dorfgemeinschaft kommt beim Erntedankfest oder Schützenfest zusammen. Brauchen wir auch noch einen Karnevalszug in Hannover?

Davon einmal abgesehen, ist es ja eigentlich ein schönes Fest. Für die Kinder an erster Stelle. Es ist schon toll, mit welcher Leidenschaft sie sich ausstaffieren, um im Kindergarten oder der Schulklasse zu feiern – möglichst mit dem schönsten oder witzigsten Kostüm. Und auch für Erwachsene ist es ja reizvoll: Einmal jemand anderer sein und ganz aus der Rolle fallen, starre Grenzen überschreiten, mit Freunden und Wildfremden zu feiern mit allem, was dazugehört. Während die Umzüge, die ich als Kind in Dortmund oft mit großen Augen und kalten Füssen auf der Jagd nach Kamellen miterlebt habe, auch was für Erwachsene sind, sind aber die Feiern danach sicher nichts für Kinder.

Ich glaube aber, es sind weniger die Extreme oder Auswüchse, die mich zunehmend einen Bogen um die Karnevalsfeiern haben machen lassen (und mittlerweile wird Karneval ja nicht nur in den traditionell katholischen Gebieten gefeiert). Seltsam finde ich einfach das, was oben in der sms meines Freundes angeklungen ist: Dieses so militärisch klingende „Ab heute wird gefreut – Punkt.“ Ich habe nämlich das Gefühl: um hier mitzufeiern, müsste ich mich nach ganz neuen Regeln richten. So wie beim Oktoberfest alle Schunkeln „müssen“, so wittere ich auch beim Karneval eine geheime Choreographie. Egal welches Kostüm ich trage: man verlässt eine Rolle, aber die neue ist dann vorgegeben – zu Karneval ist man halt ein Narr. Tätää!

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2008

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