Mädchengruppen im Konfirmandenunterricht – Ein Erfahrungsbericht

von Kerstin Tönjes

 

"Warum machst Du nicht einfach einmal eine Konfirmandengruppe nur für Mädchen?" Mit dieser harmlosen Frage fing es vor vier Jahren an. Während unserer Konfirmandenunterricht-Projektphase hatte ich ein Mädchenprojekt zum Thema "Ich bin stark". Die Stimmung während der zwei Monate in dieser bunt zusammen gewürfelten Gruppe war sehr gut. Wir lachten viel, und die Mädchen konnten von ihren Problemen und Wünschen erzählen. Spontane Rollenspiele waren möglich. Ich erinnere mich noch an ein haarsträubendes Gespräch über die Höhe von Handykosten. Beim letzten Treffen gab es den üblichen Rückblick und von uns allen ein Bedauern, dass es nun zu Ende sei.

Da kam die "harmlose" Frage nach einer Folge-Mädchengruppe, die ich zunächst mit einem Seufzen zur Seite schob. Fast zwei Jahre nur Mädchen, wie sollte das denn gehen? Denen würden doch die Jungen fehlen. Doch der Gedanke begleitete mich weiter und ließ mich meine Kämpfe im Konfirmandenunterricht einmal mit anderen Augen sehen: Warum musste ich Woche für Woche so viel Energie in das Bändigen hauptsächlich der Jungen geben? Kamen nicht die stillen Mädchen zu kurz? Und warum hatten die Gespräche in der Projektgruppe so viel mehr Tiefgang als in der normalen Unterrichtsgruppe? War das ein Zufall oder hatte es etwas mit der Zusammensetzung der Gruppe zu tun?

Mir fiel das Buch "KU – weil ich ein Mädchen bin"1 in die Hände. Das machte mir Mut, einmal einen "Versuchsballon" zu starten. Im neuen Jahrgang übernahm ich bei der Einteilung der Konfirmandinnen und Konfirmanden je eine gemischte Gruppe und eine reine Mädchengruppe. So konnte ich beide Gruppen nebeneinander laufen lassen und mit offenen Sinnen vergleichen.

Die Unterschiede waren enorm. Das wurde mir besonders deutlich an meiner eigenen Stimmung nach dem Unterricht. Nach der Mädchengruppe ging ich viel entspannter und lockerer wieder nach Hause als nach der gemischten Gruppe. Die Geschlechterkämpfe und das Buhlen fielen einfach weg.

Jetzt, vier Jahre später, habe ich meinen ersten Durchgang ausschließlich mit Mädchengruppen, und zwar sowohl im Vor- als auch im Hauptkonfirmandenunterricht. Ich bin nicht mehr schwerpunktmäßig Dompteuse, sondern bin – ja was denn eigentlich? Diakonin ist etwas anderes als Pastorin oder Lehrerin. Ich bin nicht die Mutter, habe aber doch gewisse mütterliche Funktionen. Ich bin ein weibliches Gegenüber, die keine Zensuren verteilen muss wie die Mädchen es sonst in der Schule erleben. Ich bin Ansprechpartnerin, Seelsorgerin und Vorbild. Und ich muss gestehen, manchmal bin ich auch das pubertierende Mädchen. Dann lachen wir gemeinsam bis uns die Tränen kommen oder ich werde genauso patzig wie die Konfirmandinnen.

Der Unterricht selbst ist nach wie vor entspannter. Natürlich gibt es auch Machtkämpfe und "Rumgezicke" unter den Mädchen. Es gibt die Schweigerinnen und die Patzigen. Nur: Ich erreiche diese Mädchen ganz anders als in den gemischten Gruppen. Eine ganz besondere Qualität haben die Vorher-, Hinterher- und Nebenbeigespräche bekommen. Niemals zuvor in meiner fast 20-jährigen Dienstzeit habe ich so viele Seelsorgegespräche mit den Konfirmandinnen geführt wie in diesen letzen vier Jahren. Die Mädchen haben wahrscheinlich nicht mehr auf dem Herzen als die in früheren Jahrgängen auch. Aber in den Mädchengruppen gibt es eine andere Vertrautheit. Die Mädchen trauen sich auch im Unterricht mehr Fragen nach dem Leben und nach Gott zu stellen.

Ähnliches berichtet mein Pastorenkollege aus den parallel laufenden Jungengruppen. Auch bei ihnen herrscht mehr Dichte und Offenheit. Auch für sie ist es eine Chance.

Ich will aber nicht nur schwärmen. Eine problematische Gruppe habe ich in diesem Jahr konfirmiert: Die Mädchen waren unglaublich still. Eine Schweigerin saß neben der anderen. Da sehnte ich mich manchmal nach der männlichen, fordernden Energie.

Bei den Konfirmandenanmeldungen kommen jetzt immer häufiger Eltern, die ihre Töchter ganz gezielt für die Mädchengruppe anmelden wollen. Sie erzählen, dass sie das als eine Chance für ihre Töchter ansehen, mal anders aus sich heraus zu kommen, einfach geschützter zu sein und sich öffnen zu können. Diese Gespräche mit den Eltern machen mir viel Freude und ich bin erstaunt, welche Außenwirkung unsere Form der Konfirmandenarbeit hat.

 

Wie erleben die Mädchen selbst ihren Konfirmandenunterricht?

Ich habe sie ihre Gedanken zum Konfirmandenunterricht in einer Mädchengruppe einmal aufschreiben lassen.


Was ist schlecht an Mädchengruppen?

  • Dass Mädchen so albern sind,
  • Mädchen lästern manchmal zu viel,
  • Man hört die Meinung der Jungen nicht,
  • Bei Mädchengruppen gibt es öfter Zickenterror,
  • Etwas langweiliger,
  • Ist nicht so lustig (das ist in unserem Alter einfach so),
  • Mit Jungen ist es witziger – mit bestimmten Jungs ist es voll witzig.


Was ist gut an Mädchengruppen?

  • Dass da kein Junge ist und man über sie lästern kann,
  • das ist lustiger,
  • dass die Jungen nicht nerven können!
  • keine tiefen Stimmen beim Singen,
  • dass man Mädchenprobleme besprechen kann,
  • in Mädchengruppen kann man sich gut beraten (Klamotten),
  • in einer reinen Mädchengruppe ist man offener,
  • ganz lustig,
  • Girl-Power,
  • keine Geheimnisse,
  • unter Mädchen sein ist gut,
  • wird nicht so viel Quatsch gemacht und gestört,
  • man hat die gleichen Themen,
  • zu zweit ist Gruppenarbeit einfacher als Gruppenarbeit mit Jungen,
  • anderer Humor – Jungen haben eher Witze über Mädchen, wo wir denken "häh?",
  • man lacht und wird nicht von Jungen kommentiert,
  • Jungen, die einen ansprechen könnten (flirten) gibt es hier sowieso nicht! Die gibt es nur in Lilienthal oder Hamburg (Gacker!).


Warum seid Ihr hier in einer Mädchengruppe?

  • Zufall
  • Wir wollten Kerstin 2
  • Glück

Soweit mein Erfahrungsbericht aus einer weiter sich verändernden Konfirmandinnenarbeit. Ich sehe in Mädchen- (und Jungen-) Gruppen im Konfirmandenunterricht eine große Chance, die genutzt werden sollte.

 

Anmerkungen

  1. Sabine Ahrens/Annebelle Pithan (Hg.): KU – weil ich ein Mädchen bin. Ideen – Konzeptionen – Modelle für mädchengerechten KU, Gütersloh 1999
  2. Vorname der Autorin

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2006

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