Die Foto(stand)bildgeschichte - Eine andere Form der Textarbeit

von Dietmar Peter

 

Biblische Geschichten sind zentrale Elemente des Religionsunterrichts. Als Sprache des Glaubens, der Tradition und der Wirkungsgeschichte laden sie ein zu Kritik und Zustimmung. Eigene Fragen und Probleme sind in den Texten aufgenommen und können über die Identifikation mit den handelnden Personen versprachlicht werden. Im Rahmen dieses Prozesses reihen wir uns in die Menschheitsgeschichte ein.

Trotz ihrer Möglichkeiten treffen biblische Texte im Religionsunterricht der Sekundarstufe I eher auf geringeres Interesse und werden von der Schülerinnen und Schülern häufig mit entsprechenden Kommentaren abgelehnt. Ein Aufbrechen dieser Situation gelingt umso besser, je stärker den Jugendlichen die Verknüpfung der Geschichten mit der eigenen Lebenssituation deutlich wird. Noch motivierender ist eine methodische Anlehnung der Textarbeit an kulturelle Elemente der jugendlichen Lebenswelt. Hierfür bieten sich u.a. Fotogeschichten an, da sie seit Jahren wöchentlich in verschiedenen Jugendzeitschriften präsent sind. Zur Erstellung einer entsprechenden biblischen Foto(standbild)geschichte wird wie folgt vorgegangen:

Ausgehend von einer vorgelesenen biblischen Geschichte äußern die Schülerinnen und Schüler ihre Assoziationen und beschreiben, welche Bilder beim Hören des Textes in ihren Köpfen entstanden sind. Diese sollen der Klasse möglichst konkret vorgestellt werden. Im Anschluss ist die Vielzahl von Vorstellungen zu ordnen. Dazu werden die einzelnen Ideen mit dem Text verglichen. Im Anschluss wird der Text in mehrere Abschnitte zerlegt. Erfahrungsgemäß bietet sich eine Konzentration auf wenige Teile an (vier bis sechs), da damit der zentrale Inhalt stärker in den Blick gerückt wird. Von jedem Teil soll im folgenden ein Standbild erstellt werden. Ein Standbild ist eine von Personen einer Lerngruppe gestaltete Darstellung eines Problems, eines Themas oder einer sozialen Situation. Auf diesem Weg können die Beziehungen von Personen zueinander sowie Haltungen, Einstellungen und Gefühle verbildlicht werden.

Nachdem die einzelnen Bilder ansatzweise geplant wurden, beginnt die Arbeit am ersten Standbild. Nach der Wahl der Akteure erhalten diese einige Tücher zum Verkleiden. Der Rest der Gruppe übernimmt die Aufgabe der Regisseure. Diese bilden und modellieren nacheinander Schritt für Schritt aus den Körpern der Akteure ein Standbild. Wichtig ist, dass sie sich möglichst an den zuvor in der Klasse benannten Ideen orientieren. Die Schülerinnen und Schüler, die geformt werden, nehmen wie bewegliche Puppen die Haltungen – einschließlich der Mimik und Gestik – ein, die ihnen gegeben werden. Steht das erste Bild zur Zufriedenheit der Regisseure, wird ein Foto gemacht. Hilfreich ist hier eine Digitalkamera, da die Bilder später mit einem Bildbearbeitungsprogramm noch verändert werden können. Entsprechend wird bei allen weiteren Standbildern vorgegangen.

In einer nächsten Phase sind die einzelnen Bilder auszuwählen und in Absprache mit der Klasse ggf. am Computer zu modifizieren. Diese Arbeit erledigen einzelne Schüler in der Regel ausgesprochen professionell. Liegen die (bearbeiteten) Fotos vor, beginnt die spannendste Phase. Die Schülerinnen und Schüler werden nun im Rahmen einer Gruppenarbeit aufgefordert, die einzelnen Bilder mit Sprech- und Denkblasen zu versehen. Hier kommt es darauf an, sich in die dargestellten Akteure der biblischen Geschichte hineinzuversetzen. Gleichzeitig besteht die Herausforderung darin, sich auf das zentrale Geschehen eines jeden Bildes zu einigen. Andernfalls würden die einzelnen Situationen unübersichtlich. Erfahrungsgemäß ergibt sich in dieser Phase die intensivste Arbeit am Text.

Abschließend wird das Gesamtergebnis präsentiert und diskutiert. Eine Möglichkeit besteht darin, den Originaltext unter die einzelnen Fotos der Standbildgeschichte zu kleben.

Zur Verdeutlichung des Verfahrens wird im nachstehenden Beispiel die Auseinandersetzung mit der Gefangennahme Jesu (Mt 26, 47-56) entsprechend dargestellt. Die Fotostandbildgeschichte entstand im Rahmen eines Lehrerfortbildungskurses des RPI. 



47 Und als er noch redete, siehe, da kam Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes. 48 Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist‘s; den ergreift.

 



49 Und alsbald trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi! und küsste ihn. 50 Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, dazu bist du gekommen?



 

 









Da traten sie heran und legten Hand an Jesus und ergriffen ihn. 51 Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab.
52
Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. 53 Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? 54 Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss? 55 Zu der Stunde sprach Jesus zu der Schar: Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. 56 Aber das ist alles geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten.

 



Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

 

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2004

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