'Pendeln' und anderes mehr - Okkultpraktiken als Thema des Religionsunterrichts?

von Andreas Feige, Stephanie Kamitz und Michael Schramm

 

Ein nebensächliches Thema?

Von Science Fiction über Fantasy bis hin zu Okkultem und Mysteriösem: In den letzten Jahren ist eine wahre Flut von Serien (Akte X, Millenium, Mystery usw.) über die meist jungen Fernsehzuschauer hereingebrochen. Die Quotenmacher des Privaten Fernsehens wissen, was ankommt.

Auch in den Ergebnissen der Shell-Studie 2000 lässt sich etwas Wichtiges zum Thema ‚Jugend und das Unerklärbare‘ erkennen. Zwar fällt die Antwort der befragten 15-24-jährigen Jugendlichen zur Frage nach 'spirituell-okkulten Praktiken' deutlich zurückhaltend aus: ‘‘76% aller Befragten üben keine dieser Praktiken aus, 14% eine, 5% zwei, 2% drei, 1% vier.’‘ (Shell-Studie 2000, Bd. 1, S. 174) Und die Studie zeigt auch, dass Praktiken wie ‘‘I Ging’‘ ‘‘Karten legen’‘ und ‘‘Pendeln’‘ nur von 6,7% der Jugendlichen ‚selten‘ bis ‚sehr oft‘ praktiziert werden und es sich ähnlich bei ‘‘Geisterbeschwörungen’‘ und ‘‘Séancen’‘ verhält: 3,1% praktizieren dies ‚selten‘ bis ‚sehr oft‘, bei Beschwörungs-/Zauberhandlungen und dem Satanskult geben dies nur noch 2% an. (Quelle: Frage 37 der Shell-Studie 2000, a.a.O., Elektronischer Datensatz). Aber: An anderen Antworten der Jugendlichen lässt sich erkennen, dass übernatürliche Phänomene gleichwohl ein bewusstseinsthema der Jugendlichen sind. So gibt es für fast zwei Drittel der Befragten Vorgänge, ‘‘die man nicht erklären kann’‘, in denen ‘‘übernatürliche Kräfte’‘ am Werk sind (Frage 41 Shell-Studie 2000, a.a.O., Elektron. Datensatz). Allerdings wird darüber nur ungern offen gesprochen: 45,7% verweigern sich hier. Diese Zurückhaltung gilt selbst für Gespräche in der Clique. Nur 17% der Befragten reden dort ‚oft‘ über übernatürliche Sachen und religiöse Themen (Elektron. Datensatz, a.a.O.).

Mithin: ‚Unerklärlich-Übernatürliches‘, ‚Mysteriöses‘ - gar: Okkultes - ist zwar einerseits ein Thema, aber es bleibt doch nur latent, d.h. es entzieht sich z.T. selbst der Öffentlichkeit des Freundeskreises. Und das bedeutet: Wegen seiner Latenz ist es besonders intensiv, weil bewusstseinsunkontrolliert wirksam. Könnte das Thema nicht gerade deshalb ein Gegenstand des Schulunterrichts sein - und dort, wo sonst, im Religionsunterricht?

Wir haben diese Frage im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts über Religionslehrerinnen und -lehrer in Niedersachsen gestellt, über das insgesamt in diesem Heft auch an anderer Stelle berichtet wird.

 

Einstellungen und Erfahrungen von ReligionslehrerInnen zum Thema

Im Folgenden wollen wir Reaktionen von Religionslehrenden vorstellen, die im Rahmen des Untersuchungsfragebogens zum Themenkomplex 'Okkulte Praktiken als Thema des Unterrichts' gesammelt wurden. Es sind zum einen Antworten auf eine frei zu beantwortende Frage nach Erfahrungen und nach dem Umgang mit okkulten Themen im Unterricht; zum anderen sind es Reaktionen auf Antwortvorgaben, in denen Möglichkeiten beschrieben werden, Pendeln im Unterricht thematisch zu behandeln, und die den Kenntnis- und Interessenstand zu diesem Thema erfassen.

Welche Einstellung haben ReligionslehrerInnen zum ‚Pendeln als Thema des Religionsunterrichts‘?

Im Fragebogen ist versucht worden, das Unterrichtsthema ‚Unerklärlich-Übernatürliches‘ am Beispiel von ‚Pendeln‘ konkret zu machen und dafür den Befragten mögliche Reaktionsmuster vorzugeben. Dazu stellten wir die folgende Frage:

‘‘Unter dem Stichwort ‘‘offene religiöse Didaktik’‘ kann man auch darüber diskutieren, wie man mit Themen umgeht, die nach landläufiger Auffassung eher im Gegensatz zu christlich-religiösen Inhalten stehen.

Diese Themen könnten beispielsweise Okkultpraktiken wie das 'Pendeln' sein - eine Methode, die Jugendliche gelegentlich anwenden, um Antworten auf Fragen über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu finden. Was meinen Sie: Soll der RU diesen Themen wie 'Pendeln' u.ä. offen stehen?

Bitte nehmen Sie zu jeder der folgenden Auffassungen Stellung.’‘

Das Ergebnis der Antworten auf die angebotenen Vorgaben lautet:

Meiner Meinung nach ...

             
 

auf keinen Fall

     

auf jeden Fall

 

Mittel-wert

je Zeile

... kann das 'Pendeln' im Unterricht probeweise praktiziert werden.

[n = 2.039]

41

17

18

14

11

100%

2,37

... ist vor den möglichen psychischen Gefahren zu warnen, die durch das 'Pendeln' entstehen können.

[n = 2.033]

6

3

9

16

66

100%

4,30

... ist das 'Pendeln' im Unterricht zu tolerieren, weil es eine weit verbreitete Praxis ist.

[n = 2.026]

59

21

13

4

4

100%

1,74

... sollte das 'Pendeln' eingesetzt werden, weil es den Unterricht methodisch belebt.

[n = 2.033]

62

16

12

7

4

100%

1,75

... ist im Unterricht zu verdeutlichen, daß Gott den Menschen von allen finsteren Mächten befreit.

[n = 2.011]

10

9

24

23

33

100%

3,58

... können im Unterricht durch die Behandlung des Themas 'Pendeln' unbewusste Einstellungen der Schüler/-innen therapeutisch erschlossen werden.

[n = 2.000]

36

20

25

13

6

100%

2,32

... sollte der spielerische Reiz des 'Pendelns' bei der Behandlung des Themas erhalten bleiben.

[n = 2.009]

41

16

17

14

12

100%

2,39

... kann das 'Pendeln' im Unterricht als eine Möglichkeit vorgestellt werden, göttlichen Willen zu erkennen.

[n = 2.028]

91

5

3

1

1

100%

1,15

... sollte das 'Pendeln' im Unterricht wissenschaftlich-rational erklärt werden.

[n = 2.018]

13

5

14

19

48

100%

3,84

Unsere Interpretation dieser Zahlenverteilungen lautet: Das Antwortverhalten der ReligionslehrerInnenschaft ist von der alles überragenden Befürchtung geprägt, das Pendeln als Element okkulter Praktik könnte den geselligen Rahmen jugendlicher Peers überschreiten. Es könnte bei ihnen Weltwahrnehmungen fördern bzw. Strukturen ihrer Welt-Aufordnung prägen, die zu dem mit ihrem Religionsunterricht verfolgten Ziel der emanzipativ-befreienden Wirkung von Religion kontraproduktiv ausfallen müßte. Die Warnung vor den psychischen Gefahren steht an der Spitze und sie besitzt einen der höchsten der in der Gesamtbefragung erreichten Mittelwerte. Und entsprechend wird von den ReligionslehrerInnen souverän die Provokation der Fragebogen-Autoren zurückgewiesen, mit dem Pendeln könne im Unterricht eine Möglichkeit vorgestellt werden, ‘‘göttlichen Willen’‘ zu erkennen.

Nicht ganz so deutlich wird der Gedanke verworfen, das 'Pendeln' deswegen im Unterricht einzusetzen, weil es diesen ‘‘methodisch beleben’‘ könnte; vielleicht auch deswegen, weil es für eine unter den SchülerInnen weitverbreitete Praxis gehalten wird. Immerhin finden sich unter allen Lehrenden 25%, die sich (mehr oder weniger) für das probeweise Pendeln im Unterricht stark machen - eine Zahl, die in den von der alters- und milieuspezifischen Themenattraktivität besonders betroffenen Schulbereichen noch höher ausfällt. Das vermögen entsprechende Schulvergleiche zu zeigen. Die höheren Zahlen sprechen dafür, dass die dort befürwortenden KollegInnen sich vor dem Thema Pendeln nicht drücken können (und teilweise vermutlich auch nicht wollen), wenn sie nicht Gefahr laufen möchten, ihre SchülerInnenbezogenheit zu verlieren.

Weitere differenzierte Auszählungen ergeben, dass die Einstellung gegenüber dem Pendeln als Unterrichtsthema kaum vom Lebensalter des befragten Lehrenden beeinflusst wird. Vielmehr ist von einer eher homogenen Reaktion aller Altersgruppen auf unsere Frage zum Pendeln zu sprechen. Ein vergleichbares Bild zeigt sich auch bei einer nach Geschlechtern differenzierten Betrachtung: Männliche und weibliche ReligionslehrerInnen haben eine nahezu identische Einstellungsstruktur zu diesem Thema. Eine frühere Aktivität in der kirchlichen Jugendarbeit ist ebenfalls keine Bestimmungsgröße für die Haltung zum 'Pendeln' als Element des Religionsunterrichts.

Demgegenüber zeigt sich das erwartbare Ergebnis, dass sich in dieser Frage die Reaktionen sehr deutlich schulspezifisch unterscheiden. So dürfte nicht verwundern, dass die PrimarstufenlehrerInnen gegenüber dem Pendeln eher zurückhaltend sind, da das Thema erst ein spezielles der nachfolgenden Jugendphase ist. Möglicherweise sind sie es aber auch aus grundsätzlicher Sorge um die ihnen anvertrauten Kinder, die auch dann zum Tragen kommt, wenn im konkreten Fall die Gefahr für noch nicht so akut gehalten wird:

  • ‘‘Nach meiner Erfahrung sind die mit dem Okkultismus und seinen Phänomenen verbundenen Ängste in der Altersstufe der OS-SchülerInnen noch nicht so stark. Sie gewinnen an Dynamik mit dem Wechsel zu den weiterführenden Schulen und den damit verbundenen Unsicherheiten, neben den Reifeprozessen der Pubertät.’‘ [Orientierungsstufenlehrer (m), 55 Jahre, ohne Fakultas,]

Aufschlussreich ist auch, dass KollegInnen an Berufsbildenden Schulen und die IGS/KGS-LehrerInnen die größte Affinität zu diesem Thema aufweisen; ein Ergebnis, das sich auch für die Realschulen und / oder Hauptschulen hätte vorstellen lassen.

Zusammengefasst: Die weit überwiegende Mehrheit der KollegInnenschaft in allen Schulformen steht - trotz aller internen Differenzierung - auf der Seite derer, die den konkreten Einsatz des ‚Pendelns‘ im Unterricht eher ablehnen.

Ein weiteres die LehrerInnenschaft charakterisierendes Detailergebnis dieser Untersuchung: Konkrete Unterrichtserfahrungen und entsprechende Interessen der ReligionslehrerInnen (u.a.) am Thema 'Okkultismus bei Jugendlichen' verändern nicht generell die sehr zurückhaltende Rezeption des Problems; 'Nicht-Erfahrung' lässt allerdings noch zurückhaltender reagieren. Anders ausgedrückt: Praktische Erfahrungen bzw. Interessen machen Religionslehrende zwar etwas aufgeschlossener, aber sie verändern nicht die skeptisch-emotionale Grundhaltung in Richtung eines völlig anderen Antwortprofils.

 

Konkrete Erfahrungen, Kenntnisse und Informationsquellen der ReligionslehrerInnen zum Thema‚ Okkultismus bei Jugendlichen‘

Neben dem Versuch, über die Optionen für oder gegen das konkrete Thema ‚Pendeln im RU‘ die Einstellungen der Lehrenden in diesem Feld kennen zulernen, haben wir auch nach Kenntnissen gefragt, die die Lehrenden über das Wissen und über die Informationsquellen der Jugendlichen zu besitzen meinen.

Wie steht es um Ihr Interesse und um Ihre Kenntnisse über das Wissen und die Informationsquellen Jugendlicher zum Thema 'religiöse Phänomene und Erlebnisdimensionen',

die nicht von unseren tradierten christlich-kirchlichen Vorstellungsgestalten und Wertmustern geprägt sind?

(Wir denken da beispielsweise an esoterische Vorstellungen, Reinkarnation oder Okkult-Imaginationen und -praktiken)

Ich verfüge schon über einige Erfahrungen zu diesem

Wissen bzw. zu den Informationsquellen. 42

Ich habe dazu keinerlei Erfahrungen und daran kein Interesse. 16

Ich habe zwar Interesse, aber keine/wenige Erfahrungen. 42

[n = 2.058] 100%

Dieses Ergebnis macht deutlich, dass nur eine Minderheit der befragten ReligionslehrerInnen keinerlei Erfahrungen und Interesse an diesem Themenkomplex besitzt. Mit großer Mehrheit zeigt sich, dass man in der ReligionslehrerInnenschaft dieses Thema für zumindest mehr oder weniger relevant im Rahmen des Auftrages hält.

Lassen sich Unterschiede nach Merkmalen wie z.B. Geschlecht, Alter, Schulform oder Besitz einer förmlichen Lehrbefähigung finden? Die Antwort lautet: Es gibt Unterschiede.

  • Zunächst einmal lässt sich eine bei den Geschlechtern unterschiedliche Beurteilung feststellen. Es zeigt sich, dass, mit 49%, häufiger die männlichen Befragten angeben, bereits über einige Erfahrungen zu verfügen (I). Dieses Verhältnis spiegelt sich umgekehrt bei Kategorie III wider: Hier sind es, mit 46%, mehrheitlich die weiblichen Befragten, die angeben, zwar Interesse, aber wenig Erfahrung zu besitzen. Kein Geschlechterunterschied zeigt sich hingegen bei Angabe II, bei jenen also, die weder Erfahrungen noch Interesse besitzen.
  • Beim Vergleich der verschiedenen Altersklassen lässt sich erkennen, dass mit zunehmendem Alter der Anteil derjenigen mit Erfahrungen/Wissen (I) von 46% (Klasse bis 35 J.) auf 34% (Klasse über 56 J.) abnimmt. Dieses Ergebnis kann ergänzt werden durch die Tendenz, dass ab der Altersklasse der 46- bis 50-jährigen die Antwortkategorie II (keine Erfahrung/kein Interesse) häufiger zutrifft (von 7% bei den bis 35-jährigen, über 19% bei den 46 bis 50-jährigen, auf 25% bei denen über 56 Jahre).

    Weitgehende Übereinstimmung zwischen den Altersgruppen herrscht hingegen bei der Beantwortung der Kategorie III. Das Ergebnis lautet also: ‚Je älter, desto weniger Erfahrung; je jünger, desto aufgeschlossener‘.

  • Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich auch bei der Unterscheidung nach früherer Aktivität der Befragten in der Jugendarbeit einer Kirchengemeinde: Die ehemals Aktiven gaben, mit 43%, tendenziell häufiger an, über Erfahrungen und Wissen (I) zu verfügen bzw. es besaßen nur 15% keinerlei Erfahrung/Wissen (II). Bei den Nichtaktiven war ein Verhältnis von 34% (I) zu 22% (II) zu finden. Wieder weitgehend übereinstimmend wurde Kategorie III beantwortet. Das bedeutet: ‚Eigene Erfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit erhöhen die Themen-Kompetenz‘.
  • Eine Unterscheidung liegt auch in dem Merkmal ‚Besitz/Nichtbesitz einer förmlichen Lehrbefähigung (‚Fakultas‘)‘. Hier zeigt sich im Vergleich der beiden Kategorien sogar ein sehr eindeutiges Ergebnis: 46% der Fakultasbesitzer verfügen über Erfahrungen/Wissen (I), bei den Nicht-Besitzern sind es dagegen nur 27%. 13% der Besitzer haben keine Erfahrungen/Interesse (II) gegenüber 25% bei jenen ohne förmliche Lehrbefähigung. Und 41% (gegenüber 48% bei den ‚Nichtbesitzern) besitzen zwar Interesse aber nur wenig/keine Erfahrung (III). Das Ergebnis lautet also: ‚Ein professionelles Studium des Faches ‚Ev. Religion‘ erhöht ebenfalls die Themenkompetenz‘.

    2.3 Persönliche Stellungnahmen und differenzierte Aspekte in den sog. ‚Offenen‘ Antworten

Als dritte Frage zum Themenkomplex ‚Pendeln / Okkultimus‘ gaben wir allen Befragten die Gelegenheit, selbst formulierte Bemerkungen zu notieren.

Dazu lautete unsere Vorgabe:

Im Blick auf Informationsquellen, besonders aber auf das Wissen und die Interessen Jugendlicher zu den Themen ‘Okkultismus, Reinkarnation, Esoterik’ usw. scheinen mir für einen RU, der diese Themen ernst nehmen will, noch folgende Stichworte wichtig: ...

Von allen 2.109 Befragten haben 25% ( = 524 Antwortende mit 714 Antworten) diese Gelegenheit genutzt.

  • ‘‘Man muss sich als Lehrer immer bewusst sein, dass die Schüler, die Erfahrung mit Okkultismus haben, niemals ganz offen darüber reden.’‘ [Realschullehrer (w), 42 Jahre, mit Fakultas]
  • ‘‘Vagabundierende Suchende, die alles ausprobieren und alles Neue als die Wahrheit schlechthin preisen und später auf das nächste Eso-Thema stoßen.’‘ [BBS-Lehrer (m), 37 Jahre, mit Fakultas]
  • ‘‘Bei vielen SchülerInnen sind bestimmte Praktiken und Vorstellungen präsent - allein deswegen ist es wichtig, dazu zu arbeiten.’‘ [Realschulehrer (m), 35 Jahre, mit Fakultas]
  • ‘‘Pendeln, Horoskope, Wahrsagerei sind Ausdruck religiöser Bedürftigkeit, gleichzeitig Ausdruck mangelhafter Angebote religiöser Heimat in Kirche, Familie etc..’‘ [BBS-Lehrer (m), 50 Jahre, mit Fakultas]

Die Teilmenge derer, die ihre ‚freie‘ Antworten notierten, nach Schulstufen differenziert:

  • 21% Antwortende waren es bei den LehrerInnen der Primarstufe,
  • 15% der Orientierungsstufe,
  • 6% der Sonderschule,
  • 11% bei denen der Hauptschule,
  • 15% aus der Realschule,
  • 14% bei denen des Gymnasiums,
  • 7% aus der IGS/KGS, und etwa
  • 12% der BBS.

Damit haben durchaus nicht die Lehrenden derjenigen Schulstufen relativ häufiger als der Durchschnitt von einer ,freien Äußerung‘ Gebrauch gemacht, von denen man vielleicht erwartet haben mag, dass sie einen engeren Bezug zu diesem Thema
haben. Für eine Begründung dieses auffälligen Sachverhalts findet sich in den weiteren Ergebnisse keion Anhalt, sodaß es an dieser Stelle bei der bloßen Feststellung bleiben muß.

Wie gestaltet sich die thematische Differenzierung aller gegebenen Antworten? Von allen ‚freien Antworten (n = 714) beziehen sich fast 60% (= 420) auf den Problembereich ‘‘Modus des Umgangs mit diesen Themen im Unterricht’‘.

 

(1)
Zunächst: Von den 420 Antworten signalisieren 17%, dass man entweder das Thema für überbewertet hält - ‘‘Der RU sollte nicht jeder Mode nachlaufen’‘ [Orientierungsstufenlehrer (m), 53 Jahre, mit Fakultas] - oder dass man dies für kein Thema der SchülerInnen halte.

  • Es gibt genügend andere Themen, die ich für wichtig halte und in denen ich kompetent bin. [Schulpastorin i.d. Orientierungsstufe, 36 Jahre, mit Fakultas]
  • Die Jugendlichen sind in diesem Bereich weniger interessiert als gemeinhin angenommen wird. Ähnlich wie in religiösen Fragen berühren auch solche die Jugendlichen nur an der Oberfläche – Ausnahmen! [Gymnasiallehrer (m), 49 Jahre, mit Fakultas]
  • Nach Geschlecht differenziert und auf Personen bezogen: Diese Haltung teilen etwa 10% der männlichen Befragten, die insgesamt auf die Frage geantwortet haben, gegenüber etwa 16% der weiblichen. Diese Geschlechterproportion steht in einem statistischen Zusammenhang mit der Schulform, da mehr weibliche Lehrkräfte an Grundschulen unterrichten, zugleich aber 37% der PrimarstufenlehrerInnen und 25% der OrientierungsstufenlehrerInnen - also ein recht hoher Anteil - dieses Thema als ‘‘nicht wichtig’‘ für ihre Schüler ansehen.
  • Zudem ist die Einstellung der Lehrenden zum Thema auch stark vom Alter ihrer SchülerInnen abhängig. Gleichwohl erscheint manchem Lehrenden eine gewisse Wachsamkeit schon im niedrigen Schulalter geraten. Das gilt besonders dann, wenn auch die (jungen) Eltern dazu einen Bezug haben, denn ‘‘es beginnt jedoch auch jetzt schon in der Grundschule’‘. [Primarstufenlehrerin (w), keine Altersangabe, mit Fakultas]
  • Auch das Alter der Befragten selbst beeinflußt die Haltung gegenüber der (Nicht-) Relevanz des Themas. So sind es eher die über 40-jährigen, die dieses Thema für überbewertet halten (13% der 41-45-jährigen, 14% der 46-50-jährigen, 21% der 51-55-jährigen, 23% der über 55-jährigen).
  • Einen Einfluss auf die Beurteilung der Themen-Relevanz scheint auch der ‚Fakultasbesitz‘ zu haben: Dass Okkultismus für ihre Schüler kein Thema sei und sie dieses Thema für überbewertet halten, sagen 17% der Nichtbesitzer gegenüber 10% der Inhaber einer förmlichen Lehrbefähigung. Dieses Ergebnis korrespondiert dem aus der standardisierten Frage.


In Zusammenhang mit dem Bereich ‘‘kein Thema in meinem Unterricht’‘ steht auch, dass man das Thema, nur ‘‘wenn (es) gewünscht’‘ werde, behandeln wolle, ‘‘um keine Neugier zu wecken’‘: 14% der Nichtbesitzer einer förmlichen Lehrbefähigung sprechen sich hier für eine Zurückhaltung aus, aber nur 4% derer, die eine ‚Fakultas‘ innehaben. Auch das dürfte für die gesteigerte Souveränität in der Themenbehandlung bei denen sprechen, die in ‚Ev. Religion‘ professionell ausgebildet sind, zumindest damit vielleicht mehr Selbstbewusstsein gegenüber dem Thema entwickeln.
 

(2)
Allerdings gilt insgesamt für den weitaus größeren Teil der ‚freien Antworten‘: Sie bestätigen die Relevanz des Themas und beziehen sich darauf, wie im Unterricht mit Okkult-Themen umgegangen werden kann, wenn sie zum Thema geworden sind:

  • ‘‘Okkultismus, Esoterik etc. sind als Themen im RU nicht zu umgehen, weil Schülerinteresse und -erfahrungen dies notwendig erscheinen lassen. Beweggründe und Hintergründe esoterischer Praktiken sind zu diskutieren.’‘ [Hauptschullehrer (m), 59 Jahre, mit Fakultas] Freilich gilt für diesen Kollegen zugleich: ‘‘Eine Öffnung des RU für Esoterik wäre für mich ein Verlassen der christlichen Grundlage des RU.’‘
  • In einem christlichen Religionsunterricht kann es bei diesem Thema nur darum gehen, Jugendlichen bzw. Schülern die Antwort der Bibel bzw. des Katechismus/Bekenntnisschriften aufzuzeigen, die sehr eindeutig sind. [Primarstufenlehrer (w) 60 Jahre, mit Fakultas]
  • Eine angemessene Behandlung behandelt das Thema ausführlich und vielschichtig, d.h. zuerst wird das Interesse daran selbst ernst genommen und nicht von vornherein polemisiert. Am Ende der UE sollte nicht Leere stehen, die dem SchülerInnen bleibt, wenn das Esoterische, das Faszinosum ihres Lebens seiner Wirksamkeit entkleidet wurde. Das Bedürfnis nach Ritualen muss wahrgenommen werden. [Gymnasiallehrer (w), 34 Jahre, mit Fakultas]


9% aller 714 ,freien Antworten‘ stellen ‘‘sachliche Informationen’‘ in den Vordergrund; 6% betonen, dass über dieses Thema ‘‘offen’‘ gesprochen werden muss. Damit verbunden ist eine Aufklärung über mögliche Gefahren (6%) und/oder christliche Bezüge und Antworten (6%). ‘‘Sachliche Informationen’‘ als Modus, mit dem Thema umzugehen, sind, nach Schulformen differenziert, relativ gleich verteilt (Abweichungen: Primarstufe und BBS). Insoweit handelt es sich also um eine breit gelagerte Tendenz zur Wissensvermittlung. Zu den selbst genutzten und den empfohlenen Informationsquellen der Lehrenden, die in den Antworten genannt werden: Neben Hinweisen auf Fortbildungen als ‚Quelle‘ wird auch der Einsatz von Sektenbeauftragten der Kirchen im Unterricht sowie der Kontakt zu Betroffenen genannt, um den SchülerInnen ein möglichst umfassendes und realistisches Bild zu vermitteln. Der Modus: ‘‘Herstellen christlicher Bezüge’‘ scheint besonders deutlich von den ‚Fakultasbesitzern‘ bevorzugt zu werden - also wieder von jenen, die in der Regel eine spezielle religionspädagogische Ausbildung

durchlaufen und bewusst das Fach ‚Ev. RU‘ angesteuert haben: 10% der ‚Besitzer‘ erwähnen dies, dagegen nur 3% der ‚Nichtbesitzer‘.


(3)
Eine wichtige Voraussetzung dafür, als Lehrender den SchülerInnen als Gesprächspartner gegenübertreten zu können, besteht nach Auffassung einiger KollegInnen darin, kompetent über Wissen und Informationsquellen (auch die der Jugendlichen) zu verfügen:

      ‘‘Kollegen, die über keine praktische Erfahrung verfügen, sollten das Thema nicht unterrichten. Es besteht die Gefahr, dass über Schüler hinweg doziert wird.’‘. [Gymnasiallehrer (m), 43 Jahre, mit Fakultas]

      ‘‘Ohne Kenntnisse darf man sich nicht an das Thema heranwagen.’‘ [Realschullehrer (w), 27 Jahre, mit Fakultas]


(4)
Was wurde an inhaltlichen Stichworten genannt, die den Lehrenden wichtig sind? Es ist festzustellen, dass die Antworten breit gestreut sind. Das Spektrum der Aussagen reicht von ‘‘Horoskope’‘, ‘‘Telepathie’‘ über ‘‘Reinkarnation’‘, ‘‘Sekten’‘ bis zu ‘‘Voodoo’‘ und ‘‘Satanismus’‘. Innerhalb dieser Bandbreite lassen sich sieben Themenbereiche finden, denen sich die verschiedenen Stichworte zuordnen lassen:

  • Satanismus,
  • Sekten,
  • Esoterik,
  • Reinkarnation (mit Stichworten wie: Nah-Toderfahrung, Tod, Selbsterlösungs-Sehnsucht), Parapsychologie (dazu: Gedankenübertragung, Telepathie, Kinetik, Gläserrücken),
  • Wahrsagen (mit Aussagen wie: Hellsehen, Visionen, Kartenlegen, Tarot, Traumdeutung, Wünschelruten, Meditation, Horoskope und Astrologie),
  • fernöstliche Religionen (einschließlich: Schamanismus, Anthroposophie, (!) Voodoo).

Es sind die Begriffe ‘‘Satanismus’‘ und ‘‘Sekten’‘, die zu den am häufigsten genannten Stichworten gehören: Allein der Begriff ‘‘Satanismus’‘ stellt über ein Drittel aller Nennungen. Für die Religionslehrenden scheint also die Beschäftigung besonders mit diesem Gegenstandsbereich wichtig zu sein, wenn es gilt, mit seinem Religionsunterricht das Wissen und die Interessen zum Thema Okkultismus der Jugendlichen bzw. Schüler ernst zu nehmen.

 

Zusammenfassung

  • ‘‘Vor Gefahren warnen’‘ - dieser dominierende Akzent, erfasst durch die Frage nach dem ‚Pendeln als Thema des RU‘, wird auch noch einmal in den freien Antworten unterstrichen: 6,2% der Antworten betonen das ein erneutes Mal.
  • Insbesondere der Modus des Umgangs mit dem Thema steht mit den Zielen des Unterrichts und Möglichkeiten seiner Gestaltung im Zusammenhang.
  • Wie formuliert sich die religionspädagogische Herausforderung in der Sprache jener KollegInnen, die die Gelegenheit ergriffen haben, ‚selbst das Wort zu nehmen‘?
  • ‘‘Jugendliche mit Interesse an okkulten Praktiken sind auf der Suche nach religiösen Inhalten, deswegen ist es besonders schwer, diese Thematik im Unterricht aufzugreifen und über die Hintergründe zu informieren.’‘ [Realschullehrer (w), 53 Jahre, mit Fakultas]
  • ‘‘Ich habe das Thema Okkultismus am Beispiel des Pendelns durchgenommen, die Schüler waren sehr interessiert. Es ist jedoch schwierig, den Schülern eine kritische Einstellung zu vermitteln.’‘ [keine Angabe zur Schule (m), 43 Jahre, mit Fakultas]
  • Die Lehrenden erwarten konkrete Beratungs- und Anlaufstellen, und zwar sowohl für sich als auch für die Schüler:
  • ‘‘Wie besorge ich weiteres Infomaterial? Wo bekomme ich Hilfe von Experten, die zu diesem Thema qualifizierte Ratschläge erteilen können? An wen können sich Jugendliche wenden?’‘ [Primarstufenlehrer (m), 29 Jahre, mit Fakultas]
  • In welcher Perspektive dieses Thema als Gegenstandes RU auch gesehen werden muß, macht folgende Äußerung deutlich:
  • ‘‘Die Meute intoleranter Eltern leckt sich doch jetzt schon das Maul, solche Themen bzw. deren Vermittlung durch den Lehrer anzugreifen.’‘ [Orientierungsstufenlehrer (m), 32 Jahre, mit Fakultas]

Das Fazit der Auswertung zum Thema ‚Pendeln‘ und zur Gesamttendenz der Untersuchung lautet: Mit einer überwältigenden Mehrheit unterstützt die niedersächsische evangelische ReligionslehrerInnenschaft unterrichtliche Bemühungen, die auf der Basis christlich-biblischer Wertvorstellungen eine Entwicklung der SchülerInnen hin zu personal-autonomer Entfaltung erreichen wollen. Der ReligionslehrerInnenschaft geht es darum, dass ihre SchülerInnen ‚Religion‘ als Kraft begreifen sollen, die - auf der individuellen wie auf der gesellschaftlichen Ebene, in Reflexion und Feier - dem Transzendenzbedürfnis des Menschen eine in der christlichen Tradition verbürgte Gestalt anbietet, die den Menschen ‘‘zur Freiheit befreit’‘, statt ihn zum autonomieunfähigen Spielball okkulter Kräfte degenerieren zu lassen.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2001

PDF